Reichsbürger-Verein: Dobrindt lässt „Königreich Deutschland“ untergehen
Führende Köpfe sind festgenommen; es gibt Razzien in 7 Bundesländern. Bundesinnenminister Dobrindt hat das „Königreich Deutschland“ verbieten lassen.

Razzien und weitere Maßnahmen fanden in den Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen statt. Die Bundesanwaltschaft veranlasste parallel die Festnahme von vier Rädelsführern des „Königreichs“, die Gruppe bewertet sie als kriminelle Vereinigung.
Festgenommen wurde der Kopf der Gruppe, Peter Fitzek, der selbsternannte König, der auch schon mal im Hermelinmantel auftritt. Den 59-Jährigen traf die Polizei auf seinem Gutshof im sächsischen Halsbrücke an, 35 Kilometer von Dresden entfernt. Fitzek soll keinen Widerstand geleistet haben. Bereits zuletzt gab es einen offenen Haftbefehl gegen ihn: Er war im September 2024 zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er zwei Jahre zuvor im Wittenberger Landratsamt zwei Bundeswehrsoldaten beleidigt und eine Sicherheitsbedienstete an eine Wand gedrückt hatte.
Verbot noch unter Faeser vorbereitet
Das Verbot des „Königreichs“ war noch unter der jüngsten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorbereitet worden. Da mehrere Bundesländer und Behörden involviert waren, aber zog sich das Verfahren. Nun folgte die Umsetzung unter dem neuen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt. Der CSU-Mann sprach von einem „bedeutenden Schlag gegen die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter.“ Damit sei die größte Vereinigung „dieser seit Jahren wachsenden Szene verboten“. Ihr Zweck und ihre Tätigkeit liefen den Strafgesetzen zuwider und richteten sich gegen die verfassungsgemäße Ordnung und verletzten zudem das Völkerrecht.
Die Mitglieder hätten einen „Gegenstaat“ geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut, erklärte Dobrindt. „So untergraben sie beharrlich die Rechtsordnung und das Gewaltmonopol der Bundesrepublik. Dabei untermauern sie ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch durch antisemitische Verschwörungserzählungen.“ Das könne in einem Rechtsstaat nicht geduldet werden, sagte Dobrindt. Das Verbot ist laut Bundesinnenministerium in enger Kooperation mit Verfassungsschutzämtern und weiteren Bundesbehörden nach umfangreichen Ermittlungen ergangen und betrifft auch zahlreiche Teilorganisationen des Vereins.
Fünf Rädelsführer im Visier der Bundesanwaltschaft
Festgenommen wurden auch Fitzeks Stellvertreter, Benjamin M. im Brandenburger Landkreis Oder-Spree und Martin S. im sächsischen Döbeln, sowie Mathias B. in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz), der für die Finanzen der Gruppe zuständig gewesen sein soll. Ein weiterer Beschuldigter, nach taz-Informationen Marco G., wurde im Schweizer Solothurn durchsucht, aber nicht festgenommen. Auch die vier Männer gelten der Bundesanwaltschaft als Rädelsführer der kriminellen Vereinigung. Ihnen werden „unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte“ zur Last gelegt. Die Festgenommenen sollten am Dienstag und Mittwoch dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes vorgeführt werden.
Anführer Peter Fitzek beschäftigt die Gericht schon seit Jahren. Gegen ihn wurden Prozesse wegen Untreue, unerlaubter Bankgeschäfte oder Verstößen gegen das Versicherungsaufsichtsgesetz geführt, auch wegen Fahrens ohne Führerschein. Der Führerschein wurde ihm bereits 2015 amtlich entzogen, Fitzek selbst soll ihn bereits 2012 im Landratsamt abgegeben haben – und danach weitergefahren sein. Bereits im November 2018 musste Fitzek wegen diverser Verurteilungen eine Haftstrafe in der JVA Halle antreten. Freiwillig erschien er nicht, sondern wurde in einer Gaststätte festgenommen. Nach dreieinhalb Monaten kam Fitzek wieder frei. Nun sitzt er wieder in Haft.
Laut Bundesinnenministerium ist sein nun verbotenes „Königreich Deutschland“ mit nach Eigenangaben rund 6.000 Anhänger*innen die mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der sogenannten Reichsbürger, die immer wieder die Souveränität Deutschlands bestreiten und Fantasiestaaten gründen und sich häufig auf das Kaiserreich von 1871 bis 1918 beziehen. Die Zahl der festen Mitglieder des „Königreichs“ war aber wohl weit kleiner: Laut Verfassungsschutz zählte die Gruppe intern zuletzt 919 Mitglieder.
Peter Fitzek hatte sein „Königreich“ im September 2012 in Wittenberg in Sachsen-Anhalt „ausgerufen“, mit ihm als obersten Souverän, ernannt auf Lebenszeit. Ziel war eine „konstitutionelle Wahlmonarchie“. Mitglieder wurde versprochen, von der bundesdeutschen Steuer- und Sozialabgabenpflicht befreit zu sein. Dafür wurden fiktive Ausweise verteilt, eine eigene Währung geschaffen, die „Neue Deutsche Mark“, sowie ein Pseudo-Bank- und Versicherungssystem aufgebaut. Online wurde ein eigener Marktplatz betrieben, „Kauf das Richtige“, auf dem mit einer „E-Mark“ bezahlt wurde. Dazu schuf sich das Königreich eigene Organisationen wie die „Deutsche Heilfürsorge“, eine Art Krankenkasse, eine „Rentenkasse“ oder eine „Königliche Reichsbank“.
