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Schwarze gegen AntisemitismusEs mangelt so an Empathie

Michaela Dudley
Gastkommentar von Michaela Dudley

In Sachen jüdisches Leid mangelt es nicht nur bei Weißen, sondern auch in der Black Community an Solidarität. Dabei hat man vieles gemeinsam.

Graffiti des Künstlers Eme Freethinker, das an den Black History Month erinnern soll Foto: David Baltzer

D as von Correctiv enthüllte Treffen Rechtsextremer am Potsdamer Lehnitzsee schlägt immer noch hohe Wellen. Insbesondere der „Masterplan zur Remigration“ löst Bestürzung aus. Demnach sollten etliche Millionen Menschen, die als Personen nichtdeutscher Abstammung eingestuft werden, gewaltsam aus der Bundesrepublik vertrieben werden, ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft.

Für viele, die im Alltag Rassismus erfahren, ist die Konspiration keine Überraschung. Aber wer soll was dagegen unternehmen? Und sind alle Ansprüche, die an die deutsche Leitkultur gestellt werden, förderlich oder überhaupt gerechtfertigt? Anlässlich des Black History Month 2024 möchte ich dafür plädieren, über das übliche Schwarz-Weiß-Denken hinauszukommen.

In Bezug auf das rechte Treffen veröffentlichte die Schwarze Antirassistin Tupoka Ogette einen offenen Brief mit dem Titel „Dear White People“. Darin ruft sie weiße Menschen dazu auf, die Demokratie zu retten: „Stärkt Allianzen. Führt schwierige Gespräche.“ Im Grunde bedeutet das allerdings eine Auslagerung der Mitverantwortung.

Es ist zwar wichtig, dass wir die Weißen ansprechen und Tacheles mit ihnen reden. Der Aufruf suggeriert jedoch, es sei ausschließlich die Aufgabe der Weißen, Hass zu bekämpfen. Als bräuchte diese Welt noch mehr White Saviors! Doch hat sich eine so gedachte Aufgabenteilung in der Black Community inzwischen zum Geschäftsmodell gemausert. Sie beinhaltet ein Sündenerlass-Abo. Und so schreiben wir am laufenden Band rassismuskritische Bücher, während reumütige Weiße sich unsere ISBN, unsere IBAN und unsere Inhalte merken.

Aufruf zur Auslagerung

Doch damit nicht genug: Aufrufe wie „Liebe Weiße“ blenden aus, dass es auch innerhalb der Schwarzen Gemeinschaft Ansichten gibt, die den Kampf gegen den Rechtsextremismus unterminieren. Dazu zählt der Antisemitismus. Weltbekannte Black Entertainers wie Kayne West, Dave Chapelle und Ice Cube warten turnusmäßig mit judenfeindlichen Äußerungen auf, die an die kruden Karikaturen und die verwerflichen Verschwörungstheorien des Stürmer erinnern. Auch tobt Louis Farrakhan, der inzwischen 90-jährige Anführer der Nation of Islam, über jüdische Menschen als Termiten und preist Adolf Hitler. Das sind natürlich „extreme“ Fälle. Aber diese Beispiele befeuern den Hass nur weiter.

Seit dem 7. Oktober, dem blutigsten Massenmordanschlag gegen das Judentum nach dem Holocaust, erleben jüdische Menschen statt Anteilnahme lauter Antipathien. Man schenkte ihnen weder Zeit zum Trauern noch den Raum dafür, sich die Wut aus dem Bauch zu schreien. Sogleich mussten sie Rede und Antwort stehen, und zwar bezüglich jedweder Handlung, die der Staat Israel seit 1948 ausgeführt hat. Wer eine Kippa oder den Davidstern auf offener Straße trägt, lebt gefährlich. Hakenkreuze und Schriftzüge wie „Juden raus!“ prangen vermehrt wieder auf Häuserwänden.

Frau Ogettes Post zu den Deportationsplänen der Rechten rät Weißen dazu: „Check in bei den BIPoC um dich herum.“ Wunderbar. Doch es obliegt auch uns Schwarzen, unseren jüdischen Mit­bür­ge­r:in­nen eine seelische Zufluchtsstätte zu bieten, und zwar proaktiv. Nach der Ermordung von George Floyd gingen Abermillionen Weiße im Schulterschluss mit uns weltweit auf die Straße, und Jüdinnen waren ganz engagiert mit dabei. Warum bringen wir es kollektiv nicht, uns auf Solidaritätsmärsche für die israelischen Geiseln blicken zu lassen? Die fehlende Empathie ist beschämend.

