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Terrorverdächtige in MoskauMit Folterspuren vor Gericht

Russland bringt vier mutmaßliche Attentäter des Terroranschlags vor Gericht. Migranten aus Zentralasien fürchten mehr Drangsalierung im Land.

Polizisten schleppen einen der Verdächtigen in das Moskauer Gericht Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

KYJIW taz | Unter hohen Sicherheitsmaßnahmen sind vier mutmaßliche Attentäter des Terroranschlags bei Moskau am Sonntagabend zum Haftprüfungstermin vorgeführt worden. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft fand dieser im Basmanny-Gericht hinter verschlossenen Türen statt. Dabei hätten sich zwei der vier Verdächtigen offenbar der Verübung des Terroranschlags schuldig bekannt. Im Falle einer Verurteilung droht ihnen lebenslange Haft.

Die Männer waren zuvor offensichtlich schwer misshandelt worden. Blutergüsse, Schwellungen und Wunden zeichneten ihre Gesichter. Einer von ihnen war nicht mehr in der Lage zu laufen, musste in einem Krankenstuhl ins Gericht gebracht werden. Auffällig war ein nur notdürftig angelegter Verband bei dem Angeklagten Schamsidin Fariduni am rechten Ohr. Die meisten der Verdächtigen konnten kaum Russisch sprechen, ihnen musste ein Dolmetscher als Sprachmittler an die Seite gestellt werden.

Das russischsprachige Nachrichtenportal Nastojaschee Vremja zeigte ein Foto von der Anhörung. Es stammt vom Telegram-Kanal Grey Zone, das mit Strukturen der aufgelösten Privatarmee „Wagner“ in Verbindung gebracht wird. Auf dem Bild ist eine am Boden liegende Person, offensichtlich Schamsidin Fariduni, mit heruntergelassener Hose zu sehen. Weiter heißt es in dem Beitrag, dass man an der Person den militärischen Kommunikationsapparat TA-57 angeschlossen habe, ein Gerät zur Elektrofolter. Offensichtlich, mutmaßt Nastojaschee Vremja, sind die Kabel des Geräts mit den Genitalien des Verdächtigen verbunden.

Dieses Foto ist nicht der erste mögliche Beweis dafür, dass russische Sicherheitskräfte bei der Vernehmung Verdächtige des Anschlages auf die Crocus City Hall gefoltert haben. Derselbe Telegram-Kanal von Grey Zone, so Nastojaschee Vremja, habe tags zuvor ein Video von der Festnahme des 30-jährigen Rajab Alizadeh im Wald veröffentlicht.

Es zeigt einen an den Händen gefesselten Mann, der am Boden liegt und von Sicherheitskräften umgeben ist. Dem an der rechten Kopfseite blutenden Festgenommenen fehlt das rechte Ohr. Das Video zeige, so Nastojaschee Vremja, wie ein Angehöriger der Sicher­heitskräfte versucht, diesem den abgeschnittenen Teil des Ohrs in den Mund zu stecken, und dabei sagt: „Iss, du Schlampe!“

Scharfmacher Medwedjew

„Müssen sie getötet werden? Ja, absolut“, zitiert der Telegram-Kanal Rusnews Dmitri Medwedjew, den stellvertretenden Vorsitzenden des russischen Sicherheitsrates, der die Todesstrafe für die Attentäter will. Es sei wichtig, so Medwedjew, alle zu töten, die an diesem Anschlag irgendwie beteiligt waren, sei es finanziell, durch Sympathie oder auch mittels konkreter Hilfe.

„Tötet sie alle“, so der ehemalige russische Präsident. Im Kreml diskutiere man nicht über eine Wiedereinführung der Todesstrafe, hatte zuvor allerdings Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärt. Und der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für die Staatsverwaltung, Pawel Krascheninnikow, warnte, dass eine Debatte über die Todesstrafe „uns in die falsche Richtung führen könnte“.

Angesichts neuer Bombenalarme bleibt die Stimmung in russischen Städten sehr angespannt. In Moskau wurden wegen Bombendrohungen mehrere hundert Menschen aus dem medizinisch-chirurgischen Pirogow-Zentrum und den Einkaufszentren „City“ und „Mosaik“ evakuiert. Auch in St. Petersburg, der Region Swerd­lowsk und in Ufa wurden Einkaufszentren und Lehranstalten wegen Bombendrohungen evakuiert, berichtet der oppositionelle russische Telegram-Kanal Rusnews.

Blumenmeere, Stofftiere, Beileidsschreiben an spontanen Gedenkorten und flackernde Kerzen prägen das Bild der russischen Städte an den Tagen nach dem Massaker vom Freitag in der Crocus City Hall. Auch in Belarus entstanden spontane Gedenkstätten. Tausende pilgern zum Veranstaltungsort Crocus City Hall in Krasnogorsk, um der mindestens 137 Toten vom Freitag zu gedenken.

