Glastonbury-Aktion von Banksy: Das Meer sind wir

Der Künstler Banksy wird für seine Schlauchboot-Aktion kritisiert. Doch abscheulich ist nicht seine Aktion, sondern Europas Asylpolitik.

Ein Schlauchboot von Banksy wird von der Menge auf Händen getragen beim Glastonbury Musikfestival

Abscheulich ist die Politik nicht die Kunst Foto: Cover-Images/imago

Es ist die perfide europäische Migrationspolitik in einem Bild: Ein schwarzes Gummiboot treibt auf einem Meer feiernder Festivalbesucher*innen, darin sitzen mit orangen Schwimmwesten ausgestattete lebensgroße Puppen.

Die Szene entstand am vergangenen Wochenende auf dem legendären britischen Musikfestival Glastonbury und rief Empörung in manchen sozialen Medien hervor. Mittlerweile hat die Aktion auch die britische Politik erreicht: Auf X nannte der konservative Innenminister James Cleverly sie abscheulich; das Sterben von Mi­gran­t*in­nen auf dem Mittelmeer sei kein Witz und nichts, was man trivialisieren sollte. Doch wer trivialisiert hier was?

Hinter der Aktion steckt der Street-Art-Künstler Banksy, der mit seinen kontextbezogenen Schablonengraffiti im Mainstream angekommen ist. Seine Aktion ist polemisch, man mag sie pietätlos finden, doch sie ist sicher nicht witzig gemeint. Sie beschreibt die politischen Realitäten britischer und europäischer Migrationspolitik. 2023 verschwanden oder verstarben laut UNO-Flüchtlingshilfswerk mindestens 3.760 Menschen im Mittelmeer.

Die EU hat vor kurzem eine Verschärfung ihrer Asylpolitik beschlossen, inklusive beschleunigter Grenzverfahren und Inhaftierung von Familien mit Kindern in gefängnisähnlichen Lagern an den Außengrenzen. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex treibt illegale Push-Backs voran, während zivile Seenotrettung durch europäische Mitgliedsstaaten weiter kriminalisiert wird und es kaum legale Zugangswege gibt.

Auf den Vorwurf, sein Boot sei abscheulich, reagierte Banksy schließlich am Mittwoch: Abscheulich sei die Festsetzung der M.V. Louise Michel, einem von ihm geförderten Seenotrettungsboot, durch die italienische Behörden. Das Festivalboot ist kein Witz, keine Trivialisierung, sondern ein äußerst erfolgreicher politischer Kommentar in drastischer Bildsprache: Die Bedrohung für Geflüchtete ist keine Naturgewalt, kein Wellengang des Mittelmeers – das Meer sind wir. Die Bür­ge­r*in­nen in Großbritannien und der EU tragen die menschenfeindliche Politik ihrer Regierungen auf Händen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.