Koalitionsverhandlungen in Thüringen: Die Brombeer-Ernte ist gefährdet
In Sachsen und Thüringen haben SPD und CDU große Zweifel am möglichen Koalitionspartner BSW. In einem Fall hat auch die AfD ihre Finger im Spiel.
Allen voran in Thüringen. Dort hat Sahra Wagenknecht die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vorerst vereitelt. Bereits vor einer Woche hatten die drei Parteien ein gemeinsames Sondierungspapier vorgestellt. Die darin enthaltene schmale Absichtserklärung, man wolle in die angestrebte Koalitionsvereinbarung eine Formel zum Frieden in Europa aufnehmen, aber genügte Sahra Wagenknecht nicht.
Sie verlangt eine Aussetzung der Waffenlieferungen an die Ukraine und eine Ablehnung der Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland. Bis Freitagmorgen wurde in Erfurt um einen Kompromiss gerungen. Doch auch der konnte Wagenknecht nicht zufriedenstellen.
Eine für den Sonntag erwogene Runde der Parteispitzen kam nicht zustande. Thüringens SPD-Chef und amtierender Innenminister Georg Maier macht dafür Wagenknecht, die „mit immer neuen Forderungen in die eigentlich konstruktiv verlaufenden Gespräche“ komme, verantwortlich. Man erziele in Thüringen zwar Einigungsergebnisse, sagte Maier am Sonntag gegenüber der Deutschen Presseagentur, „aber es gibt eine Person in Berlin, die das kassiert hat“. Das bedeute zwar noch nicht, dass die Verhandlungen endgültig gescheitert wären, sagte Maier. Allerdings habe er „kaum noch Hoffnung, dass wir noch zusammenkommen“.
Auch die Dresdner SPD ist empört über das BSW
Die Thüringer BSW-Landesvorsitzende, Eisenachs ehemals linke Oberbürgermeisterin Katja Wolf, widersprach einem drohenden Aus und zeigte sich von möglichen Kompromissen weiterhin überzeugt. Wolf hatte in jüngsten Äußerungen vorsichtig Differenzen zu Wagenknecht angedeutet und indirekt kritisiert, dass diese nur bundes- und außenpolitische Ambitionen hege.
Die Thüringer Union mit ihrem möglichen Ministerpräsidentenkandidaten Mario Voigt hielt sich bislang am meisten bedeckt. „Die Gespräche sind an einem kritischen Punkt“, bestätigte ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion lediglich. „Es wird voraussichtlich Anfang der Woche ein weiteres Treffen geben“, fügte er hinzu.
Auch in Sachsen stehen die Gespräche vor dem Aus. Auch hier ist eine Regierungsbildung jenseits der AfD mit einer führenden CDU auf das BSW angewiesen. In Dresden ist es aber die SPD, die für das Wochenende geplante Sondierungsgespräche in thematischen Arbeitsgruppen zunächst stoppte.
Den Anlass lieferte die AfD. Die Rechtsaußenpartei hatte das BSW aufgefordert, ihren Antrag auf Einsetzung eines Corona-Untersuchungsausschusses im Sächsischen Landtag zu unterstützen. Das tat das BSW zwar formal nicht. In der Sondersitzung des Landtags am Freitag aber stimmte eine Mehrheit ihrer Abgeordneten dann aber für den AfD-Antrag, während sich andere Parteien enthielten oder dagegen stimmten.
Die AfD hätte ihr Minderheitenrecht mit 40 Abgeordneten auch ohne das BSW durchsetzen können. SPD-Landesparteichef Henning Homann bewertet deshalb den „Schulterschluss“ von AfD und BSW als eine „schwere Belastung für die laufenden Sondierungsgespräche“. Er reagiert damit auch auf verbreitete Zweifel in der Landespartei an einer Verlässlichkeit des BSW. Dessen Landes- und Fraktionsvorsitzende Sabine Zimmermann verwies hingegen darauf, dass man das Stimmverhalten angekündigt habe. Man könne nicht gegen seine eigenen Themen stimmen.
So könnte auch in Dresden der Wochenbeginn über die Koalitionsaussichten entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?