Mindestlohn: Die SPD eiert herum
15 Euro Mindestlohn hatte die SPD versprochen, das konnte sie gegen die Union nicht durchsetzen. Nun widerspricht sie bereits dem Koalitionsvertrag.

E rfolg ist relativ, besonders in der Politik. Ob eine Partei ihre Ziele durchsetzt, ist eine Sache der Interpretation. Damit werden täglich Zeitungen und Talkshows gefüllt. Beim Mindestlohn dagegen ist es schwer, eine Niederlage als Erfolg zu verkaufen. Da steht dann eine Zahl, an der nicht viel zu deuteln ist.
15 Euro Mindestlohn, mit dieser Forderung ist die SPD angetreten. Ohne einen Erfolg in dieser Frage kann sie die Koalition mit der Union kaum vermitteln, weder der Basis noch der Wählerin. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat nun angekündigt, dass man den Mindestlohn notfalls per Gesetz auf 15 Euro anheben werde, falls die ach so unabhängige Mindestlohnkommission nicht zum gleichen Ergebnis kommen sollte wie die SPD. Das ist nachvollziehbar, politisch sauber ist es nicht.
Inhaltlich spricht nichts gegen einen höheren Mindestlohn. Materiell würde er die Lage vieler Menschen verbessern. Und es wäre doch einen Versuch wert, die AfD mal mit Umverteilung zu bekämpfen statt mit Nachahmung. Nur, warum hat die SPD die 15 Euro nicht in den Verhandlungen mit der Union durchgesetzt? Im Koalitionsvertrag wurde die Aufgabe der Kommission überlassen, weil man sich nicht einigen konnte. Wenn die SPD dem schon nach zwei Wochen widerspricht, erinnert das an die FDP in der Ampel. Gute Zusammenarbeit ist das nicht.
Die Höhe des Mindestlohns war immer eine politische Frage, darüber kann die vermeintlich unabhängige Kommission nicht hinwegtäuschen. Sie ist der Versuch, die Idee der Tarifautonomie zu übertragen. Aber ein Mindestlohn ist kein Tarifvertrag. Die Gewerkschaften können die Mindestlöhner nicht zum Streik auffordern, haben also kein Druckmittel.
Sollte die Kommission nun einen Mindestlohn unter 15 Euro vorschlagen, dürfte die SPD es noch schwerer haben, einen höheren Mindestlohn gegen die Union durchzusetzen als schon in den Koalitionsverhandlungen. Zugeben kann die SPD das nicht. Denn das würde die Zustimmung ihrer Mitglieder gefährden, bevor die Koalition überhaupt angetreten ist.
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