Kommunalwahl in Thüringen: AfD holt keinen Sieg

In Thüringen gilt die Kommunalwahl als Stimmungstest vor der Landtagswahl. Nirgends kann sich die AfD durchsetzen. Aber sie hat auch nicht verloren.

In einem Wahllokal geht ein Mann im hellblauen Anzug auf die Wahlurne zu

Im ersten Wahlgang nur zweiter: Der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) gibt seine Stimme ab Foto: Michael Reichel/dpa

ERFURT taz | Als die ersten Zahlen um 18:53 Uhr auf der Leinwand im Festsaal des Erfurt Rathauses erscheinen, brandet kurz Applaus auf. Die Stadt hat ihre Bür­ge­r:in­nen eingeladen, gemeinsam die Wahlergebnisse in der Landeshauptstadt zu verfolgen. Der Saal ist gut gefüllt. Po­li­ti­ke­r:in­nen der CDU, Linke, SPD, Grünen und AfD sind da, das lokale Radio sendet live. Laut dem vorläufigen Ergebnis liegt CDU-Kandidat Andreas Horn mit 25 Prozent vorne, der amtierende Oberbürgermeister Andreas Bausewein folgt dahinter mit 21 Prozent auf Platz zwei.

Auch der AfD-Kandidat Stefan Möller steht im Saal. Er stemmt die Hände in die Hüften und schaut hoch zur Leinwand. Der Co-Landesvorsitzende liegt mit 18 Prozent auf Platz drei. Allerdings sind bisher nur 33 von 210 Bezirken ausgezählt. „Zufrieden mit dem Ergebnis?“, fragt ein Herr mit Schnauzer, der offenbar mit seinem Handy filmt. „Bisher nicht“, antwortet Möller. Wenn es dabei bliebe, wäre er raus aus dem Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters, während CDU und SPD in 14 Tagen in die Stichwahl um die Mehrheit gingen.

Doch in vielen anderen Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten sieht es bei den Kommunalwahlen an diesem Sonntag anders aus: Im Wartburgkreis, im Ilm-Kreis oder im Kyffhäuserkreis liegt die AfD auf Platz zwei. Im Altenburger Land bekam der AfD-Kandidat Heiko Philipp sogar die meisten Stimmen, muss aber voraussichtlich auch in die Stichwahl – zumindest laut des Zwischenergebnisses zum Redaktionsschluss.

Eigentlich geht es an diesem Sonntag nur um eine Kommunalwahl: Etwa 1,7 Millionen Thü­rin­ge­r:in­nen durften rund 7.500 Plätze in Kreistagen, Stadt- und Gemeinderäten wählen, ebenso wie mehr als 1.000 Ortsteil- und Ortschaftsbürgermeister:innen, 94 Bür­ger­meis­te­r:in­nen und Ober­bür­ger­meis­te­r:in­nen sowie die Landratsposten in 13 von 17 Landkreisen.

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Lokalpolitik – und trotzdem ist bundesweit das Interesse groß: Was sagen die Ergebnisse über die Landtagswahl am 1. September aus? Welchen Zuspruch bekommt die AfD? Zumindest im ersten Anlauf konnte sie keine Landratsämter oder Rathäuser gewinnen.

Mehr als ein Stimmungstest

Doch auch über die Kommunalparlamente oder in der Stichwahl könnte die AfD in Thüringen ihren Einfluss ausbauen, ohne auf Bündnisse angewiesen zu sein. Etwa in Sonneberg, wo im vergangenen Jahr der AfD-Politiker Robert Sesselmann die Landratswahl gewonnen hat. Bisher hatte er aber keine Mehrheit im Kreistag und scheiterte daran etwa mit seinem Vorstoß, Demokratieprojekte zu streichen.

Sollte die AfD nun eine Mehrheit im Kommunalparlament bekommen, könnte Sesselmann durchregieren. Bis zum Redaktionsschluss lagen noch keine Ergebnisse für den Kreistag in Sonneberg vor.

Zudem gelten die Kommunalwahlen als Stimmungstest. Bei der Wahl der Land­rä­t:in­nen und Ober­bür­ger­meis­te­r:in­nen gingen in Thüringen etwa 21 Prozent der Stimmen an die AfD. Deutlich weniger als die 30 Prozent, die die AfD derzeit in Umfragen für die Landtagswahl bekommt.

Allerdings zeigt die Erfahrung der vergangenen Wahlen schon: eins zu eins lassen sich die Ergebnisse nicht übertragen. Aus den letzten Kommunalwahlen 2019 ging zwar die CDU als stärkste Partei hervor. Aber ein paar Monate später gewann dann die Linke mit 31 Prozent die Landtagswahl.

Das Bundesland regieren aktuell Linke, SPD und Grüne in einer Minderheitenkoalition. Ministerpräsident ist seit 2014 fast durchgehend Bodo Ramelow (Linke) – nur 2020 unterbrochen durch Thomas Kemmerich (FDP). Den hatten nach der Landtagswahl CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt – und lösten damit eine Krise aus, die über Thüringen hinaus Kreise zog.

Damals gab es bundesweit Demonstrationen gegen die FDP, weil die in Thüringen gemeinsam mit den Faschisten der AfD paktiere. Die CDU musste sich rechtfertigen, da für sie eigentlich der Beschluss feststand, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Schließlich sollen die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner den einzigen FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich nach wenigen Tagen zum Rücktritt gedrängt haben.

Vor diesem Hintergrund steht in diesem Jahr die Thüringer Landtagswahl am 1. September. Die schon damals schwierigen Mehrheitsverhältnisse sind bis heute nicht einfacher geworden.

Was die Kommunalwahlen aber gezeigt haben: Trotz der jüngsten Skandale der AfD in Thüringen und international bekamen Kan­di­da­t:in­nen der Partei bei vielen Wahlen die zweitmeisten Stimmen und ziehen voraussichtlich in die Stichwahl ein.

Für Stefan Möller in Erfurt hat es nicht gereicht. Der Thüringer AfD-Landeschef neben Björn Höcke ist raus aus der Wahl. Ein anderer Rechter hat es hingegen ohne AfD in die Stichwahl geschafft: Der bundesweit bekannte Neonazi Tommy Frenck hat in Hildburghausen mit 24,9 Prozent der Stimmen den zweiten Platz bei der Landratswahl belegt. Er bekam 63 Stimmen mehr als der CDU-Kandidat Dirk Lindner.

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