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Öl-Konzern muss CO₂-Ausstoß nicht senkenShell hat recht

Marie Gogoll
Kommentar von Marie Gogoll

Shell ist nicht an das Pariser Klimaabkommen gebunden, urteilte ein Gericht – zu Recht. Denn für die Einhaltung müssen die Regierungen sorgen.

Der Direktor von Milieudefensie, Donald Pols, nach dem Urteil im Klimaprozess wischen mehreren Umweltorganisationen und Shell

K eine Frage, dieses Urteil ist bitter für die Klimabewegung: Der Energiekonzern Shell ist rechtlich nicht dazu verpflichtet, seinen CO₂-Ausstoß drastisch zu senken. Jedenfalls nicht in dem Maße, in dem es die niederländische Umweltorganisation Milieudefensie als Klägerin gefordert hatte. So entschied am Dienstag ein Gericht in Den Haag. Und obwohl es Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen schmerzen wird – mehr als eine symbolische Wirkung hätte ein anderes Urteil wohl sowieso nicht gehabt.

Shell hat recht: Würde Shell weniger Öl liefern, würden Wohnungen eben mit dem Öl von einem anderen Konzern geheizt. Würde Shell Tankstellen dichtmachen, führen die Leute halt zu Aral. So argumentierte der Konzern schon vor dem Prozess.

Milieudefensie hatte Shell auf die Einsparung von 45 Prozent der im Jahr 2019 verursachten CO₂-Emissionen bis 2030 verklagt. Die NGO hatte 2021 in erster Instanz recht bekommen, doch das Berufungsverfahren hat Shell nun gewonnen. Die Begründung: Für eine konkrete Einsparungsforderung gebe es keine Grundlage.

Ursprünglich hatte die NGO die Klage damit untermauert, dass der Konzern sich an die Verpflichtungen des Pariser Klimaschutzabkommens halten müsse. Aber dieses Abkommen haben nun mal Re­gie­rungs­che­f*in­nen unterschrieben, keine CEOs. Und das ist der entscheidende Punkt.

Eigentlich nicht ihr Job

Mit der Bemühung, Unternehmen zu verklagen, versuchen NGOs wie Milieudefensie, eine Lücke zu füllen, die die politischen Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen offen lassen. Nämlich die, Klimaschutzverpflichtungen direkt für Konzerne festzulegen und durchzusetzen. Und zwar nicht nur für einen, sondern für alle.

Zum Beispiel mithilfe einer Steuer auf die Förderung fossiler Brennstoffe. Regierungen müssten dafür sorgen, dass die nicht an Ver­brau­che­r*in­nen weitergegeben wird. Dann könnte eine solche Steuer den sozial gerechten Ausstieg aus fossiler Energie und den Umstieg auf erneuerbare beschleunigen. Und die Unternehmen ließen sich dann auch auf juristischem Wege dazu verpflichten.

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Marie Gogoll
Volontärin
Aufgewachsen in Duisburg, Psychologiestudium in Bremen, danach Journalismus in Dortmund und Sevilla. Schreibt seit 2020 für taz Nord & Sport, jetzt Volontärin im Berliner Ressort für Wirtschaft und Umwelt.
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29 Kommentare

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  • Das Urteil ist ein schock, aber es kann noch Revision eingelegt werden. Allerdings würde ich noch viel mehr auf die Klage wegen dem Betrügen durch die Öl Industrie setzen, die Klage gegen den Konzern, der schon in den 70gern sehr klar wusste, was er anrichten würde und es geheim hielt:wer war das nochmal ? Es sollten Übergewinne rechtlich sicher abschöpfbar werden und nur mehr für Umbau auf nachhaltige Alternativen durch die Konzerne beantragbar werden, dazu sind Staaten da! Auch die katastrophalen Methan Lecks bei Öl und Gas Produktion müssen rechtliche Strafen nach sich ziehen, die alle in den Fonds zur Absicherung und Transformation gehen, der neben einem Fonds für Folgekosten = loss& damage angelegt werden muss und der natürlich entsprechend dem CO2 und Methan etc (was noch an Klimagiften emitiert wird) von Ländern den Anteil zu zahlender Beiträge bemessen muss ! Dann müssen auch die Öl Produzenten und China einzahlen und es beginnt eine Demokratisieung entgegen der corporate rule= Unternehmensherrschaft.Diese droht gerade in den USA mit Trump + Musk ihre chaotisch-oligarchische Kapital Despotie an Stelle der bisherigen Regeln setzen zu wollen!