Antipathien statt Anteilnahme

Kurz nach dem Terrorangriff postete Black Lives Matter (BLM) Chicago das Bild eines Gleitschirms mitsamt palästinensischer Flagge, in schadenfroher Anspielung an die Hamas-Paraglider, die das Musikfest Supernova Rave überfallen hatten. Mehr als 24 weitere BLM-Ortsverbände verharmlosten den Terror als einen „verzweifelten Akt der Selbstverteidigung“.

Claudine Gay, die erste Schwarze Präsidentin der Elite-Universität Harvard, verhielt sich auch nicht gerade vorbildlich. Auf die Frage, ob Studierende, die auf dem Campus antisemitische Hetzparolen verbreiten, damit gegen die Verhaltensregeln Harvards verstoßen, erwiderte die inzwischen wegen Plagiatsvorwürfen zurückgetretene Akademikerin: „Es hängt vom Kontext ab.“

Eine afrodeutsche Gastprofessorin an der UdK Berlin spricht vom „Widerstand“ gegen Israel. Viele „israelkritische“ Stimmen betreiben ein Racial Framing, wonach Israelis als White Supremacists dargestellt werden. Allerdings sind 30 Prozent der israelischen Jüdinnen und Juden Nicht-Weiße, seit Generationen dienen Schwarze Israelis äthiopischer, beduinischer und afroamerikanischer Herkunft stolz bei den IDF. Doch diese Tatsachen werden ausgeblendet, weil sie nicht ins Narrativ passen.

Darüber hinaus blieb nicht nur die Organisation UN Women erstaunlich ruhig, als Angaben über die wiederholte Vergewaltigung jüdischer Frauen und Mädchen bestätigt wurden. Auch jene Schwarzen Feministinnen, die sonst mit Hang zur Bissigkeit über Intersektionalität und Schwesternschaft reden, kriegten die Zähne nicht auseinander.

Wannsee 2.0

Doch wenn ich genau dieses eklatante Versäumnis thematisiere, werde ich von einigen Schwarzen als „Sarah’s House Negra“ und „Zionisten-Schlampe“ beschimpft. Dass ich seit 2018 queere Geflohene aus Palästina im Ehrenamt mitbetreue, wird als „islamophobes Pinkwashing“ abgestempelt.

Dabei verbindet uns viel mehr, als uns trennt. Wenn die Schwarze Community nicht einmal in der Heimat des Holocausts dazu imstande ist, den Antisemitismus zu verurteilen und sich mit jüdischen Menschen zu solidarisieren, dann ist es ein Hohn, Weiße dazu aufzufordern, mehr gegen den Hass zu unternehmen. Der Wahnsinn vom Wannsee 2.0 ist kein Hirngespinst, sondern werdende Realität.

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60 Kommentare

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  • "Wenn man zurückdenkt, dass jüdische Anwälte und Bürgerrechtler eine maßgebliche Rolle bei in der amerikanischen Civil Rights Bewegung gespielt haben,"

    Ist das so? Und gab es unter den Befürwortern der Segregation keine Juden?

    • @Francesco:

      Ja, es ist so. Bereits bei der Gründung der NAACP im Jahr 1909. Im Gegensatz zu den Verlautbarungen der sogenannten "Propalästinenser" wohnt die Apartheid dem Judentum keineswegs intrinsisch inne, wie Sie insinuieren.

      • @Meister Petz:

        Ich habe das keineswegs insinuiert. Mein Gedanke war eher, dass die Juden in den USA aus Europa ausgewanderte Weiße waren. Deshalb sollte es nicht ungewöhnlich sein, wenn sie dieselben Vorurteile wie die andern Weißen hatten.

  • Als alter weisser Mann koente ich die Ueberwindung des zweifellos vorhandenen Antisemitismus unter Schwarzen sicher nicht vorantreiben. Dass Sie, liebe Michaela Dudley, dieses unerfreuliche Thema anpacken, verdient allen Respekt. Vielen herzlichen Dank!

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Volker Scheunert:

      Oh, vielen Dank! Das ehrt und rührt mich. Denn Ihre Resonanz ist inspirierend.

      • @Michaela Dudley:

        Kleine Egaenzung: Zum Gesamtbild gehört aber natuerlich auch, dass es gerade unter Weissen mehr als genug Antisemitismus zu bekämpfen gibt...

