Streit um neuen Diesel-Kraftstoff: Umwelthilfe verklagt Volker Wissing

Neuerdings können Au­to­fah­re­nde HVO100 tanken. Der Verkehrsminister feiert den Kraftstoff als Klimaerfolg. Seinem Ressort droht deshalb ein Skandal.

Volker Wissing ist erhobenen Zeigefingers ausdrucksstark

Es gibt keine schlechte PR: Nach Korruptionsvorwürfen wird Volker wissing jetzt verklagt Foto: Hannes P Albert/dpa

BERLIN taz | Die Deutsche Umwelthilfe verklagt Volker Wissing: Der Bundesverkehrsminister von der FDP weigert sich, vorliegende Abgasmessungen für den neuen Kraftstoff HVO100 herauszugeben. Die Umwelthilfe (DUH) fordert die Herausgabe der Messergebnisse nun auf dem Rechtsweg. Wissing und sein Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) bewerben den Dieseltreibstoff seit Monaten als klimaneutral. Die Bewertung ist allerdings umstritten. Recherchen der ZDF-Sendung „Frontal“ ergaben, dass die Öllobby hinter der Werbekampagne steckt; Wissing und Luksic hätten sich demnach vor den Karren spannen lassen.

Bereits Mitte Juni wies die DUH das Verkehrsministerium nach eigenen Tests auf deutlich erhöhte Stickstoffemissionen im Zusammenhang mit dem neuen Dieselkraftstoff HVO100 hin. Die Website des Ministeriums bewarb den Sprit als „sauberer und geruchsärmer“ als herkömmlicher Diesel. Daraufhin erbat die DUH die Herausgabe der vorliegenden Messwerte beim Ministerium – das mauerte jedoch. Die DUH forderte, alle relevanten Unterlagen wie Studien, Besprechungsnotizen und Abgasmessungen bis zum 12. Juli zukommen zu lassen. Laut Umweltinforma­tions­gesetz (UIG) ist das Ministerium ist zur Herausgabe solcher Informationen verpflichtet. Nachdem das Haus unter Wissing auch eine Fristverlängerung verstreichen ließ, klagt die DUH nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen den Verkehrsminister.

Damit kommt das Verkehrsministerium diese Woche bereits zum zweiten Mal in Bedrängnis: Die Recherchen von „Frontal“ und dem Verein Lobby Control vom Dienstag legen nahe, dass Lobbyisten der fossilen Ölindustrie Termine bei Minister Wissing und Staatssekretär Luksic in Aussicht gestellt wurden – gegen Geld. Den Berichten zufolge versprach der Automobilklub Mobil in Deutschland, ein Lobbyverband der Ölindustrie mit langjährigen Verbindungen zur FDP, die Treffen mit den einflussreichen Politikern.

Der Verein, der sich den „Erhalt des Verbrenners“ auf die Fahne geschrieben hat, rief die Kampagne „HVO100 goes Germany“ ins Leben. Wissing und Luksic wurden Influencer der Kampagne, der Staatssekretär übernahm sogar die Schirmherrschaft. Mögliche Kooperationspartner der Kampagne mussten knapp 10.000 Euro aufs Kampagnenkonto zahlen, um eine Chance auf Lobbygespräche zu ergattern, und das Image des Dieselersatzes aufpolieren. Das Ministerium ließ verlauten, es nehme die Vorwürfe der Käuflichkeit „sehr ernst“. Der Lobbyverband und Luksic wiesen die Vorwürfe aber zurück. Aktuell lässt Luksic die Schirmherrschaft ruhen.

In Deutschland ist der neue Kraftstoff HVO100 seit Ende Mai an vielen Tankstellen verfügbar. Er wird den Herstellern zufolge aus recycelten Abfällen und Pflanzenölen produziert. Beim DUH-Test eines mit HVO100 betankten VW Touareg stiegen die Stickstoffemissionen um 20 Prozent gegenüber herkömmlichem Diesel. „Allein wegen der hohen Stickstoffdioxidwerte in der Atemluft sterben jedes Jahr über 23.000 Menschen in Deutschland vorzeitig“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Donnerstag. „Volker Wissing muss aufhören, HVO100 mit falschen Behauptungen zu bewerben.“ Stattdessen solle der Minister für eine wirklich saubere Luft schmutzige Dieselfahrzeuge stilllegen oder nachrüsten.

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