  • PS eine der grössten Ölquellen die an Shell Europa über Erdogans Söhne liefert, gehört noch immer dem IS..... in Irkuk übrigens....

  • Wir erinnern uns an Ken Saro Wiwa..... damals verfasste ich meinen Protestbrief noch mit Maschine, und er musste geschickt werden an die aussenpolitische Abteilung des Konzerns Shell..... auch darüber beschwerte ich mich dass ein Konzern Politik machte. Damals war das noch nicht so bekannt in der Bevölkerung.... Die Antwort drohte mir mit schweren Nachteilen und der Staatsschutz ermittelte...gegen mich natürlich.

  • Es ist gut so, dass die Klage abgewiesen wurde. Schließlich entscheiden die Kunden und nicht das Unternehmen wie das verkaufte Produkt eingesetzt wird. Setzt den CO2-Preis hoch, dann regelt der Markt den Rest. Alles andere ist bürokratischer Irrsinn und wirkungslos.

    • @Lucas100:

      Welch Quatsch. DAS Narrativ der Kapitalisten... WIR machen nur, was verlangt wird... Lol

  • Lösung: Wenn ich den Text richtig verstanden habe, müssen „nur“ alle ölfördernden Unternehmen auf 45% Reduzierung verklagt werden, damit es funktionieren würde.

    • @Heinrich Baum:

      Aliejew würde sich freuen, und mit ihm die CDU Spezeln

  • Die Forderung der Kläger ist inzwischen obsolet geworden.

    Auf der COP23 erklärten die erdölfördernden Länder, daß sie die Fördermengen nicht reduzieren werden. Verständlich da viele Staatshaushalte und der Wohlstand ihrer Bürger auf die Ölverkäufe angewiesen sind.

    Öl läßt sich per Tanker zu den Abnehmern transportieren. Wenn die EU ihre Bezugsmengen reduzieren sollte, werden auf dem Weltmarkt Mengen frei, die zu niedrigeren Preisen an neue Kunden verschifft werden. Hunderte Millionen von Menschen weltweit träumen von einem eigenem Fahrzeug. E-Autos sind für sie zu teuer. Wenn Öl billiger wird, verbessern sich ihre Chancen auf Mobilität.

    Bei Förderkosten von 5 bis 15$ (Ölsand) wird der Verkauf auch bei Weltmarktpreisen unter 50$ weiterlaufen.

    Der weltweite CO2-Austoß durch Verbrenner und Ölheizungen sinkt keinesfalls, wenn die EU weniger Öl bezieht, sondern erst, wenn die ölfördernden Länder weniger aus dem Boden holen.

    Wer nicht auf dem aktuellen Stand ist, sollte die Nachrichten dieser Tage zur COP29 in Baku nachlesen. Die Ölförderung wird nicht sinken. Zu erreichen ist vorerst nur eine möglichst saubere Verbrennung mit TÜV und Grenzwerten. Also am besten in der EU.

  • "Zum Beispiel mithilfe einer Steuer auf die Förderung fossiler Brennstoffe. Regierungen müssten dafür sorgen, dass die nicht an Ver­brau­che­r*in­nen weitergegeben wird."

    Das ist ein feuchter Traum linker Öko-Aktivisten aus Wolkenkuckucksheim, welche von Wirtschaft absolut nichts verstehen. Selbstverständlich fließen ALLE Kosten, inkl. Steuern, Strafsteuern, Zöllen und sonstigen Abgaben, in die Preise ein, die Kunden bzw. Verbraucher zahlen müssen. Wie sollte das denn auch verhindert werden? Firmen kalkulieren ihre Preise frei, und ob sie die dabei anfallenden Steuern nun explizit in ihre Kalkulation einbeziehen, geht den Staat nichts an, solange die Buchhaltung und die Bilanz den gesetzlichen Richtlinien entspricht und alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.

    • @Olli P.:

      hmm, es scheint eher nicht um feuchte Träume von vermeintlich Ahnungslosen zu gehen, sondern um das diskutierte und praktizierte gesellschaftliche Steuerungsmodell des Klimageldes. Die Steuer auf fossile Brennstoffe wird über direkt oder indirekt an den Bürger zurückgegeben.

