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Aggression im StraßenverkehrSchränkt den Autoverkehr ein!

Die älteren Autofahr:in­nen sind nicht das Problem auf den Straßen Deutschlands. Das Problem sind die vielen Autos selbst.

Autobahn-Drängler im Außenspiegel Foto: Jochen Tack/imago

T ür zu, Motor an. Die Heizung auf dem Fahrersitz läuft, die anderen Plätze bleiben unbesetzt. Endlich Zeit alleine, endlich Zeit, die Musik laut aufzudrehen, mitzusingen und dem Dopamin mit dem Fuß auf dem Gaspedal freien Lauf zu lassen. „Das Auto ist ein emotionaler Schutzraum“, sagt Ulrich Chiellino, Leiter im Bereich Verkehrspolitik beim ADAC. Gefühle können sich darin nahezu frei entfalten, abgeschirmt von anderen Menschen auf den Straßen. Pkw sind der „letzte Ort, an dem eine selbstbezogene Intimität zelebriert werden kann“, schreibt das Frankfurter Zukunftsinstitut.

Diese Feier will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) niemandem verwehren. Die, die gerne mal einen über den Durst trinken, sollen ruhig weiter fahren dürfen – zumindest in der Theorie. Der FDP-Mann setzt auf die Eigenverantwortung der Bürger:innen, für die beim Autofahren ohnehin das Vernunftgebot gelte, ganz auf Alkohol zu verzichten. Die Promillegrenze weiter zu senken, hält Wissing daher für unnötig, das hat er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesteckt.

Genauso wenig überzeugend findet der Minister den Vorstoß der EU-Kommission, Fahrprüfungen für ältere Menschen einzuführen. Die Kommission betont zwar, dass Alter an sich beim Fahren kein Sicherheitsrisiko darstelle. Dennoch sieht der Entwurf einer neuen europäischen Verkehrsrichtlinie vor, dass Au­to­fah­re­r:in­nen ab 70 alle fünf Jahre ihren Führerschein auffrischen müssen.

Wissing sagt, er wehre sich dagegen, „dass sich der Einzelne Zwangsuntersuchungen unterziehen und nach Vorschriftskatalog seinen Alltag gestalten muss“. Es mache die Gesellschaft „unmenschlicher, wenn wir mit dieser Härte durchgreifen“.

Wut bei Au­to­fah­re­r:in­nen steigt

wochentaz

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Der Verkehrsminister hat Recht, wenn er sagt, dass ein selbstbestimmtes Leben ohne Auto für viele ältere Menschen schwer möglich sei – zum Beispiel, wenn sie auf dem Land leben. Erstens aber gilt das für Menschen jeden Alters: Auch Junge stecken fest, wenn im Dorf kein Bus fährt. Zweitens unterschlägt Wissing, was wirklich unmenschlich ist: der Verkehr selbst, den in Deutschland die Autos beherrschen.

Die Aggression auf deutschen Straßen steigt, das belegt eine aktuelle Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Die befragten Au­to­fah­re­r:in­nen gestanden deutlich öfter als in den Vorgängerjahren, dass sie schon mal zu eng an Rad­fah­re­r:in­nen vorbeifahren, wenn die Straßenbreite kein Überholen mit Sicherheitsabstand hergibt. Oder dass sie sich Fahrspuren auf der Autobahn lieber mit der Lichthupe freiräumen als abzubremsen.

Das Auto, ein emotionaler Schutzraum, in dem vielleicht mal Euphorie aufkommt. Wahrscheinlicher sind Frust und Wut. Je dichter der Verkehr, desto mehr Aggressionen, sagt der UDV. Au­to­fah­re­r:in­nen haben mit Gefühlen zu kämpfen, die sich kaum ihren Weg durch die Wände des Metallkäfigs bahnen können. Also lassen sie Taten sprechen, Wut entlädt sich in der Lichthupe – oder in noch krasseren Aktionen, die die Unfallgefahr erheblich steigern.

Unfälle bauen auch Fahrräder, laut UDV gibt es immer mehr Kollisionen mit Verletzten zwischen Fuß­gän­ge­r:in­nen und Radler:innen. Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen ist nicht zu rechtfertigen. Überraschend aber ist es nicht, dass auch Fahr­rad­fah­re­r:in­nen eine kürzere Zündschnur haben, wenn ihnen schon wieder ein Auto, das überlegene Fahrzeug, den Weg abschneidet. Und außerdem sind Rad­le­r:in­nen der Aggression der anderen viel direkter ausgesetzt als im Auto.

