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Gewaltaufrufe gegen FrauenWenn er schlägt, liebt er nicht

Ein russischer Imam ruft im Internet zu häuslicher Gewalt gegen Frauen auf. In Politik und Gesellschaft stößt das vor allem auf Gleichgültigkeit.

Moskau, 12. Februar 2017: Protest gegen die Gesetzgebung zur häuslichen Gewalt in Russland Foto: Sergei Fadeichev/ITAR-TASS/imago

T imur Kamajew hat in dem Video in seiner Moschee Irek in Kasan, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tatarstan, Platz genommen. Einen weißen Umhang trägt er, auch eine weiße Kappe. Vor sich auf dem niedrigen Tischschen stehen eine Kanne Tee, eine volle Tasse, ein paar Süßigkeiten. Kamajew spricht ruhig. Er gibt Ratschläge zum Leben zwischen Mann und Frau – in der Ehe, versteht sich. Ratschläge, die auf Schlägen beruhen. Mache die Frau „etwas falsch“, gehorche sie nicht, sagt der Imam. Da dürfe der Mann gern ausholen.

Dass er mit seinen wenigen Sätzen eine Anleitung zur häuslichen Gewalt erteilt, das lässt sich Kamajew nicht sagen. Auch die geistliche Verwaltung der Muslime in Tatarstan sieht in den Ausführungen ihres Imams kein Problem. Die Journalisten hätten es falsch verstanden, der Imam aus Kasan habe sich nichts zuschulden kommen lassen, ließ die Verwaltung ausrichten. Das Video hat sie vorsichtshalber aus Youtube entfernen lassen.

In den sozialen Netzwerken äußern sich viele Nut­ze­r*in­nen aufgebracht zur „Rechtfertigung häuslicher Gewalt“ durch den Imam. In der Öffentlichkeit findet keine Debatte statt. Wie auch, wenn der Begriff „häusliche Gewalt“ seit Jahren keinen Einzug in die russische Gesetzgebung findet? Der russische Staat hält das für „nicht notwendig“. Es gebe viele andere Gesetze, erklärte einst Russlands Präsident Wladimir Putin, als es Bemühungen von Men­schen­recht­le­r*in­nen gab, ein Gesetz gegen häusliche Gewalt anzunehmen.

Für den Präsidenten, wie so viele in Russland äußerst tolerant gegenüber häuslicher Gewalt und davon überzeugt, dass der Stärkere immer recht habe, ist das Prügeln in der Familie eine Bagatelle. Die Tat wird mit einem Bußgeld von umgerechnet etwa 50 Euro geahndet. Forderungen, Frauen besser vor häuslicher Gewalt zu schützen, sieht das Justizministerium als „Diskriminierung von Männern“ an.

Gleichgültigkeit ist weit verbreitet

Gewalt in den Familien stößt in der russischen Gesellschaft oft auf Gleichgültigkeit: Schlage der Mann die Frau, so müsse die Frau schuld sein, schlagen die Eltern ihr Kind, so habe es das Kind verdient, wird oft erklärt. Selbst die Opfer sehen darin nichts Kriminelles.

Auch der Imam in Kasan wähnt sich im Recht. Drei Punkte unterstreicht er in seiner Rede für das russische Video. Beginnen solle der Mann mit einer „Ermahnung der Frau“. Verstehe sie diese nicht, werde sie des Ehebetts verwiesen, „um nachzudenken“. Bringe auch das nichts, solle der Mann seine Frau „schlagen“. Natürlich nicht so, dass sie blaue Flecken davontrage. Der Schlag solle nur aus dem Arm heraus erfolgen, nicht aus der Schulter.

Es sei ein „Verhauen“, kein „Verprügeln“, stellt er klar. „Verprügeln“ verletzte die Rechte der Frau. Manchmal reagiere der Mann „emotional“ und „verprügele“ die Frau dann doch. Aber das solle sie ihm bitte verzeihen. Wenn das öfter vorkomme, solle sie sich an den Imam wenden.

Zahnbürste, das richtige Werkzeug für Züchtigung

Ein „leichtes Verhauen“ sei völlig angemessen, meint der muslimische Geistliche und unterscheidet sich dabei kaum von den Ausführungen russisch-orthodoxer Priester. Diese fallen immer wieder mit Aussagen auf, eine Frau gehöre geschlagen, wenn sie ihrem Mann nicht gehorche. Kamajew sieht in einem Miswāk, der traditio­nellen ­Zahnbürste, das richtige Werkzeug für die Züchtigung. „Sorgfältig, mit kleinen Schlägen“ solle dieses eingesetzt werden.

Für welche „Vergehen“ die Frau geschlagen werden dürfe, weiß der Imam auch: Respektlosigkeit gegenüber Verwandten, Gebrauch von Alkohol, Untreue. Derweil lässt die Moskauer Stadtregierung Plakate in Metrostationen und Einkaufszentren aufhängen: „Wenn er schlägt, liebt er nicht“, steht da. Ein QR-Code führt zu den wenigen Frauenhäusern im Land.

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10 Kommentare

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  • @SHANTIVANILLE

    Bei Ihnen klingt das so, als wäre es ein spezifisch muslimisches Problem?

    • @tomás zerolo:

      Dass ein Imam eine Anleitung zu häuslicher Gewalt als Richtschnur für seine Gläubigen veröffentlicht, kann nur ein spezifisch muslimisches Problem sein.

      Wenn ein evangelischer Pfarrer so etwas veröffentlicht, wäre es ein spezifisch evangelisches Problem.