      • @fly:

        Das ist nicht das, was im Artikel steht. Dort steht, dass mit gesetzlichen Regelungen dafür gesorgt werden soll, dass Firmen die auf fossile Brennstoffe zu zahlenden (Straf)steuern gar nicht erst an die Verbraucher weitergeben werden. Und das nenne ich ein Wolkenkuckucksheim, weil es an allen wirtschaftlichen Realitäten komplett vorbeigeht.



        Abgesehen davon ist es Unsinn, wenn der Staat erst aufwändig etwas kassiert, um es dann noch aufwändiger an die Bürger auszuzahlen. Und genau das tut der Staat, wenn er die von Firmen erhobenen Steuern auf fossile Brennstoffe an die Bürger zurückerstattet. Das ist kein Nullsummenspiel für den Staat, sondern ein dickes Minusgeschäft für alle, weil es die Wirtschaft schädigt und Unsummen für lähmenden Bürokratismus verschlingt.

  • Bin ich glücklich ein Urteil mit Vernunft und Begründung zu lesen.



    Nach erster Instanz war ich von den Socken und bin gespannt wie letztendlich der EUGH entscheiden wird. Denn ich bin sicher dort wird es am Ende landen.



    Meine Befürchtung, dass jeder jeden verklagen kann der nach seiner Meinung mehr für die Umwelt tun könnte. Das würde dazu führen, dass ein paar wenige extrem Ökos die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft in den Würgegriff nehmen.

  • DIE Regierungen gibt es in dem Sinne genauso wenig wie DIE Kirche, DIE Konzerne usw.. Immer und Überall entscheiden ausschließlich nur Menschen! Somit sind auch nur sie für die Entwicklungen in der gemeinsamen Zivilgesellschaft verantwortlich!



    Ich frage mich, welche Werte die Bürger in solchen Unternehmen verkörpern! Wir in den westlichen Zivilgesellschaften erheben ja dauerhaft unseren moralischen Zeigefinger und verweisen auf unsere gelebten Werte! Welche sind es denn?

    • @Dr. Enseleit Jürgen:

      Der Witz ist doch, dass "die Menschen in den Unternehmen" eine Schnittmenge von "die Bürger" sind. Die Menschen in den Unternehmen" sind wir selbst, unsere Familien, Freunde, Nachbarn, Mitbürger; das sind nicht einfach "die anderen", von denen man sich abgrenzen kann. Wenn Sie also wissen wollen, welche Werte "die Bürger" und "die Menschen in den Unternehmen" vertreten, schauen Sie einfach mal in den Spiegel.

    • @Dr. Enseleit Jürgen:

      Zum Beispiel Rechtsstaatlichkeit. Es kann eben niemand ohne gesetzliche Grundlage zu etwas gezwungen werden.

      • @Bommel:

        Das scheint heutzutage leider immer mehr aus der Mode zu geraten. Statt dessen wird versucht, mit vermeintlicher moralischer Überlegenheit auch die Menschen öffentlich unter Druck zu setzen, die sich an alle Gesetze halten, sich an irgendwelche Minderheitenmeinungen zu halten, die keinerlei gesetzliche Rechtfertigung haben.



        Dass auf diese Weise eine ganze Volkswirtschaft in den Abgrund getrieben wird, nehmen diese Moralisten und Aktivisten dabei billigend in Kauf. Dass sie sich dabei den Ast absägen, auf dem sie selbst sitzen, ignorieren sie dabei geflissentlich.

    • @Dr. Enseleit Jürgen:

      Ich denke, die Leute in den Firmen können ihr Handeln gut damit rechtfertigen, dass sie das liefern und produzieren, was sie Menschen haben wollen und benötigen. Energie für Mobilität und Heizen, Konsumartikel, Nahrung usw

  • Tja, scheint mir eher ein Fall von Green Washing zu sein: einerseits von Net-Zero Zielen reden, auf der anderen Seite aber bloss nichts verbindlich machen.



    www.shell.de/ueber...ring-progress.html

  • Das ökoemanzipatorische Projekt ist gescheitert, wie Ingolf Blühdorn so treffend in seinem Buch "Unhaltbarkeit" schreibt.