  • Ein sehr kluger Kommentar! Kleine Ergänzung:

    "Wenn die Schwarze Community nicht einmal in der Heimat des Holocausts dazu imstande ist, den Antisemitismus zu verurteilen und sich mit jüdischen Menschen zu solidarisieren, dann ist es ein Hohn, Weiße dazu aufzufordern, mehr gegen den Hass zu unternehmen."

    Das spielt nicht nur in der Heimat des Holocausts, sondern auch in der Heimat von Jim Crow eine Rolle. Wenn man zurückdenkt, dass jüdische Anwälte und Bürgerrechtler eine maßgebliche Rolle bei in der amerikanischen Civil Rights Bewegung gespielt haben, dann ist es erschreckend geschichtsvergessen, wie BLM den wichtigsten "allies" ihrer Großeltern in den Rücken fällt.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Meister Petz:

      Wohl wahr. Vielen Dank für die Ergänzung. Ja, meine bisherigen und auch kommenden Veröffentlichungen zu diesem Thema erläutern die zahlreichen Leistungen jüdischer Menschen zur Unterstützung der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Auch die engen Beziehungen, die deutsch- und polnischstämmigen Rabbiner zu Martin Luther King pflegten, zum Beispiel, waren von großer Bedeutung.

  • Und wieder fällt mir das Buch "Scheidelinien" von Anja Meulenbelt ein. Gut 40 Jahre alt und weiter aktuell.

  • Ich beobachte in Deutschland viel mehr Islamophobie als Antisemitismus.



    Blog einer in Deutschland lebenden Jüdin:



    Die in Deutschland vorherrschende Gleichsetzung von Jüdischsein mit dem Staat Israel hat es der Rechten ermöglicht, zynische Lippenbekenntnisse zur Bekämpfung des Antisemitismus abzugeben, indem sie Migrantinnen und Migranten für diesen verantwortlich macht – obwohl es gerade die Rechten sind, vor denen sich Jüdinnen und Juden und ebenso auch andere Minderheiten in Deutschland bedroht sehen.



    Quelle: jacobin.de/artikel...likt-abschiebungen

    • @Des247:

      Und ich beobachte immer Leute, die glauben machen wollen, ihr Anliegen gegen Diskrimierung stände aus irgendeinem Grund über dem Anliegen Anderer gegen Diskrimierung.



      Und Leute, die irgendwelche Strohmänner aufbauen, um Diskriminierung zu relativieren.



      Im Artikel gehts ganz klar um Hakenkreuze, "Juden raus", um Beschimpfungen und Angriffe auf Kippa Träger, etc.



      Wer in solchen Vorfällen erntshaft Kritik am Verhalten des Staats Israel und keinen Antisemitismus sehen sollte, der hat definitiv selbst ein Antisemitismus-Problem.

      • @Deep South:

        Problematisch ist doch wohl, ganze Gruppen von Jüdinnen und Juden aus unterschiedlichen weltanschaulichen und religiösen Traditionen mit israelkritischer, zionismuskritischer oder sogar antizionistischer Haltung das Jüdisch-Sein abzusprechen oder sie gar in eine antisemitische Ecke zu stellen. Dito ihre nicht-jüdischen Unterstützer - hier würde ich jedoch auch deren dahinterstehenden Absichten in den Blick nehmen. Aber das macht eben den Unterschied, der im öffentlichen Diskurs leider nicht (mehr) gemacht werden soll. Und das erfüllt mich mit Sorge.



        Es ist doch paradox, wenn Leute, die in der Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus eigentlich ein gemeinsames Anliegen haben, sich auf gegenüberliegenden Straßenseiten stehend sich anbrüllen und jeweils den anderen des Antisemitismus bezichtigen. Was ist damit gewonnen?



        Der von @DES247 verlinkte Jacobin-Artikel regt jedenfalls an, über diese Frage nachzudenken, wenn auch aus parteiischer Sicht (kann man aber in dieser Frage überhaupt unparteiisch sein?). Sie sollten ihn daher nicht als Strohmann-Argumentation abtun.

