Kommunalwahl in Thüringen: Kein Sieg ist nicht genug
Die Maske der AfD ist schon lange gefallen, selbst internationale Verbündete wenden sich von ihr ab. Trotzdem holt sie in Thüringen tausende Stimmen.
D ie Nachricht am späten Abend klang nicht schlecht: Die AfD konnte sich nirgends durchsetzen. Keine AfD-Landrät:innen, keine AfD-Oberbürgermeister:innen im ersten Wahlgang. Aber die Auszählungen am Sonntag in Thüringen gingen in der Nacht weiter – und bei den kommunalen Parlamenten bekam die AfD teilweise deutlich mehr als 30 Prozent. Je später die Nacht, desto blauer die Ergebnisse.
Die Zahlen zeigen deutlich: die jüngsten AfD-Skandale finden viele Wähler:innen in Thüringen verschmerzbar. Für sie ist es offenbar okay, wenn Parteifunktionäre SA-Parolen normalisieren oder SS-Verbrechen verharmlosen. Oder mit Spionage- oder Schmiergeldvorwürfen konfrontiert sind.
Woran liegt das? Finden die Wähler:innen einfach Nazis gut? Ein Teil sicherlich. Verfängt das Narrativ der AfD, als einzig wahre Opposition eine große Verschwörung verhindern zu wollen, weil die Wähler:innen leichtgläubig sind? Nicht unbedingt. Es ist wichtig, in einer Demokratie Oppositionsrechte zu verteidigen und im Zweifel schnell hellhörig zu werden. Allerdings ist die AfD erschreckend gut im Geschichtenerzählen.
Sie inszeniert sich dabei nicht nur als Opfer, sondern als Heldin in Not, als unterdrückte Freiheitskämpferin. Aber während sie das erzählt, tut sie ganz anderes – doch das ist für Wähler:innen schwer zu erkennen.
Die AfD ist gut im Geschichten erzählen
Die AfD-Kandidat:innen poltert lautstark auf kommunalen Wahlveranstaltungen über bundesweite Probleme. Später bringen sie sich in die politische Arbeit kaum ein und lassen die Aufgaben vor Ort schleifen. Björn Höcke jammert, er sei ein politisch Verfolgter, dem – so glaubt er – der Staat den Mund verbieten wolle und bittet um Spenden. Gleichzeitig spricht der Thüringer AfD-Fraktionschef mit wohl fünfstelligem Monatseinkommen zu tausenden Menschen und verleitet sie per Handbewegung dazu, seine NS-Parolen zu wiederholen.
Das verfängt und zeigt sich in Wahlergebnissen. Schwer zu sagen, was dagegen hilft. Die AfD ist so gut darin, Geschichten zu erzählen, dass es sie offenbar nicht einmal entlarvt, wenn sich internationale Verbündete von ihr abwenden, wie nach der SS-Verharmlosung.
Was aber auf keinen Fall hilft: sich an vermeintlich guten Nachrichten festzuklammern, wie etwa der, dass sich die AfD nirgends durchsetzen konnte. Das reicht nicht. Das Ziel sollte bleiben, dass die AfD verliert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund