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Geschenk mit Eskalation

International bröckelt die Solidarität mit der Ukraine. Die künftige US-Administration könnte für etliche Staaten sogar eine Erleichterung sein

Von Tanja Tricarico und Bernd Pickert

Diese Woche schien die Woche der Entscheidungen zu sein. Die USA sagten nach langem Zögern zu, dass die Ukraine Mittelstreckenraketen US-amerikanischer Herkunft auch auf russischem Territorium einsetzen darf – wenn auch nur auf dem Kursker Gebiet. Der erste Einsatz folgte unmittelbar. Russland antwortete mit Oreschnik, einer experimentellen Mittelstreckenrakete, deren Reichweite die Ukraine so sehr übersteigt, dass ihr Einsatz offenbar vor allem als Zeichen an den Westen gedacht war.

Die Zusage aus den USA wirkt wie ein Abschiedsgeschenk des noch amtierenden US-Präsidenten Joe Biden. Und fast schon wie Resignation – denn die internationale Solidarität bröckelt. Besonders eindrücklich zeigte sich dies beim G20-Gipfel in Brasilien. Ein paar dürre Sätze zur Kriegslage in der Ukraine schafften es ins Abschlussdokument. Keine fulminante Verurteilung der Gewalt durch Russland, kein Appell für eine Friedensinitiative, keine Positionierung zu Aggressor und Opfer. Brasilien, Indien, Indonesien sehen dies nicht als Topthema auf ihrer politischen Agenda.

Treiber der neuen Eskalation und Diskussion ist die Ungewissheit, welchen politischen Ansatz zum Ukrai­ne­krieg Donald Trump verfolgen wird. Im Raum steht seine Behauptung aus Wahlkampfzeiten, er werde den Krieg „binnen 24 Stunden beenden“. Wie das gehen soll, bleibt offen.

Die vermutlich klarste Sicht auf einen möglichen Trump-Ansatz bietet ein im April diesen Jahres von dem Trump nahestehenden America First Policy Institute veröffentlichter Report. Die Autoren Keith Kellog und Fred Fleitz gehörten beide zum Nationalen Sicherheitsteam der ersten Trump-Präsidentschaft. Einerseits kritisieren sie umfangreich die Regierung Biden. Die habe vor Beginn der russischen Großoffensive im Februar 2022 weder ausreichend militärische Hilfe an die Ukraine gesandt, noch harte diplomatische Anstrengungen unternommen, um Putin von der Invasion abzuhalten. Anschließend habe sie zu zögerlich, zu langsam und zu wenige Waffen geschickt. Vor allem daran habe es gelegen, dass seit Ende 2022 ein blutiger Stillstand eingetreten sei, der nunmehr mit immer weiteren Waffenlieferungen verlängert werde. Die Analyse hat Plausibilität: Der vor wenigen Wochen von dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vorgestellte „Siegesplan“ stieß bei keinem einzigen westlichen Partnerland auf offene Ohren.

Der Vorschlag von Kellog und Fleitz: sofortiger Waffenstillstand, Einfrieren des derzeitigen Frontverlaufs, abgesichert durch eine demilitarisierte Zone, Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft für mindestens 20 Jahre – und gleichzeitig die militärische Ertüchtigung der Ukraine, um Russland an erneutem Wortbruch zu hindern. Was genau den russischen Präsidenten außer ein paar weniger Sanktionen dazu bringen sollte, sich angesichts seiner derzeitigen Geländegewinne auf Verhandlungen mit einem derartigen Ergebnis einzulassen, führen die Autoren nicht weiter aus.

Zwei weitere Aspekte fallen in dem Papier auf: Es wird betont, wie wichtig die Unberechenbarkeit Trumps sei, um außenpolitisch etwas zu erreichen. Und zweitens: Für eine Trump’sche Außenpolitik sei es essenziell zu verhindern, dass sich die Achse zwischen Russland, China, Nordkorea und Iran weiter etabliert. Der Biden-Regierung werfen die Autoren vor, den Ukrainekrieg von der legitimen Verteidigung zum Stellvertreterkrieg gegen Russland verwandelt und damit eine funktionierende Arbeitsbeziehung zwischen den USA und Russland verunmöglicht zu haben.

Diese Analyse passt zur aktuellen Stimmung in den USA. Man könne angesichts der diversen eigenen Probleme nicht immer weiter Geld in die Ukraine pumpen, finden viele. Hinzu kommt, dass die USA ihre eigenen Munitionsbestände nicht auf Jahrzehnte ausdünnen wollen. Auseinandersetzungen mit China könnten bevorstehen.

Alarmiert durch die Ausführungen Trumps macht der polnische Premier Donald Tusk Druck. Kurz nach dem Wahlsieg des erratischen Republikaners kündigte Tusk an, sich mit führenden EU-Staats- und Regierungschefs treffen zu wollen.

Welche Rolle Deutschland in dieser Runde spielen wird, ist nach dem Ampel-Aus unsicher.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in puncto Ukrainehilfe ein Riss durch Europa gehen könnte. Für die Nachbarn Russlands bleibt es eine Herzensangelegenheit, keinerlei russische Gebietsansprüche anzuerkennen – auch für ihre eigene Sicherheit. Andere Länder könnten sich hinter Trump verstecken.

Die Perspektive, Millionen Geflüchtete aufnehmen und auf Jahre hinaus einen blutigen Stellungskrieg finanzieren zu müssen, ist schlicht nicht attraktiv.

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