Wenn Volker Wissing also will, dass die Menschen im Straßenverkehr menschlich bleiben, sollte er sich überlegen, wie er mehr Autos von der Straße kriegt.

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Nanja Boenisch
Redakteurin
Schreibt im Ressort Wirtschaft und Umwelt über Mobilität und Verkehrswende.
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23 Kommentare

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  • Jede noch so kleine Stadt hat ihre Verkehrs-, Stadt-und Wirtschaftsplanung.



    Wer sich bei der Verkehrsplanung nur an Wissing abbarbeitet, läßt 99% der ebenfalls Verantwortlichen laufen.

  • Das Problem sind die zu großen und zu schweren Autos. Und das Problem sind die zu großen Steuern/Abgaben auf Besitz und zu geringe auf die Nutzung von Autos.

  • Wissing hat sich weder wort- noch sinngemäß dafür ausgesprochen, dass die, die gerne mal einen über den Durst trinken, ruhig weiter fahren dürfen sollen. Vielmehr sieht er keinen Sinn darin, die Promillegrenze weiter abzusenken. Und dies aus guten Grund: alkoholbedingte Verkehrstote sind im wesentlichen auf bereits heute schon strafbewehrte Promillewerte zurückzuführen.

  • Wie wäre es, das Auto mal ausnahmsweise als das zu betrachten, was es wirklich ist: ein Verkehrsmittel, um Personen und Güter von A nach B zu befördern. Ohne das ganze ideologische FDP-Brimborium von individueller Freiheit und derlei Quatsch (Quatsch, insofern es sich um Werte handelt, die auf Gedeih und Verderb an die automobile Gesellschaft gebunden werden).

  • Solange die FDP dieses Ressort innehat, wird sich gar nichts ändern. "Freie Fahrt für freie Bürger" so das Credo, mit dem man Wählerstimmen einfängt. Tempolimit: Fehlanzeige. Gegenteilige unwiderlegbare Messzahlen aus europäischen Nachbarländern sind selbstverständlich nicht auf Deutschland übertragbar. Führerschein Anwärter müssen sich bekannterweise einer Prüfung und einem Sehtest unterziehen - um dann Jahrzehnte ungeprüft fahren zu können. Um das, obwohl 95% der Unfälle durch den Fahrer und nicht durch technische Mängel verursacht werden. Der Absurditäten gäbe es noch viele weitere hinzuzufügen.



    Dass in diesem Kontext eine Einschränkung des PKW Verkehrs nicht den Hauch einer Chance hat, versteht sich von selbst. Die bemitleidenswerten Autofahrer sind schon allzu sehr die Sündenböcke der Nation. Dagegen muss eingeschritten werden. Der FDP sei Dank.

  • Die Autorin hat völlig richtig erkannt, dass die Aggression auf der Straße zu einem Gutteil dem Stress durch Überfüllung zu verdanken ist.



    Ist ja logisch! Denn dieser Hauptauslöser von Aggressionen beim Mensch und Tier bleibt zu unbeachtet: Seit 1975 hat sich in Deutschland die Zahl der Autos pro Einwohner verdoppelt. Rund 630 fahrbare Untersätze kommen heute auf 1 000 Bundesbürger - und dabei ist jeder mitgezählt, vom Baby bis zum Greis. Die Straßenlänge in Ballungszentren nahm pro Einwohner dagen sogar ab (Verdichtung).



    Das heißt aber auch, dass die seit Jahrzehnten gefahrene Politik von immer mehr Überwachung, immer höhere Strafen und immer mehr Tempolimits, die Aggressivität nicht senken wird. Im Gegenteil - werden Fahrradwege und Bürgersteige mit Lastenrädern, Lieferdrohnen, Gassi-geo-o-maten, Rollern, Hoverboards und weiteren Selber-laufen-vermeidungsgeräten vollgemüllt, wird auch dort das Hauen und Stechen zunehmen.



    Wenn weiterhin pro Haushalt immer mehr KFZ gehalten werden, dann hilft gegen die Zunahme der Aggression im Straßenverkehr keine Strafandrohungserhöhung, Überwachung und anderweitige stresserhöhende Gängelung, sondern nur die Einführung vollautonomer Fahrzeuge mit Lachgaseinspritzung - allerdings nicht in den Motor, sondern in den Fahrgastraum.



    Alternativ müsste die avisierte Fahrtauglichkeitsprüfung für baldige Letztwähler viel weitergefasst werden und durch eine Verkehrstauglichkeitsprüfung ersetzt werden, die alle zwischen Kinderwagen und Bahre regelmäßig zu absolvieren haben und wo die kognitive und charakterliche Eignung zur Verkehrsteilnahme geprüft wird.