Immer wieder erwarb die Gruppe auch Immobilien, und das bundesweit, die fortan als „Staatsgebiet“ angesehen wurden: etwa in Bad Lauterberg in Niedersachsen, in Gera in Thüringen oder in Wolfsgrün und Eibenstock in Sachsen. Fitzek erwarb seinen Hof in Halsbrücke im Mai 2023.
Das Bundesinnenministerium wirft Fitzeks Truppe vor, damit eine „aggressiv eigene Staatlichkeit“ geschaffen und das Gewaltmonopol und den Rechtsstaat infrage gestellt zu haben. So habe Fitzek selbst Recht gesprochen und unterhalte eine eigene „Garde“ mit Exekutivbefugnissen. Durch den Erwerb der Liegenschaften sollte „das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland kontinuierlich geschmälert werden.“
Zudem habe das „Königreich“ eine „dezidiert profitorientierte Ausrichtung“ gehabt, so das Innenministerium. Seine Anhängerschaft habe erheblichen Summen für den Ankauf von Grundstücken und Gebäuden zugewendet. Ebenso seien Einnahmen über Reichsbürgerschulungen zum „Systemausstieg“ und „unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte“ über Teilorganisationen wie die „Königliche Reichsbank“ und die „Deutsche Heilsfürsorge“ durchgeführt worden. „Dies stellt einen Verstoß gegen einschlägige strafbewehrte Bestimmungen des Kreditwirtschafts- wie auch des Versicherungsaufsichtsgesetzes dar“.
Ideologisch gebe es in der Vereinigung „eine antisemitisch konnotierte verschwörungstheoretische Verächtlichmachung von staatlichen Institutionen Deutschlands und anderer Länder“, so das Innenministerium. Diese würden als „satanisch unterwandert“ oder „von jüdischen Clans“ gelenkt dargestellt, was die Menschenwürde von Jüdinnen und Juden verletze und staatliche Institutionen delegitimiere. Auch in der eigenen Verfassung des „Königreichs“, 70 Seiten stark, finden sich antisemitische Anklänge. Die Gruppe kritisierte etwa eine Umverteilung „von den fleißigen Menschen hin zum Bankenkartell“. Das Zinssystem sei die Säule eines „destruktiven Systems“.
Die Verbotsverfügung wirft der Gruppe auch vor, mit Grenzrevisionen und vermeintliche Sezessionsrechte zulasten der Nachbarländer das Völkerrecht zu verletzen. Hinzu kämen Volksverhetzungen, Verunglimpfungen des Staates, Urkundenfälschungen durch Ausgabe eigener Legitimationsdokumente und „szenespezifische Ungehorsamsdelikte“. Mit dem Verbot werde auch die Website gesperrt, das Vermögen der Organisation beschlagnahmt. Eine Fortführung unter anderem Namen ist ebenfalls verboten.
Bei den Immobilien des „Königreichs“ hatte sich zuletzt schon die Bundesanstalt für Finanzaufsicht eingeschaltet: Sie versiegelte 2023 in Wittenberg das „Wolfsgrüner Schlösschen“ und den „Sächsischen Hof“ in Eibenstock. Ein Jahr später folgte das „Schloss Bärwalde“ in Boxberg in der Oberlausitz.
In der Reichsbürger-Szene sind die Grenzen zum Rechtsextremismus teilweise fließend. In einigen Gruppen auch die zum Rechtsterrorismus: So plante eine Gruppe Reichsbürger während der Pandemie die Entführung des ehemaligen Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD). Eine derzeit unter anderem in Frankfurt am Main angeklagte Gruppe um „Prinz Reuß“ plante etwa einen Staatsstreich mit Waffengewalt und die Ermordung zahlreicher Menschen. Auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete war Teil dieser Gruppe. Politiker der extrem rechten Partei treiben sich auch immer wieder mal auf Reichsbürger-Demos herum, nicht zuletzt Björn Höcke besticht durch die Nähe zu Thüringer Reichsbürger*innen.
Und auch AfD-Parteichef Tino Chrupalla, der in Reden selbst gerne raunt, dass „Deutschland kein souveränes Land“ sei, wollte im sächsischen Weißwasser David Kreiselmeier als AfD-Kandidat zum Oberbürgermeister machen. Der ist Mitglied des „Königreichs Deutschland“ und war unter anderem in deren sächsischen Telegram-Chatgruppe aktiv. Dort schrieb Kreiselmeier unter anderem, „dass dieses System nicht mehr gerettet werden sollte; zuschauen und genießen, wie es sich selber zerstört, scheint mir auch die sinnvollste Strategie.“ Nun kann er erstmal dabei zusehen, wie sein „Königreich“ samt „König Peter I.“ untergeht.
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