        • @Abdurchdiemitte:

          "Problematisch ist doch wohl, ganze Gruppen von Jüdinnen und Juden aus unterschiedlichen weltanschaulichen und religiösen Traditionen mit israelkritischer, zionismuskritischer oder sogar antizionistischer Haltung das Jüdisch-Sein abzusprechen oder sie gar in eine antisemitische Ecke zu stellen. "

          Ich bezieh mich ausschließlich auf diesen Artikel hier und ich kann nicht erkennen, wo die Autorin das macht, was du anführst.

          "Es ist doch paradox, wenn Leute, die in der Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus eigentlich ein gemeinsames Anliegen haben"

          Das ist eben auch nichts als eine Annahme. Ich behaupte, dass es bestimmten Lagern nur um ihr eigenes Weltbild geht und nicht grundlegend um Werte und Gerechtigkeit für alle Menschen. Das was im Artikel beklagt wird, ist das blanke Gegenteil einer "Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus".



          Und deshalb ist der Einwand, den ich oben kritisere, völlig fehl am Platz.

      • @Deep South:

        Danke!

      • @Deep South:

        Haben Sie den Artikel auf den ich verwiesen habe überhaupt gelesen?



        Ich glaube nicht.

  • Wer Rassismus und Menschenfeindlichkeit etc. ehrlich und ernsthaft ablehnt, der muss das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen und sich erstmal selbst freimachen von Vorurteilen und Stereotypen.



    Wer andere nur aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft abwertet, angreift, ausgrenzt oder beschuldigt, ist Teil des Problems. Egal, in welcher Community er sich selbst verortet, egal welche Diskrimierung er selbst erfahren hat. Traurig eigentlich, dass man das immer noch erwähnen muss.

    • @Deep South:

      Ich würde es noch klarer sagen: Wer das nicht kann, ist selbst Rassist.

      "Wer Rassismus und Menschenfeindlichkeit etc. ehrlich und ernsthaft ablehnt" der muss logischerweise annehmen das es keine "Volks- und Rassenmerkmale" gibt und damit alle Menschengruppen grundsätzlich gleich gut oder eben auch gleich rassistisch sein können.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Deep South:

      Das sind ja gute Ansaätze. Denn die Bekämpfung des Antisemitismus ist, wie die Bekämpfung anderer Arten des Hasses, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

      • @Michaela Dudley:

        Ja sicher, keine Frage. Völlige Zustimmung.

  • Ein guter Beitrag.



    Respekt. Ich hoffe, er öffnet einige Scheuklappen.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Demokrat:

      Vielen Dank!

  • Vielen Dank für dieses treffende Plädoyer gegen Doppelmoral und falsch verstandene Solidarität!

    Aber können wir BITTE die Bezeichnung "Wannsee 2.0" für dieses Treffen von ein paar rechten Spinnern ganz schnell wieder einmotten? Sie verharmlost in schwer erträglicher Weise die ursprüngliche Wannseekonferenz bzw. bläst die Gestaltungsmacht dieser Westentaschen-Nazis völlig unnötig auf. Ich bin sicher, sie selbst HÄTTEN es gerne, wenn dieses Treffen wirklich als eine konkrete "Planungssession" mit weitreichenden Folgen in die Geschichte einginge, die diese (schon bei der Wahl des Treffpunkts wahrscheinlich nicht unbeabsichtigte) Assoziation "verdient".

    Aber den Gefallen sollte man diesen Sebstüberhöhern nicht tun. Es war eine Entlarvung und hoffentlich auch ein Weckruf gegenüber all jenen mittigen und mittelrechten Biedermanns, die dachten, "ein wenig AfD" wäre möglich und täte dem Land vielleicht sogar gut - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Im Vergleich zu dem, was 1942 am Wannsee nicht bloß zusammengeträumt sondern von den Leuten, die die entsprechenden Hebel wirklich in der Hand hielten, bis ins Detail beschlossen wurde, ist es dann glücklicherweise doch nur ein unbedeutender historischer Fliegenschiss. Man nennt ja auch das "Ibiza-Video", in dem damalige FPÖ-Chef Strache koksselig seinen Masterplan zur russisch gesponserten Übernahme der medialen Hegemonie in Österreich zusammenphantasierte, nicht "Machtergreifung 2.0" - nicht mal im Spaß.

