Kampf gegen umweltschädliche Überdüngung: Union für Mist im Düngegesetz

Die Union will die Stoffstrombilanz für Landwirte kippen. Darin müssen viele Höfe die Nährstoffe errechnen, mit denen sie die Umwelt verschmutzen.

Ein Traktor mit Odelfass auf einem Feld

So düngen Bauern und entsorgen gleichzeitig Gülle Foto: imago

BERLIN taz | CDU- und CSU-Landesminister wollen im Bundesrat verhindern, dass Bauernhöfe weiterhin errechnen müssen, mit welchen Nährstoffmengen etwa aus Gülle oder Mist sie die Umwelt belasten. Ihr Veto könnte dafür sorgen, dass die Länderkammer am Freitag die vom Bundestag beschlossene Reform des Düngegesetzes ablehnt. Dieses schreibt vielen Agrarbetrieben vor, „Stoffstrombilanzen“ zu erstellen. Dann könnte die Union im Vermittlungsausschuss aushandeln, die Bilanzpflicht zu streichen. Das fordert der Bauernverband.

Dabei halten Experten wie der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube die Stoffstrombilanz für nötig, um die Überdüngung zu reduzieren. Bisher würden Landwirte im Schnitt trotz deutlicher Verbesserungen immer noch pro Jahr und Hektar etwa 80 Kilogramm Stickstoff mehr ausbringen, als ihre Pflanzen aufnehmen. Dieser Nährstoffüberschuss schadet Klima, Grundwasser und Artenvielfalt.

Die EU-Kommission hat Deutschland mehrmals mit hohen Geldstrafen gedroht, weil hierzulande zu viel der Stickstoffverbindung Nitrat aus der Landwirtschaft in Gewässern landet. Taube schließt nicht aus, dass die Kommission eine Ablehnung des Düngegesetzes im Bundesrat zum Anlass nehmen könnte, das bisher ausgesetzte Klageverfahren gegen die Bundesrepublik wieder zu aktivieren. Zudem drohe eine weiteres Verfahren wegen Verstoßes gegen die Wasser-Rahmenrichtlinie, auch weil zu viel Phosphor unter anderem aus Gülle in deutschen Seen und Flüssen zu finden ist.

Der Deutsche Bauernverband kritisiert aber, „der enorme bürokratische Aufwand für die Stoffstrombilanz“ sei unverhältnismäßig. Auch Schleswig-Holsteins Agrarminister Werner Schwarz beklagte „die Doppelerfassung von Daten“. „Ich sehe hier eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass es uns mit dem Thema Bürokratieabbau wirklich ernst ist“, so der CDU-Politiker.

123 Euro im Jahr pro Betrieb

Tatsächlich ist der Aufwand überschaubar. Als der Bundestag 2017 die Verordnung zur Stoffstrombilanz diskutierte, schrieb der Nationale Normenkontrollrat: „Für die Wirtschaft entsteht durch das Regelungsvorhaben ein zusätzlicher jährlicher Aufwand von insgesamt 15,5 Mio. Euro“. Das sind bei rund 162.000 betroffenen Betrieben im Schnitt nur 123 Euro. Dafür müssten die Unternehmen 4,8 bis 5,3 Stunden aufwenden – pro Jahr.

Worum geht es dem Bauernverband also in Wirklichkeit? „Der Bauernverband will nicht, dass man künftig erkennen kann, wer das Problem der Überdüngung verursacht“, sagt ein Insider aus dem Bundesrat der taz. Denn dann könnten solche Betriebe bestraft werden, zum Beispiel durch Bußgelder.

Unter dieser Haltung leiden derzeit Agrarunternehmen, die nicht zu viel düngen, aber in einem „Roten Gebiet“ mit zu hohen Nitratwerten im Grundwasser liegen. Dort müssen alle – also sowohl die „schlechten“, als auch die „guten“ – Höfe pauschal weniger düngen, um die Nitratemmissionen zu reduzieren. Das kann ihre Ernten schmälern, und Tierhalter können nicht mehr so viel Gülle auf den Feldern als Dünger entsorgen. Könnten die Behörden künftig anhand einer aussagekräftigen Nährstoffbilanz die „guten“ Betriebe identifizieren, könnten sie diese Höfe von den Auflagen in den Roten Gebieten ausnehmen.

Dafür ist aber laut Umwelt- und Agrarministerium nötig, dass das Düngegesetz den Bund ermächtigt, eine Verordnung für ein „Monitoring“ der Nitratsituation zu erlassen. Damit könnten die Behörden etwa Emissions-Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen. So ein Monitoring war eine Bedingung der EU-Kommission, weshalb sie das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie einstellt hat. Erst wenn es das Monitoring gibt, könnten die Ministerien nach eigenen Angaben mit Brüssel über Ausnahmen von den Auflagen in den Roten Gebieten verhandeln.

Nicht genug Ja-Stimmen im Bundesrat

Deshalb fordert auch die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) grünes Licht für das Düngegesetz. „Aus bäuerlicher Sicht braucht es die Zustimmung der Düngegesetznovellierung, um endlich von dem pauschalen System der Roten Gebiete wegzukommen“, sagt AbL-Chef Martin Schulz, ein Schweinehalter aus Niedersachsen. Nur: Die AbL ist eine kleine Minderheit in der Agrarbranche, die Mehrheit ist beim Deutschen Bauernverband.

Bisher sind nicht genügend Ja-Stimmen im Bundesrat für das Düngegesetz in Sicht. Deshalb bieten Umwelt- und Agrarministerium nun den Ländern sogar an, die beim Bauernverband verhasste Stoffstrombilanzverordnung zum 27. September aufzuheben, falls sie das Düngegesetz passieren lassen. Die grünen Ministerien hoffen, dass sie dann nach den Landtagswahlkämpfen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit den Ländern eine bessere Nährstoffbilanz aushandeln können. Ob dieser Plan aufgeht, ist völlig offen.

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