Als Zeichen der Solidarität mit den Opfern des Terroranschlags wurden die Flaggen der Botschaften verschiedener Länder in der Russischen Föderation, darunter Bulgarien, Großbritannien, Ungarn, Deutschland, China, den Niederlanden, den USA, der Slowakei, Frankreich und Schweden auf halbmast gesetzt.

Raketenangriff auf Kyjiw

Es zeichnet sich ab, dass Russland nach dem Anschlag noch eine Spur autoritärer werden könnte. Insbesondere Migranten aus Zentralasien fürchten vor dem Hintergrund, dass die mutmaßlichen Attentäter alle aus Zentralasien stammen, eine noch stringentere Praxis. In Jekaterinburg sollen Vermieter unter Androhung von Geldbußen aufgefordert worden sein, Listen von Mitarbeitern aus Zentralasien zur Verfügung zu stellen.

Und der Abgeordnete der Staatsduma, Michajlo Scheremet, fordert eine Zuzugsbegrenzung für Zentralasiaten für die Dauer der „Spezialoperation“ aus Gründen der „inneren Sicherheit“. Der regierungsnahe Telegram-Kanal Baza will erfahren haben, dass die tadschikische Community in Russland ihre Angehörigen auffordert, abends ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen. Und das Außenministerium von Kirgistan rät seinen Bürgern von Reisen nach Russland ab.

Auch die Ukraine könnte Opfer der neuen Situation werden. Da die Täter nach Auffassung von Wladimir Putin in die Ukraine flüchten wollten, ist die Ukraine nach seiner Logik in den Terroranschlag verwickelt. Bei einem Raketenangriff auf die ukrainische Hauptstadt wurden am Montag sieben Menschen verletzt, zwei von ihnen müssen stationär behandelt werden. Ebenfalls am Montag wurden bei einem ukrainischen Angriff auf Sewastopol ein Mann getötet und vier weitere Personen verletzt.

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20 Kommentare

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  • Jemand hat einmal gesagt: "Unter einem Folterdruck, ist ein Mensch bereit, alles zu zugeben"

    Und das traue ich auch den RUS zu, dass das alles einie Inszenierung ist und es sich dabei nicht um die wahren Täter handeln könnte ...Putin braucht schließlich schnelle Ergenbisse für eine "gute" PR als Vater der (seiner)RUS Nation.

  • Muss Russlands Führung für die Verbrechen in der Ukraine getötet werden?



    In der Logik Medwedjews vermutlich schon.



    Wie war das mit dem Glashaus?

    Einach als Denkanstoss. Ich beziehe in dieser Frage ausdrücklich keine Position.

  • "Die Männer waren zuvor offensichtlich schwer misshandelt worden. Blutergüsse, Schwellungen und Wunden zeichneten ihre Gesichter. Einer von ihnen war nicht mehr in der Lage zu laufen, musste in einem Krankenstuhl ins Gericht gebracht werden. Auffällig war ein nur notdürftig angelegter Verband bei dem Angeklagten Schamsidin Fariduni am rechten Ohr."



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    Alles Teil der Inszenierung, wie schon immer unter diesen Kautelen.



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    Gewaltfolgen, die ggf. auch auf Misshandlungen durch Ermittler schließen lassen könnten, wären in anderen Rechtssystemen ganz anders investigativ adressiert worden.



    Dass es einige lebende Verdächtige gibt, ist schon ein Wunder, so wie der Tathergang in der "Crocus City Hall" gewesen sein muss. Die waren offenbar schwerst bewaffnet.

  • Hat den wirklich irgendjemand geglaubt dieses Regime würde vor irgendetwas zurückschrecken? Wer seinen Nachbarn überfällt, dort Kriegsverbrechen an Zivilisten verübt, Kinder verschleppt, seine eigenen Soldaten ohne mit der Wimper zu Zucken in den Tod schickt und Oppositionelle im eigenen Land und außerhalb gnadenlos umbringt, der wird doch nicht ausgerechnet bei islamistischen Terroristen sich auf einmal auf ein humanitäres Menschenbild besinnen. Auch dem letzten Verblendeten sollte klar sein, dass von diesem Regime nichts aber auch gar nichts Gutes zu erwarten ist und ihm die größten Verbrechen zuzutrauen sind.

  • Ob die Festgenomenen wirklich die Täter sind, wäre eine Frage, die ein ordentliches Gericht zu klären hätte.

    Glaubt irgend jemand, dass die Leute ein faires Gerichtsverfahren bekommen?

    Und wenn sie verurteilt werden (wer zweifelt daran?) - ist es nicht Jacke wie Hose, ob die Todesstrafe wieder hervorgeholt wird?

    Die Verurteilten überleben kein Jahr in Haft.