    • @Normalo:

      Ich wünsche mir und dem Rest der Welt, dass die Westentaschennazis Westentaschennazis bzw. Nazigartenzwerge bleiben und ihre Gestaltungsmacht gegen 0 geht.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Normalo:

      Gut. Die kritische Anregung verstehe und akzeptiere ich. Denn es waren neulich gewissermaßen wahnsinnige Wannsee-Wannabees, die sich nun eher daran ergötzen, sich mit öffentlicher Zustimmung in die Ahnengalerie der Nationalsozialisten einreihen zu dürfen. Und wenn wir dabei sind, die 1933 erfolgte „Machtergreifung“ ist gleichsam mit rechten Dingen zugegangen.

      Meine Verwendung der Bezeichnung „Wannsee 2.0“ bezweckte immerhin weder eine Verharmlosung noch eine Veredelung der Absichten der Teilnehmenden.

      Allerdings wollte ich damit schon die Atmosphäre einfangen, in der solche Enthüllungen sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Nämlich eher hysterisch als historisch fundiert.

      Und gerade in dieser Lage erzürnt es mich, dass sich Schwarze Vertreter:innen auf das Thema stürzen, ohne eine Silbe gegen den damals herrschenden und heute wieder lichterloh aufflackernden Antisemitismus über die Lippen bzw. über die Tastatur zu bringen.

      Mich erzürnt unter anderem deshalb, weil eine wichtige Gelegenheit, die einst bärenstarke, mittlerweile zerrüttete Beziehung zwischen der Schwarzen Community und der Gemeinde jüdischer Menschen endlich wieder zu stärken, nicht wahrgenommen wurde.

      Die Indifferenz, nicht die ideologische Besessenheit, nicht einmal die Ignoranz, sondern die Indifferenz ist immer der allergrößte Brandbeschleuniger des Hasses.

  • Vielen Dank für diesen klaren Kommentar.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Gesunder Menschenverstand:

      Herzlichen Dank nochmals!

  • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin

    Herzlichen Dank! Die Solidarität ist wohltuend.

    • @Michaela Dudley:

      Der Absatz "Der Aufruf suggeriert jedoch, es sei ausschließlich die Aufgabe der Weißen, Hass zu bekämpfen. Als bräuchte diese Welt noch mehr White Saviors!" lässt mich etwas fragend zurück. Sollten"die Weißen" nicht alle Alies sein und helfen Hass zu bekämpfen? Macht sie das zu "White savior" (also bevormundend)? Wie kann man es Ihnen denn Recht machen als "Weißer"?

      • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
        @Zille:

        Faire Frage. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einem White Savior und einem White Ally nicht zu vergessen.

        Der Begriff „White Savior“ ist kein Kompliment, sondern eher eine Beschimpfung. Denn ein solcher Mensch wird in der BIPoC-Community nicht gerne gesehen.

        In der Filmwelt und nicht zuletzt in der alltäglichen Wirklichkeit taucht immer wieder ein stereotypes Motiv auf: Es ist der weiße Erretter. In diesem Narrativ eilen weiße Protagonisten heldenhaft zur Rettung von Schwarzen oder People of Color, die in Not geraten sind. Diese angeblichen Helfer:innen stichen durch Entmündigung, Paternalismus, Unkenntnis der tatsächlichen Lage hervor. All so was.

        White Allies dahingegen wirken engagiert mit, auf Augenhöhe und mit offenen Ohren. Auch dann wird es immer wieder Reibungen geben, aber die Gemeinschaft wird sozusagen beiderseits dadurch gestärkt.

        In meinen Workshops stelle ich die bewusst provozierende Frage: „Was ist der Unterschied zwischen einem Neonazi und einem White Savior?“

        Die Antwort lautet: „Der Neonazi weiß schon, dass er ein Rassist ist!“

        Fakt ist, wer als weiße Person ungekünstelt und mit ernshaftem Engagement MIT uns statt ÜBER uns zusammenarbeitet, wird mehrheitlich geschätzt.

        • @Michaela Dudley:

          Danke für die Ausführung. Mir war der Unterschied klar, was ich in meinem Kommentar verkürzt als "bevormundend" beschrieben habe. Verstehe allerdings nicht warum dieser Begriff im Text benutzt wird, da es an dieser Stelle so wirkt als wären "Weiße, die Hass bekämpfen", nur weil sie das auch ohne "Schwarze" durchziehen automatisch White savior...

  • Danke, Frau Dudley, das ist so wichtig und es ist so schwierig, damit in der Community durchzudringen. Danke, dass Sie jetzt sprechen!!! Es ist so wichtig!!

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Milky:

      Vielen Dank für die solidarische Resonanz.

