Tierheime, Arten- und Tierschutz: Kastriert Katzen!
Tierschützer:innen befürchten eine Katzenschwemme in Tierheimen und fordern, Freigängerkatzen zu kastrieren. Auch dem Artenschutz würde das helfen.
D er Deutsche Tierschutzbund warnt vor einer „anstehenden ‚Kätzchenschwemme‘ im Frühjahr“. Das klingt ein bisschen so, als warne der Wetterdienst vor ergrünenden Bäumen im April, aber der Hintergrund ist ernst. Es geht um „unkastrierte Freigängerkatzen aus Privathaushalten und Straßenkatzen, die sich unkontrolliert fortpflanzen“, besonders jetzt im Frühling. Folge: „In den ohnehin überfüllten Tierheimen schießt die Zahl gefundener, abgegebener oder ausgesetzter ungewollter Kitten in die Höhe.“
Nicht nur für die Tierheime, auch für die Katzen ist die Situation unerfreulich. Das Leid der Straßenkatzen habe sich zu einem der größten unbemerkten Tierschutzprobleme in Deutschland entwickelt, schreiben die Tierschützer. Im Freien geborene Jungkatzen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Erkrankungen und Unterernährung, sie sterben häufig früh.
Noch früher allerdings sterben all die Vögel, Eidechsen, Kleinsäuger und sonstigen Tiere, die von freilaufenden Katzen alljährlich hundertmillionenfach getötet werden. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen dazu – und die schlichte Alltagserfahrung: Wo Katzen auftauchen, ist es fix vorbei mit der Eidechsenpopulation.
Der Deutsche Tierschutzbund fordert nun eine bundesweite Kastrationspflicht für Freigängerkatzen. Zu Recht! „Nur so können der unkontrollierten Vermehrung der Tiere Einhalt geboten, ihr Leid beendet und die Tierheime entlastet werden“, sagt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.
Katzenknast, Katzen-Lockdown und Hausarrest
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Merkwürdigerweise aber hat derselbe Tierschutzpräsident sich im Frühling letzten Jahres mit dem schillernden Satz „Wer Katzenschutz missachtet, der ist kein Tierschützer, ich behaupte, nicht einmal Artenschützer“ vehement dagegen verwahrt, dass es in Baden-Württemberg aus Artenschutzgründen zum Äußersten kam: Zum „Katzenknast“ (Stuttgarter Zeitung), „Katzen-Lockdown“ (Bild), zum „Hausarrest“ (Südkurier) beziehungsweise zur „Ausgangssperre für Katzen“ (B.Z.). Mehrere Wochen in der Brutzeit der hoch bedrohten Haubenlerche durften Katzen dort das Haus nicht mehr verlassen. Prompt gab es einen Sturm der Entrüstung gegen diesen Versuch, den Vogel vor der Ausrottung zu schützen.
Dabei ist es ganz einfach. Erheblich wirkungsvoller als jede Kastration wäre es für den Schutz von Katze, Mensch und eben auch Maus, Schlange und Haubenlerche, Katzen erst gar nicht draußen herumlaufen zu lassen. Und es glaube doch bitte niemand den vermenschlichenden Unsinn von der besonders freiheitsliebenden Katze! Katzen fühlen sich in Haus und Wohnung, Entschuldigung, pudelwohl. Wer ihnen unbedingt frische Luft gönnen möchte, kann auch den Balkon mit einem Netz katzensicher gestalten, ein Gehege im Garten errichten, oder seine Katze an die Leine gewöhnen. Statt aber Katzen von der Straße zu holen, füttern „Tierschützer“ sie draußen sogar noch gezielt und multiplizieren so Tierleid.
Freilaufende Katzen sind übrigens auch Überträger der Toxoplasmose, ausgelöst durch einen auf Katzen spezialisierten Parasiten, der einen absurd komplizierten Entwicklungszyklus im Körper von anderen Tieren durchläuft, in deren Gehirn er sich einkapselt. Nager werden davon so manipuliert, dass sie ihre natürliche Scheu vor Katzen verlieren.
Auch Menschen nutzen die Erreger als Zwischenwirt. Bei Schwangeren können sie den Embryo schädigen. Was sie in unseren Gehirnen genau anstellen, wissen wir nicht. Aber wenn man die irrationalen Reaktionen mancher auf die Forderung, Katzen nicht frei herumlaufen zu lassen, betrachtet, könnte man glatt einen Verdacht bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen