Steuerung der Photovoltaik: Worauf sich Betreiber von Solaranlagen einstellen müssen
Solarkraft ist so erfolgreich, dass sie teils das Stromnetz überlastet. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu, was jetzt hilft.
Was ist das Problem?
Wenn die Sonne auf die Dächer scheint, speisen viele kleine Photovoltaikanlagen ihren Strom ins Netz. Sie helfen dabei, den deutschen Strom klimafreundlicher zu machen – nur kommt der Ausbau der Stromnetze dem massiven Zubau von Solaranlagen in den vergangenen zwei Jahren nicht hinterher. So gibt es oft Strom, für dessen Transport die Kapazität fehlt.
Größere Kraftwerke kann der Netzbetreiber temporär abschalten lassen, um einer solchen Überlastung der Netze entgegenzuwirken. „Abregeln“ nennt man das. Auf kleine Solaranlagen haben die Netzbetreiber bislang oft technisch keinen Zugriff.
In Deutschland wurde kürzlich die Marke von 100 Gigawatt an installierter Photovoltaik überschritten. Allein im Jahr 2024 wurden 17 Gigawatt zugebaut, mehr als je zuvor. Von der derzeit installierten Anlagenleistung machen nach Zahlen des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW-Solar) die steuerbaren Großanlagen rund 63 Gigawatt aus. Es bleiben somit 37 Gigawatt an nicht steuerbaren Kleinanlagen.
Diese Leistungsangaben sind allerdings nur ein theoretischer Höchstwert. In der Praxis erreicht der gesamte Anlagenpark nur maximal 60 Prozent seiner Nennleistung, weil beispielsweise manche Anlagen auf die Morgensonne ausgerichtet sind, andere auf die Nachmittagssonne.
In der Praxis können die Kleinanlagen derzeit bis zu 22 GW unkontrolliert ins Netz speisen. Zwar liegen sie damit bislang noch deutlich unterhalb des mittäglichen Stromverbrauchs von mindestens 40 bis 42 GW. Trotzdem kommt es längst zu regionalen Überlastungen im Verteilnetz. Aktuell lassen sich die Engpässe zumeist noch beheben, indem große PV-Anlagen abgeregelt werden. Doch wenn weiterhin in hohem Tempo nicht steuerbare Kleinanlagen hinzukommen, können sie zum Problem für die Netzstabilität werden.
Wenn der Strom nicht abtransportiert werden kann, könnte man ihn doch vor Ort für später speichern. Hilft es, wenn alle, die zu Hause eine Solaranlage haben, sich Stromspeicher zulegen?
Kaum. Erstens sind solche Heimspeicher dafür meistens zu klein, zweitens werden sie in der Regel so betrieben, dass sie den Eigenverbrauch optimieren. Zur sommerlichen Mittagszeit, wenn die Solarstromerzeugung ihren Spitzenwert erreicht, sind die privaten Batteriespeicher häufig bereits voll – der Mittagsstrom geht dann wieder komplett ins Netz.
Was tut der Gesetzgeber?
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ vorgelegt. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erklärte kürzlich im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie, die Gesetzesnovelle müsse „dringend“ noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, um die „PV-Spitzenproblematik abzumildern“. Das aber wird knapp: Der letzte Sitzungstermin des Bundestags vor der Wahl ist am 11. Februar.
Wie kann man solche temporären Strom-Überschüsse verhindern?
Vor allem geht es um die Fernsteuerbarkeit von PV-Anlagen. Damit die Netzbetreiber Zugriff haben, müssen die Sonnenkraftwerke mit einem intelligenten Messsystem und einer Steuerungseinrichtung ausgestattet sein. Bislang müssen neue PV-Anlagen erst ab einer Spitzenleistung von mehr als 25 Kilowatt fernsteuerbar sein.
Anlagen unterhalb dieser Leistungsgrenze speisen heute in der Regel noch ihren gesamten Strom ein, sofern er nicht unmittelbar im Gebäude genutzt wird. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass Neuanlagen bereits ab sieben Kilowatt durch die Verteilnetzbetreiber gesteuert werden können.
Ändert sich auch etwas für die Solaranlagen, die es schon gibt?
Ja, bis Ende 2032 sollen auch Bestandsanlagen steuerbar sein. Im aktuellen Entwurf des Messstellenbetriebsgesetzes liegt die Grenze für die verpflichtende Steuerbarkeit bei ebenfalls sieben Kilowatt. Binnen der nächsten acht Jahre sollen somit 90 Prozent der installierten PV-Leistung auf Stand sein.
Auf diese Weise soll die Stromwirtschaft in einem zukünftigen Smart-Grid – englisch für „intelligentes Netz“ – Zugriff auf alle sogenannten Energiewendeanlagen erhalten, wozu neben Stromerzeugern auch Wärmepumpen und Ladesäulen zählen. Abregeln heißt übrigens nicht, dass die Betreiber der betroffenen Anlagen einfach leer ausgehen. Sie haben einen Anspruch auf Entschädigung.
Immer häufiger treten bei einem zu großen Stromangebot negative Strompreise auf. Das heißt: Im Großhandel fallen die Preise unter null, Stromeinspeisen kostet, statt Geld einzubringen. Was bedeutet das für Anlagenbetreiber?
Aktuell entfällt für Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 400 Kilowatt die Vergütung gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), sobald der Preis am Spotmarkt für die Dauer von mindestens drei aufeinander folgende Stunden negativ ist. Künftig wird für diese Anlagen die Einspeisevergütung in ausnahmslos allen Stunden mit negativen Preisen entfallen. Zugleich soll die Leistungsgrenze, von der an diese Regel gilt, auf 100 Kilowatt gesenkt werden.
Zudem sollen auch Betreiber von Anlagen, die auch bei negativen Strompreisen Vergütung erhalten (aufgrund geringer Anlagengröße oder aufgrund von alten EEG-Verträgen), in Zukunft freiwillig darauf verzichten können. Im Gegenzug sollen sie in Zeiten positiver Strompreise höhere Beträge bekommen.
Ein Detail wird sich außerdem ändern: Da an den europäischen Spotmärkten künftig der Strom im vortägigen Handel („Day-ahead-Markt“) nicht mehr in stündlichen Blöcken, sondern für jede Viertelstunde gehandelt wird, entfällt auch die Einspeisevergütung in jeder Viertelstunde mit negativen Preisen.
Lohnen sich neue PV-Anlagen noch angesichts dessen, dass negative Börsenpreisen häufiger werden?
Die Streichung der EEG-Förderung zu Zeiten negativer Strompreise könne „ein geeignetes Instrument sein, um zu starke Einspeisespitzen erneuerbarer Energien zu glätten“, räumt auch der BSW-Solar ein. Zugleich warnt der Branchenverband aber, dass dieser Schritt „die Wirtschaftlichkeit, Kalkulierbarkeit und somit die Investitionsbereitschaft für PV-Anlagen“ gefährden könne.
Dem soll ein Kompensationsmechanismus im Gesetzentwurf abhelfen: Die Vergütung zum Ende der 20-jährigen Laufzeit soll auf Basis der Anzahl der angesammelten Stunden mit negativen Preisen verlängert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die CDU und die Brandmauer
Der Schlingerkurs des Friedrich Merz
Merz-Pläne zu Abschiebungen
Spiel mit dem Feuer
Steuerung der Photovoltaik
Worauf sich Betreiber von Solaranlagen einstellen müssen
SPD zu Merz' Asylvorschlägen
Sie nennen es „Erpressung“
Männer und Feminismus
Die männliche Identitätskrise
Demonstrationen in ganz Deutschland
Die Bewegung ist zurück