  • Ein guter Kommentar, der hoffentlich Teil eines Umdenkens ist, das Welt sich halt doch nicht so einfach in Unterdrücker und Unterdrückte einzelnen lässt.



    Was mich allerdings etwas stört ist, dass Kanye West und Dave Chapelle im gleichen Satz als Beispiele prominenter schwarzer Antisemiten aufgezählt wird. Kanye ist ja allgemein bekannt und auch ein Artikel dazu verlinkt, aber zu Dave Chapelle ist nichts verlinkt, was diese Behauptung stützt und das ist ja schon eine harte Anschuldigung.

    • @Zille:

      Dass Michaela Dudley Dave Chapelle erwähnt hat sollte schon ein Beweis genug sein. Kompetenzen und so. Braucht man nicht hinterfragen.

      Worauf ich mich übrigens noch unabhäbgig beziehen will im Bereich Kanye West, und dass auch unter Farbigen Rassismus und Antisemitismus herrsche, würde ich trotzdem äußerst vorsichtig differenzieren.

      Denn mit genau derselben Taktik versuchen Rechte ihren Rassismus zu rechtfertigen. Im Sinne: "Rassismus ist richtig weil andere es auch tun". Dass Rassismus unter PoC weit weniger verbreitet ist, wird ausgeblendet.

      Auf diesen Zug dürfen wir niemals aufspringen. Ja, es ist schade, dass Antisemitismus unter PoC verbreitet ist. Doch wir laufen Gefahr, in unseren Reihen Feinde zu schaffen. Das spaltet uns noch mehr und Spalten löst keine Probleme.

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Dass Michaela Dudley Dave Chapelle erwähnt hat sollte schon ein Beweis genug sein. Kompetenzen und so"

        Kürzlich hat ein Journalist von der Taz geschrieben, dass er ständig über Formulierungen stößt, welche einfach übernommen werden ohne das der Hintergrund geprüft wird.

        Meiner Meinung nach trägt das ungemein zur Polarisierung bei, da man annimmt jemand in der eigenen bubble wird schon recht haben.

        Wenn man sich dann aber Studien, Aussagen oder Artikel sucht um die Argumentation zu überprüfen stellt man, in meinen Augen zu häufig, fest, dass Aussagen nicht gefallen sind, Studie stark geframt wurden oder es außer Behauptung nichts gibt. Manches einfach nicht differenziert ist bzw. Ins eigene Weltbild angepasst wurde.

        Das verfängt, bei Menschen umso näher sie sich an einer bestimmten Position befinde. Leicht sehbar im linken und rechten Bereich. Es macht eine einigermaßen reflektierte Diskussion unmöglich, da es nichts mit Daten, Zahlen und Fakten zu tun hat sondern mit Gefühlen und irgendwelchen Behauptungen die in der eigenen blase popular oderals wahr angenommen werden.

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Dass Michaela Dudley Dave Chapelle erwähnt hat sollte schon ein Beweis genug sein. Kompetenzen und so. Braucht man nicht hinterfragen." Wow, klar emotional eingefärbte Kolumnen als Fakten annehmen ohne überhaupt in Erwägung zu ziehen zu hinterfragen und die Bitte Teile der Realität gezielt zu ignorieren? Das soll i.M.n. dem öffentlichen Diskurs helfen?

        • @Zille:

          Der Kommentar von Eulenspiegel ist übrigens sinnbildlich dafür warum immer mehr Linke, wie ich (für Gleichberechtigung, Toleranz und gegen jede Form von Bigotterie) sich immer schwerer tun sich als Linke zu bezeichnen und in "deren Reihe" zu stehen

      • @Troll Eulenspiegel:

        Die Realität zu verschweigen oder unliebsame Teile davon wegzulassen oder hast zu negieren ist das einzige was der Gegenseite hilft, weil man sich dann objektiv unglaubwürdig macht.



        Als Beispiel nehmen sie gerne das Erstarken der AFD. Sich so schwer damit zu tun unliebsame Nebeneffekte von Migration oder Coronamaßnahmen klar zu benennen hat in meinem Augen die Partei so furchtbar stark gemacht. Damit unterstützt man die in ihrem "darf man nicht sagen" und "Lügenpresse" Geschwurbel.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Man muss die Realität benennen wie sie ist. Ich kann das Argument nicht mehr hören, "das nützt den Rechten". Die Rechten haben keine Diskurshoheit. Ich werde ihnen jedenfalls nicht die Macht geben, meine Erkenntnisse über die Realität einzuschränken oder Möglichkeiten der Publikation zu begrenzen, wegen der wahrhaften Vorstellung irgendetwas davon könnte ihnen nützen. Sie sind nicht das Zentrum der Welt. Wenn ihnen etwas nützt, dann sie zu einer Macht zu figurieren, vor der wir uns alle beugen.



