Kritik an Polizeigewalt auf Palästina-Demo

Videos in sozialen Netzwerken zeigen gewaltsame Festnahmen. Opferberatungsstelle verzeichnet seit Monaten großen Bedarf

Von Hanno Fleckenstein

Ein Polizist traktiert einen am Boden fixierten Jugendlichen mit Faustschlägen. Ein anderer Beamter würgt eine kniende Demonstrantin und sagt „Hör auf zu schauspielern“. Eine Frau wird unvermittelt von hinten von einem Polizisten zu Boden gestoßen: Videos in den sozialen Netzwerken zeigen gewaltsame Festnahmen während und nach einer propalästinensischen Demonstration in Kreuzberg und Mitte am Samstag. Nun wird Kritik am Vorgehen der Polizei laut.

Die Gruppe „Palästina Spricht“, die unter anderem zu der Demo aufgerufen hatte, wirft der Polizei in einem Statement „grundlose und unverhältnismäßige Gewalt“ vor. Es seien 17 De­mons­tran­t*in­nen brutal festgenommen worden, darunter zwei Minderjährige. Es habe sieben Verletzte gegeben. „Wir halten fest, dass die Polizei den Teilnehmenden ihre Grundrechte als Protestierende verwehrt“, kritisiert die Gruppe.

Rund 1.000 Personen waren am Samstagnachmittag über die Oranien- und Axel-Springer-Straße Richtung Spittelmarkt gezogen. Dabei kam es laut Polizei zu zahlreichen Zwischenfällen. Es seien volksverhetzende Parolen gerufen sowie Steine, Eier und gefüllte Plastikflaschen in Richtung einer Gegendemonstration vor dem Axel-Springer-Verlagshaus geworfen worden.

Die Polizei habe 24 Personen vorübergehend festgenommen und 31 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine Nachfrage der taz, ob auch Ermittlungen gegen Polizeibe­am­t*in­nen aufgenommen wurden, blieb bis Redak­tionsschluss unbeantwortet.

„Die Polizei schießt völlig über das Ziel hinaus“, kritisierte der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak. Es gelte stets das mildere Mittel zu wählen. Koçak hat in den vergangenen Monaten immer wieder Palästina-Demos beobachtet. Auch gegen friedliche Proteste sei die Polizei oft unverhältnismäßig vorgegangen.

Sanchita Basu von der Beratungsstelle ReachOut sagte der taz, seit einigen Monaten sei der Bedarf groß: „Wir kommen gar nicht hinterher. Wir hatten noch nie so viel Vorlauf für einen Termin.“ Die von Polizeigewalt Betroffenen erhielten rechtliche Unterstützung, und, falls nötig, psychologische Beratung sowie medizinische Versorgung.

„Wie immer, wenn es um rassistische Polizeigewalt geht, haben wir kaum Handhabe“, kritisierte Basu. Fast je­de*r Betroffene kriege eine Gegenanzeige, werde also wegen „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ angezeigt. Viele bräuchten juristischen Beistand, könnten sich den aber nicht leisten. ­ReachOut vermittelt An­wäl­t*in­nen und unterstützt Betroffene, die ­Polizisten anzeigen wollen.