      Täte dasselbe ein buddhistischer Mönch, wäre es ein spezifisch buddhistisches Problem.

  • Was sagt Clara del Valle zu ihrem Ehemann Esteban Trueba, nachdem er sie geschlagen hat:



    Ich werde nie wieder ein Wort mit dir reden.



    (Das Geisterhaus)

  • Na, das können türkische Imane auch:

    ZEIT: "Wie soll man seine Frau schlagen?" von Can Dündar.

    www.zeit.de/2018/1...pation-can-duendar

    Und vermutlich überall auf der Welt.

    Eine Einladung:

    Sure vier, Vers 34: „Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie ausgezeichnet hat.“ Oder Sure zwei, Vers 228: „Die Männer stehen eine Stufe über ihnen. Gott ist mächtig und weise.“ Oder Sure zwei, Vers 223: „Eure Frauen sind euch ein Saatfeld. Geht zu eurem Saatfeld, wo immer ihr wollt .“ .

    • @shantivanille:

      Und genau wie im Christentum und Judentum (wo Frauen eigentlich auch nichts wert sind), gibt es auch im Islam verschiedene Auslegungen und Richtungen. Ich stimme Heideblüte zu, das ihre Wahrnehmung durch, leider in Deutschland zunehmende Islamphobie, zustande kommt.

      • @Pebbles:

        Sie werden im Alten und Neuen Testament keine Stelle finden, die so explizit und so völlig eindeutig (von wegen "Auslegung" - was gibt es da auszulegen?) besagt, dass Männer mehr wert sind als Frauen. Im NT steht zwar auch, dass der Mann das Haupt der Familie sei und die Frau in der Kirche schweigen solle, aber, und das ist auch ein fundamentaler Unterschied: die Bibel gilt gemeinhin gerade nicht als direktes Wort Gottes. Der Koran dagegen ist im Islam DAS Wort Gottes, das Muhammad diktiert wurde. Allah sagt im Koran völlig klar und eindeutig, dass die Frau dem Mann essentiell unterlegen ist. Man muss sich schon sehr verrenken, um eine Auslegung hinzubekommen, die die Gleichheit der Geschlechter vor Gott im Islam postuliert.

        Allein die Tatsache, dass das NT aus vier Evangelien besteht, die sich in manchen Punkten unterscheiden, macht klar, dass die Bibel eben nicht das eine, unveränderte, nur diktierte Wort Gottes ist.

      • @Pebbles:

        Tja, die Islamophobie.

        Gar schrecklich!

        Kaum verteidigt man Frauen nicht von ihren Männern gesetzlich und ideologisch legitimiert verdroschen zu werden, schon melden sich die Leute und fühlen sich in ihren Machorechten in ihren Gefühlen und Ausübung verletzt. Greifen zum Lieblingsbegriff Khomeinis, Chameinis, Erdogans und wie sie alle heißen.

        Islamophobie.

        Na gut, wenn einem sonst nichts einfällt.



        Hier ein hübsches Zitat von Pascal Bruckner zu dem Thema:

        "Der Begriff der Islamophobie hat mehrere Funktionen: Er leugnet die Realität einer islamistischen Offensive in Europa, um sie besser zu rechtfertigen. Er attackiert den Laizismus, indem er ihn mit einem Fundamentalismus gleichsetzt. Vor allem aber will er all jene Muslime zum Schweigen bringen, die den Koran in Frage stellen und die Gleichheit der Geschlechter fordern, die das Recht einklagen, einer Religion abzuschwören, und die ihren Glauben friedlich und nicht unter dem Diktat von Bärtigen und Doktrinären leben wollen."

        Tja, Gleichheit der Geschlechter, ist halt nicht jedermanns Sache.

        Wie schaut's denn so aus mit den Menschenrechten, Heideblüte, Pebbles, Zerolo & Co.?

      • @Pebbles:

        Es ist doch aber nun mal ein Imam.

        Welcher zeitgenössische Pfarrer in Deutschland predigt Vergleichbares?

    • @shantivanille:

      Hübsch, Ihre vermutlich durch Islamophopie stark eingeschränkte Wahrnehmung!



      Die christliche Bibel steht da in nichts nach, z.B. 2.Sam 13. Und das ist bei Weitem nicht die Ausnahme…

      • @Heideblüte:

        Was wollen Sie mit dem Hinweis auf 2. Sam 13 belegen?

        Da wird eine Frau vergewaltigt und der Täter mit dem Tod bestraft.

        Haben Sie sich eventuell mit der Stelle vertan?

        Sie finden in den ganzen Evangelien keine Stelle, mit der Sie eine Unterlegenheit von Frauen begründen können.

        Für die damalige Zeit war das Christentum eine Frauenreligion.

        Erst Paulus hatte ein Problem mit Frauen.

        Vergleichbare Stellen finden Sie jedoch auch bei ihm nicht.

        Der entscheidende Punkt ist, dass Judentum und Christentum eine Weiterentwicklung in der Interpretation ihrer religiösen Schriften haben.

        Schon zu Jesu Zeiten wurden bestimmte Vorschriften nicht mehr umgesetzt.

        Der Islam hat das quasi nicht.

        Manche Muslime streben eine Weiterentwicklung heute in Deutschland an - und werden dafür als Häretiker mit dem Tod bedroht.

        Äquidistanz passt deshalb nicht.

        Es gibt einfach Unterschiede zwischen den Religionen und wie die Menschen sie leben.