        Dass Antisemitismus bei BLM ein Problem ist,0 ist lange bekannt. Darüber aufzuklären, ist wichtig.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Zille:

      Danke vielmals für die Resonanz. Zum Thema Dave Chapelle in puncto Antisemitismus möchte ich zur Erläuterung den folgenden Link hinzufügen: www.ajc.org/news/w...nd-antisemitism-in

      Außerdem meine TAZ-Kolumne über Chappelle in puncto LGBTQ: taz.de/US-Komiker-...ransphob/!5812027/

      Beste Grüße,

      Michaela Dudley

      • @Michaela Dudley:

        Hm, das erschließt sich mir nicht. Ein Artikel handelt von seiner angeblichen Transfeindlichkeit (ist durchaus strittig und hat vor allem absolut nichts mit Antisemitismus zu tun). Der andere Artikel beweist auch in keinster Weise, dass er Antisemit sei. Zusammenfassend: "Manche fanden manche Witze unangebracht, aber generell hat er sich sehr deutlich von Kanye und dessen dämlichen Ansichten distanziert". Das ist doch kein Beweis für so eine harte Anschuldigung.



        Ehrlich gesagt war meine erste Vermutung direkt, dass er nur erwähnt wurde, da Sie ihn offensichtlich wegen seiner vermeintlichen Transphobie verachten. Ich hatte es in meinem ersten Kommentar nicht erwähnt, da ich nicht vorschnell urteilen wollte. Dass Sie nun Ihre Kolumne zur angeblichen Transphobie als Beweis für seinen Antisemitismus verlinken bestätigt leider meinen Anfangsverdacht. Ungeliebte Personen Dinge anzudichten, die nicht haltbar sind schadet m.M.n. dem Diskurs und untergräbt alles andere Gesagte. Schade

        Emotionale Einfärbung ist in einer Kolumne sicher okay, allerdings sollte man bei den Fakten bleiben.

        • @Zille:

          Random Googlesuche und grobes Wuerlesen ergaben u.a. diese Texte:



          www.timesofisrael....l-hollywood-trope/

          www.forbes.com/sit...and-anti-semitism/

          www.npr.org/2022/1...-live-antisemitism

          Ist also nicht "angedichtet" und, mit Verlaub, auch schnell selbst gefunden per *dave chappelle antisemism*, muss man also nicht zwingend so n Fass ggü. der Autorin aufmachen ;)

          • @hierbamala:

            Da sind wir wohl unterschiedlicher Meinung. Ich dachte öffentliche Diffamierung einer Person oder Gruppe wäre durchaus ein Grund "ein Fass aufzumachen".



            Schauen Sie sich doch bitte auch den Ausschnitt von SNL selbst an und überlegen dann ob das die gemeinsame Aufzählung mit Antisemiten wie Kanye rechtfertigt.

          • @hierbamala:

            Die beziehen sich alle auf das gleiche und sind kein Beweis, dass er Antisemit ist. In dem einen etwas objektiveren steht sogar "das heißt nicht unbedingt, dass er Antisemit ist". Also wie ich zuvor sagte, " manche fanden manche Witze unangebracht". Die zu "er ist klarer Antisemit wie Kanye auch" zu übersetzen finde ich eine Frechheit.

          • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
            @hierbamala:

            Danke vielmals für die Schützenhilfe.

  • Meine Hochachtung an die Autorin.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @rero:

      Ganz herzlichen Dank!

  • Guter Artikel.

    Mir ein Rätsel warum schwarze "Aktivisten" und Organisationen gegen Juden hetzen.

    Eigentlich sollte man das Gegenteil annehmen, nämlich kollektive Unbewusstheit (Diskriminierung von POC, Juden, LGBTQ etc.) kritisch zu hinterfragen. Sehr , sehr kritisch.

    Adorno z. B. machte klar, dass Antisemitismus nicht auf Erfahrungen und Tatsachen aufbaut, sondern auf dem Hörensagen. Dem, was niemand wirklich weiß und keiner je gesehen hat, was man sich aber weitererzählt. Deshalb ist das «Gerücht über die Juden», wie er es nennt, so schwer zu bekämpfen.

