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Stahlwerke werden nicht umgerüstetGrüner Stahl bleibt ein Traum

Trotz hoher Fördermittel will ArcelorMittal die Stahlwerke in Bremen und Eisenhüttenstadt nicht klimaneutral umrüsten. Das hat enorme Konsequenzen.

Das Bremer Stahlwerk soll nun erstmal doch nicht klimafreundlicher werden: Senat wertet das als schweren Rückschlag für Klimaziele Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Die Stahlwerke von ArcelorMittal in Bremen und Eisenhüttenstadt werden nicht auf klimaneutrale Wasserstofftechnologie umgerüstet. Wie am Donnerstag bekannt wurde, will die Unternehmensleitung von ArcelorMittal die Dekarbonisierung ihrer europäischen Werke über Direkt­reduktionsanlagen (DRI) vorerst nicht weiterverfolgen. ArcelorMittal wollte ursprünglich bis 2030 einen Hochofen in Bremen und einen in Eisenhüttenstadt klimaneutral umbauen.

Das Stahlwerk allein ist für rund die Hälfte der kompletten Treibhausgasemissionen des Landes Bremen verantwortlich. Nur mit einer DRI-Anlage und dem Einsatz von grünem Wasserstoff könnte die Stahlproduktion klimaneutral werden. Um die milliardenteure Umstellung zu ermöglichen, hatte die Politik große Fördersummen versprochen: 600 Millionen Euro für den Standort Bremen sollten von der Bundesregierung kommen, weitere 250 Millionen Euro wollte das Land Bremen beisteuern. Hohe Summen waren auch für Eisenhüttenstadt vorgesehen.

Dass es auch mit der großzügigen staatlichen Förderung kein Selbstläufer werden würde, steht schon länger fest: Obwohl ein eigenes Projektteam im Bremer Werk mehrere Jahre an den Plänen für eine Wasserstoff-Umstellung gearbeitet hatte, zeigte sich die belgische Konzernspitze seit der grundsätzlichen Förderzusage sehr zurückhaltend.

Mehrfach deutete das Unternehmen an, dass die Stahlproduktion mit Wasserstoff zu teuer werden würde. Nun ist die Entscheidung offiziell. Begründet wird sie mittlerweile auch mit weiteren schwierigen Rahmenbedingungen für die europäische Stahlproduktion, etwa die hohen Stahlimporte in die EU – bei gleichzeitig geringer Nachfrage.

Drei vergleichbare Vorhaben in Planung

Die Stahlindustrie ist einer der größten CO₂-Emittenten in Deutschland. Sie spielt damit eine Schlüsselrolle, damit in Deutschland die Klimaziele erreicht werden. Eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung soll statt Kokskohle der Einsatz von „grünem“ Wasserstoff zur Stahlerzeugung spielen, über Direktreduktionsanlagen (DRI). Wasserstoff wird als „grün“ bezeichnet, wenn er auf Basis erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne hergestellt wird.

ArcelorMittal verwies auf eine Verpflichtung, die Entscheidung mitzuteilen – da der Vertrag mit der Bundesregierung über die Förderung von insgesamt 1,3 Milliarden Euro den Beginn der Bauarbeiten für das Projekt bis Juni 2025 vorsah. Das Bundeswirtschaftsministerium bedauerte die Entscheidung von ArcelorMittal. Wichtig sei, dass noch keine staatlichen Gelder geflossen seien. Drei vergleichbare Vorhaben der Hersteller Salzgitter Flachstahl, Thyssenkrupp Steel Europe und SHS (Stahl-Holding-Saar) hätten Förderbescheide über zusammen rund 5,6 Milliarden Euro erhalten. An den Standorten der drei Unternehmen laufe die Umsetzung der Projekte bereits.

„Wir wissen die Finanzierung durch die Bundesregierung und das Land Bremen sowie die Unterstützung des Landes Brandenburg für dieses Projekt zu schätzen“, erklärte Geert Van Poelvoorde, Chef von ArcelorMittal Europe. Aber selbst mit der finanziellen Unterstützung sei die Wirtschaftlichkeit der Umstellung nicht ausreichend gegeben. „Die Rahmenbedingungen ermöglichen aus unserer Sicht kein belastbares und überlebensfähiges Geschäftsmodell“, erklärte Reiner Blaschek, Chef der europäischen Flachstahlsparte von ArcelorMittal. „Die Förderung ist an strenge Vorgaben für den raschen Einsatz von grünem Wasserstoff geknüpft. Verfügbarkeit und Preise von grünem Wasserstoff sind jedoch mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Daraus ergeben sich erhebliche Risiken.“

Der Senat in Bremen zeigte sich „enttäuscht und verärgert“ über den Rückzieher von Arcelor. „Der Konzern muss jetzt umgehend eine Perspektive für die Hütte und die Arbeitsplätze aufzeigen“, so Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). „Ich erwarte, dass er sich zu dem Werk und der Stahlproduktion in Bremen bekennt.“

Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte mit Bedauern: Die Landesregierung unternehme alles, um mit den Beschäftigten, dem Bürgermeister, dem Unternehmen sowie allen Beteiligten die Arbeitsplätze im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt zu schützen.

Wettbewerbsfähigkeit ohne Umstellung kaum vorstellbar

Doch dass der emissionsintensive Stahl aus Europa ohne Umstellung wettbewerbsfähig bleiben kann, ist kaum vorstellbar. Im europäischen Emissionshandel steigen die vereinbarten Preise für jede Tonne Treibhausgas kontinuierlich an. „CO₂-belasteter Stahl wird sich auf Dauer nicht mehr am Markt platzieren lassen“, sagte noch im Februar 2024 Marion Müller-Achterberg, Stabsleiterin bei ArcelorMittal Bremen.

Geprüft wird nun eine mögliche Umrüstung des Stahlwerks auf Elektrolichtbogenöfen. Die könnten helfen, zumindest einen Teil des Kohlendioxids einzusparen. Doch große Hoffnung macht ArcelorMittal auch für diese kleine Lösung nicht: Man plane die ersten Elektrolichtbögenöfen in „Ländern, die eine wettbewerbsfähige und planbare Stromversorgung bieten können“; Deutschland dagegen habe im internationalen Vergleich zu hohe Stromkosten. ArcelorMittal hatte im Mai erklärt, den nächsten Elektrolichtbogenofen in Dünkirchen in Frankreich zu bauen.

Auswirkungen haben kann die Entscheidung auch auf den Ausbau der Wasserstoffproduktion in Norddeutschland; zuletzt waren ohnehin einige Vorhaben gestoppt worden – ein Trend, der sich ohne sichere Abnehmer ausweiten könnte. (mit dpa)

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2 Kommentare

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  • Das Feralpi-Stahlwerk in Riesa arbeitet mit Elektroöfen, das zugehörige Walzwerk ist das modernste in Europa und soll klimaneutral sein. Was ist hier anders gelaufen als in Bremen?

  • Wieder einmal erweist sich die Umstellung auf eine Wasserstoff-Wirtschaft als Luftschloss.

    Und geradezu hilflos wirkt Bovenschulte, wenn er den Konzern dazu aufruft, dass er sich zur Stahlproduktion in Bremen "bekennt". Stahlkonzerne sind keine Religionsgemeinschaften, die wollen Gewinne machen. Und solange der deutsche Staat die Produktionskosten verteuert, wandern die energieintensiven Betriebe und damit auch die Arbeitsplätze aus Deutschland ab. Immerhin kann Bremen sich absehbar einer Reduzierung seiner CO2-Emissionen rühmen, was die dann arbeitslos gewordenen Beschäftigten sicher sehr freuen wird.