    Die Wiedereinführung würde nur für künftige "Schuldige" nützlich sein:



    Journalisten (Agenten)



    NGOs (dito)



    Schwule (Pädo)



    unliebsame Oligarchen (Hochverrat)



    Ukrainer (Ukrainer)

    Usw. usf.

    • @Oliver Korn-Choodee:

      Erinnert mich an den Film Starship Troopers. Ein mutmaßlicher Verbrecher wird am Morgen gefasst, am Abend schuldig gesprochen und am nächsten Morgen öffentlich hingerichtet.

      Ob der mutmaßliche Täter überhaupt schuldig ist, interessiert nicht. Allein die zur Schaustellung des Durchgreifens ist für das Regime von Bedeutung.

  • Der „lupenreine Demokrat“ als Menschenfeind und die AfD steht dahinter.

  • Russland ein Land voller Willkür und rachsüchtigen Folterknechte.



    Zudem wird jetzt wieder einmal bewusst, nicht erst seit dem Ukraine Krieg, dass Russland ein Rassismusproblem hat.

    Normale Gerichtsverfahren und Polizeiarbeit gibt es dort nicht. Wieso wird zudem zu den eindeutigen IS Bekenntnissen geschwiegen und wieso schweigt der Kreml zu den sichtbaren Folterspuren bei den Attentätern?

    Selbst ein Anders Breivik wurde in Norwegen nicht von den norwegischen Sicherheitskräften gefoltert nach der Festnahme, egal wie verabscheuungswürdig er auch ist.

    Russland ist einfach ein grausames und unzivilisiertes barbarisches Land.

    • @DocSnyder:

      Wir sprechen aber nicht von Barbaren, denen wir uns als zivilisiertes Kulturvolk überlegen fühlen, oder? Man könnte sonst auf die Idee kommen, wir hätten ein Rassismusproblem.

  • Einfach nur eklig.

    • @Carsten S.:

      Orientieren sich vielleicht an Guantanamo.

    • @Carsten S.:

      Ja, wie die schreckliche Tat der Terroristen auch.

      • @Rudi Hamm:

        Ihr Kommentar legt nahe, dass Sie versuchen die Foltermethoden der russischen Sicherheitsdienste (z.B. Ohr abschneiden) zu relativieren.

        Das die Terrorattacke schrecklich ist weiß jeder und wird auch deutlich genug von allen betont, hat aber nichts mit der Folter gegen die Verdächtigen zu tun.

        • @DocSnyder:

          Sie irren.



          Die Tat war schrecklich, die Methoden der "Polizei" sind schrecklich, beides ist nicht zu rechtfertigen.



          wie ich schon schrieb:



          "Ja, wie die schreckliche Tat der Terroristen auch."

          Es ist nicht mein Problem, wenn andere dies anders interpretieren.

      • @Rudi Hamm:

        Es handelt sich um Akteure eines Staates, die nach der Verhaftung der Tatverdächtigen (steht die Schuld überhaupt fest?) in einer Übermachtsituation völlig die Selbstkontrolle verlieren.



        Es geht hier nicht um Handausrutschen, sondern u.a. um ein abgeschnttenes Ohr.



        Staatliche Akteure, die dermassen die Kontrolle verlieren, sagen mehr über den Staat, die Gesellschaft und die Institutionen aus als über das Verbrechen, das sie verfolgen.



        Denselben Kontrollverlust sieht man bei Akteuren desselben Staats beim Krieg in der Ukraine.

        • @Carsten S.:

          Ich denke nicht, dass es sich bei dieser Aktion um "Kontrollverlust" handelt, ganz im Gegenteil, die Welt soll sehen, was mit Attentätern passiert, die sich mit Russland anlegen...das ganze ist sehr wohl kontrolliert und bewusst so inszeniert

        • @Carsten S.:

          "völlig die Selbstkontrolle verlieren"



          Dessen wäre ich mir nicht sicher. Kann auch angeordnet worden sein.

      • @Rudi Hamm:

        Von der Folter wird kein einziges Terroropfer wieder lebendig.

        • @Carsten S.:

          Sie können lesen was ich geschrieben habe, oder wie sie es lesen wollen.



          Ich finde beides schrecklich, das eine rechtfertigt das andere nicht.

  • Der Wahrheitsfindung wird das alles nicht dienen, das ist dem Autokraten allerdings auch ziemlich egal, er biegt sich alles zurecht. Hat sein Sicherheitsdienst was nicht unter Kontrolle, kein Problem, man fängt ein paar von einer Randgruppe ein foltert und verstümmelt und ein Richter sagt seinen Spruch auf und alles ist wieder in Ordnung. So lange die Mehrheit in Russland dieses und die vielen anderen Märchen ihrer Regierung glauben wird sich dort nie was zum Guten wenden.