    Und Sartre meinte, gäbe es keine Juden, der Antisemit sie erfinden würde.

    Grade POC haben so viel unter Diskriminierung, Hass und tiefster Unbewusstheit gelitten.

    Man könnte meinen sie wären etwas vorsichtiger die gleiche Nummer abzuziehen.

    Man könnte vielleicht damit anfangen die postkolonialen Theoretiker auf die "Leerstelle Antisemitismus" abzuklopfen:

    taz.de/Postkolonia...oretiker/!5678482/

    • @shantivanille:

      Stellt sich raus, dass halt doch alles nur Menschen und Individuen sind, egal zu welcher "Identitätsgruppe" sie gehören.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @shantivanille:

      Lieben Dank! Gut getroffen. Die diesbezüglichen Aussagen von Adorno und Sartre bringen es auf den Punkt.

  • Ein wunderbarer und empathischer Kommentar . Wir Schwulen Menschen werden von den Judenhassern ebenso ausgegrenzt . In Bezug auf Israel von "weißer Vorherrschaft" zu reden ist eine abenteuerliche Geschichtsklitterung, in der NS-Zeit wurden Juden als "negroide" bezeichnet .Außerdem ist Israel, worauf die Kolumnistin schon hinwies, ein multiethnisches Land und hunderttausende Israelis haben Wurzel in den arabischen Ländern aus denen sie oder Nachkommen vertrieben wurden. Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, wo Schwule überhaupt eine Existenzberechtigung zuerkannt wird, deshalb ist "Queers for Palestine"



    lächerlich !

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Barthelmes Peter:

      Genau. Herzlichen Dank für die Anmerkungen in puncto LGBTQ. Wir Mitglieder der queeren Community werden von Antisemit:innen häufig attackiert und ausgegrenzt. Die Hetze kommt von rechts und von links aus.

      Übrigens: Da ich im Ehrenamt einige queere Geflohene aus Palästina mitbetreue, kann ich feststellen, dass sie über "Queers for Palestine" nichts Erfreuliches zu sagen haben.

      Sogar Amnesty International verurteilte in ihrem am 07.04.2021 veröffentlichten Jahresbericht "Palästina 2020" die queerfeindliche Lage unter der Hamas. Amnesty kritisierte wie folgt: "Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche wurden weiterhin diskriminiert und genossen keinen Schutz. [...] Im Gazastreifen wurden Zivilpersonen weiterhin vor Militärgerichte gestellt, ud Gerichte verhängten Todesurteile".

  • Tolles Statement, und das gilt nicht nur für die Black community, sondern für alle anderen, die sich ausschließlich als Opfer definieren, ich möchte die Aufzählung erst garnicht beginnen, weil es darum nicht geht. Wann verstehen wir, daß es um Werte geht?



    Solange wir nicht den Anderen sehen, erkennen wir uns selbst nicht.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Ze Tschermän:

      Ganz genau!

  • Das Problem ist das Opfer Narrativ, wer Opfer ist kann sich selbst oft nicht als Täter begreifen. Schwarze sind das Opfer von Rassismus können aber auch selbst ziemliche Rassisten sein siehe bspw. anti-asiatischer Rassismus in den USA, Antisemitismus. Anderes Beispiel Türken in Deutschland beschweren sich oft über Rassismus von Deutschen und sind teils massiv rassistisch gegenüber Armeniern und Kurden.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Machiavelli:

      Eben. Diese Doppelmoral, die auch und gerade von Mitgliedern der BIPoC-Communities vertreten wird, trägt zu einer exponentiellen Reproduktion des Hasses bei. Aber jene Selbstgerechtigkeit führt allerdings nicht zum Self-Empowerment.

      In vielen ethnischen Communities fehlt die Selbstreflexion genauso wie in der sogenannten Dominanzgesellschaft.

  • Rassismus hat doch nichts mit der Hautfarbe oder der "Community" zu tun. Rassismus ist international - ständig Respekt und Solidarität einzufordern ist wenig zielführend. Wer sich angesprochen fühlt war schon zuvor kein Rassist.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Lars Sommer:

      Richtig. Ganz genau. Denn wer ein Opfer ist, hat wohl ein Recht, darauf hinzuweisen. Aber das ist kein Grund dafür, anderen die Solidarität zu verweigern.