    Bei Versagen stellt die Krankenkasse eine Gummizelle-to-go: Ein allseitig gepolstertes Laufband in Telefonzellgröße, dass robotergesteuert selbstfahrend einen Door -to- Door Service ermöglicht und auch in Menschenmassenstressorbehafteten Räumen wie Supermärkten, Arztpraxen und Ämtern einzusetzen sind.

  • Sie haben ja recht. Andererseits glaube ich, dass die eher friedliebenden Fahrer*innen auf das Autofahren verzichten würden, als diejenigen, die mit ihren hochgezüchteten AMGs oder den schützenpanzerartigen SUVs im Wert von Kleinimmobilien, die sich wie Räumfahrzeuge auf der Autobahn den Weg freiräumen oder auf dem Kudamm rennen liefern, jemals mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV am Verkehr teilnehmen werden.



    Wissing sollte sich ein Beispiel an der Schweiz nehmen und die Verkehrsverstösse am EInkommen der Fahrer*innen und/oder am Wert ihrer Fahrzeuge so orientieren, dass es auch dem/ der Porsche oder Ferrarifahrer *in o.ä. wehtut wenn er/sie denn mal erwischt wird, sollte er/sie mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Innenstadt rasen oder Kleinwagen auf der Autobahn in die Leitplanken drängeln.

  • Beides birgt Gefahren,



    durch das Alter beeinträchtigte Fahrweise,



    wie auch aggressive Fahrweise.



    Leider ist Beides zunehmend zu beobachten.



    Unsere Gesellschaft altert und wir müssen uns schon fragen, ob wir uns nicht z.B. ein kostenloses Deutschlandticket für Senioren leisten wollen, die Ihren Führerschein abgeben.



    Aggressives Fahren kann nur mit mehr Kontrollen und entsprechenden Strafen ( Fahrverbot vor Geldstrafe) bekämpft werden.



    Weniger Autos würden Raser zu mehr Raserei einladen.



    In Bonn wird gerade mit weniger Verkehr in der Innenstadt experimentiert.



    Öffentliche Parkplätze fallen weg, Parken im öffentlichen Raum wird für KurzparkerInnen und Anwohner teuerer.



    Wen trifft das? Vor Allem die ArbeiterInnen und Armen.



    Wer Hausbesitzer, mit Garage oder Stellplatz ist, ist nicht betroffen. Wer zur Miete, ohne Parkplatz ( eher die Regel, als die Ausnahme) , wohnt, kann sehen, wo er/ sie bleibt.



    Bonn wird, wie andere Großstädte, zur Wohnstadt, Arbeitsplätze wandern in den Speckgürtel ab.



    Somit sind Viele auf Individualverkehr angewiesen.



    Natürlich ist der öffentliche Nahverkehr innerstädtisch gut, Anbindung in andere Kreise nur bedingt gut.



    Betrachtet man/frau den Bonner Hauptbahnhof, so fällt auf, dass die beiden Parkplätze in Bahnhofsnähe bebaut wurden, die Hochgarage, seit Jahren, gesperrt und im Umbau ist.



    Wer also einen Gast vom Bahnhof abholen will, muss schon kreativ sein.



    Da ist für Viele der nahe Flughafen praktischer.



    Das dürfte nur bedingt im Interesse der grünen Oberbürgermeisterin sein.



    Stadtplanung ist nicht mit ein paar Fahrradparkplätzen geregelt.



    Das Problem Rollerfahrer in der Fußgängerzone ist bekannt.



    Dass für E- BikerInnen Einbahnstraßen, Bürgersteige und Fußgängerzonen die neuen Rennstrecken darstellen, erhöht nicht gerade gegenseitige Akzeptanz.



    Bei den zunehmenden Unfällen Fußgänger gegen Fahrrad, ist die Folge nicht immer lustig.



    Es gibt vielfältige Interessen im Verkehr und eine simple Lösung ist nicht zu erwarten.

    • @Philippo1000:

      "Dass für E- BikerInnen Einbahnstraßen, Bürgersteige und Fußgängerzonen die neuen Rennstrecken darstellen, erhöht nicht gerade gegenseitige Akzeptanz."

      Polizeikontrollen könnten helfen.

    • @Philippo1000:

      "Dass für E- BikerInnen Einbahnstraßen, Bürgersteige und Fußgängerzonen die neuen Rennstrecken darstellen, erhöht nicht gerade gegenseitige Akzeptanz."