    Die Idee, Klimapolitik mit der Hilfe von Gerichten zu machen, ist von Seiten der Klimaschützer zwar verständlich, aber auch zutiefst undemokratisch.

    In der Demokratie ist der notwendige Klimaschutz nicht umsetzbar (in Diktaturen übrigens auch nicht). Die fossile Energie hat die Demokratie und den bescheidenen Wohlstand der breiten Masse in den letzen 150 Jahren erst möglich gemacht.



    Das lassen sich die Menschen nicht mehr wegnehmen.

    Die notwendige Abkehr von der fossilen Energie würde eine Ökodiktatur bedeuten, ich meine mit dem Wort, das alles der Erhaltung des Klimas untergeordnet, also nur noch das absolut Notwendigste konsumiert wird.

    Das wird natürlich nicht passieren!

    Wir werden die erneuerbaren Energien ausbauen und gleichzeitig die follilen Energien bis zuletzt ausschöpfen und den Planeten um 3 Grad aufheizen. Zuletzt verkauft uns der Kapitalismus noch die Klimaanlagen und Kälteanzüge für die heißesten Tage.

    Das kann kein Gericht stoppen.

  • Was für eine Kommentarspalte. Zum Schämen.

    Aber klar, die Unternehmen können einfach machen was sie wollen und ja die Regierungen müssten handeln tun sie aber nicht weil sie von den 0,1% bezahlt werden es nicht zu tun.

    Ich kann die NGO's gut verstehen, es sind die letzten verzweifelten Handlungen kurz vor der Aufgabe. Der Drop ist sowieso gelutscht.

    Weder die Wähler noch die Regierungsverantwortlichen wollen wirklich die Klimakrise bekämpfen. Wir haben es nicht anders verdient.

    Jetzt hilft nur noch sich auf die Katastrophe vorzubereiten. Verhindern werden wir sie definitiv nicht mehr.

    • @Matthias Schindler:

      Was Konzerne machen dürfen und was nicht, richtet sich aber nach Gesetzen und das Gericht hat - zu Recht - festgestellt, dass es kein Gesetz gibt, das die Forderung der UmweltAktivisten rechtfertigen könnte.

  • Bin positiv überrascht von diesem sehr vernünftigen Kommentar hier in der taz.

  • >>Zum Beispiel mithilfe einer Steuer auf die Förderung fossiler Brennstoffe. Regierungen müssten dafür sorgen, dass die nicht an Ver­brau­che­r*in­nen weitergegeben wird.

  • Habe das vor knapp vier Jahren chon nicht verstanden. Eigentlich müssen doch die Verbraucher verklagt werden oder die Regierungen, die das gesetzlich nicht geregelt bekommen. Die verkaufen legale Produkte und fertig. Wir Verbraucher fragen Produkte nach die die Welt zerstören. Von Plastik/Mikroplastik bis billige Lebensmittel und Naturzerstörung duch unsere maßlose Ich -Bezogenheit usw. will ich gar nicht erst anfangen.

    • @Tom Farmer:

      Ich stimme Ihnen zu! Trotzdem gibt es ein ABER! Welche Werte leben die Entscheidungsträger in den Unternehmen? Sie gehören genauso wie die Mitarbeiter und Verbraucher zu der gemeinsamen Zivilgesellschaft! Irgendwie ist in der Zivilgesellschaft der Wertekompass verloren gegangen! Trotzdem wird sehr oft der blutige moralische Zeugefinger gegenüber dem Rest der Welt erhoben!

  • Wie kommt man auf die Idee zu klagen, wenn man offensichtlich den Falschen vor sich hat?

    Übrigens: Die Steuer auf Öl gibt es bereits - unter anderem sind das die CO2-Zertifikate.



    Und eine Wirkung haben die auch dann, nein, vor allem dann, wenn der Preis weitergegeben wird: Wenn es Alternativen gibt, dann sind diese billiger und werden häufiger gewählt. Das nennt sich Marktwirtschaft.

  • Es ist gut zu sehen, dass sich Recht doch noch durchsetzen kann.

    • @Andere Meinung:

      Noch besser wäre es, wenn Gerechtigkeit endlich mal zum Zuge käme.

      • @Erfahrungssammler:

        ich möchte nicht, dass Richter sich über das Recht hingweg setzen, weil sie lieber "Gerechtigkeit" wollen.