  • Schöne Vorstellung. Weniger Autos wären mir auch lieber.



    Leider musste ich letzten Mittwoch ein Seminar vorzeitig beenden, um noch rechtzeitig mit der Bahn durch halb Deutschland vor Streikbeginn heim zu kommen. Und Gewerkschafts-"Rambo" Weselsky wird weiter streiken lassen. Dazu die ganzen Verspätungen und Ausfälle unabhängig von Streiks.



    So lange die Öffis nicht so zuverlässig wie in Österreich oder der Schweiz unterwegs sind, bleibt das Auto zumindest ein notwendiges Back-up.

    • @Zugpferd:

      Dann scheinen in Österreich oder in der Schweiz die öffentlichen Verkehrsmittel ebenfalls unzuverlässig zu sein.

      6,4 Millionen zugelassene Fahrzeuge unter 8,8 Millionen Einwohnern:



      www.bfs.admin.ch/b...uge/fahrzeuge.html

      Deutschland:



      48,8 Millionen PKW unter 83 Millionen Einwohnern.

      Wäre die Schweiz wirklich ein Land, wo der ÖPNV so gut ist, dass du hier den Vergleich wagst, dann müssen ca. 1 Millionen Fahrzeuge in der Schweiz weniger auf den Straßen laufen, damit die Quote Fahrzeuge zu Einwohner unterboten wird.

      Österreich lasse ich erstmal weg.

  • Das Problem sind nicht die vielen Autos, das Problem ist der fehlende und ausreichend schnelle ÖPNV, insbesondere zwischen Städten, wo viele Pendler unterwegs sind! Das Problem ist auch eine Raum- und Stadtplanung, die immer längere Pendlerstrecken produziert.

    Ein Auto ist oftmals die einzige Lösung für Privatpersonen, um den Arbeitsplatz zu erreichen ohne Stunden mit Fahren zu verbringen.

    Pendleratlas: statistik.arbeitsa...dleratlas-Nav.html

    • @Rudolf Fissner:

      Und bezahlbarer Wohnraum in Arbeitsplatznähe wäre auch nicht zu verachten. Schon hätte man viel Pendelei erledigt.

      • @Tetra Mint:

        Das war, was ich mit der Stadtplanung ansprach.

        Wenn alle in Ostdeutschland wegen Jobs nach Berlin wollen, dann werden hohe Mieten bei nicht mehr vorhandenen Neubauten das Ergebnis sein.

        Auch haben die Berliner keinen Bock auf Nachverdichtung/Zuzug neuer Einwohnern. ( taz.de/Umstrittene...n-Pankow/!5969895/ 8

  • Menschlichkeit ist jemandem wie Volker Wissing völlig wurscht. Dem geht es um ein paar Wählerstimmen, sonst nichts. Und es geht ihm um "Freiheit" - aber nur die der Autofahrer*innen. Freiheiten anderer Mitmenschen bringen keine Wählerstimmen - weg damit. Diese unglaubliche Heuchelei wird täglich unerträglicher.

    • @Perkele:

      Ist doch Quatsch.

      Unter diesen Umständen hätte er nie die Idee zum 9-Euro-Ticket eingebracht.

    • @Perkele:

      Das stimmt so nicht, Freiheiten anderer Mitmenschen bringen den Grünen Wählerstimmen. Jede Partei bedient ihr Klientel.

  • Das mag in Berlin ein spezielles Problem sein. Aber in Berlin sehe ich hauptsächlich massiv aggressive Radfahrer. Natürlich gibt es auch ganz normale und nette. Aber die aggressiven werden wirklich immer mehr. Und das sage ich als Fußgänger.

    • @BerlinerausBerlin:

      Das sehe ich auch so.

      Und das sage ich als Radfahrer.

      Die Menge an sich, die E-Bikes und die E-Roller erhöhen spürbar den Streßlevel.

      Das sage ich als Radfahrer.

    • @BerlinerausBerlin:

      Das erlebe ich auch so, auch in der kleineren Großstadt, in der ich lebe. Da ich allerdings sowohl mit dem eigenen Auto als auch per ÖPNV, Rad oder zu Fuß unterwegs bin (im Stadtverkehr I.d.R. nicht mit dem PKW), erlebe ich insgesamt eine Zunahme von Aggressivität und Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr. Scheint wohl ein Zeichen unserer Zeit zu sein. Vielleicht aber auch nur die Klage eines Älteren, wie es auch zu allen Zeiten schon war.

    • @BerlinerausBerlin:

      Nein, das ist nicht Berlin-spezifisch. Absolut nicht. Leider.