Wissing gegen Führerschein für Ältere: Follow the Autolobby

Tempolimits für Fahr­an­fän­ge­r und Gesundheitschecks für Ältere sorgen für mehr Verkehrssicherheit. Dem deutschen Verkehrsminister ist das egal.

Junger Fahrschüler schaut in den Rückspiegel

Ein Vorschlag zur Unfallverringerung: Tempolimit für Fahranfänger Foto: Zerocreatives/imago

Ginge es beim Verkehr weiter um möglichst freie Fahrt fürs Auto, wäre vieles einfach: Der Staat könnte weiter breite Trassen in Städte und Wälder schneiden, Sprit und Kauf möglichst teurer Kisten subventionieren und Fußgänger*innen, Rad­fah­re­r*in­nen und den anderen lästigen Rest möglichst von ihnen fernhalten. Aber nicht nur das Klima, auch Lebensqualität und Gesundheit fordern „heute“ andere Prioritäten.

Europas Ver­kehrs­mi­nis­te­r*in­nen leben offenbar weiter im 20. Jahrhundert. So hat bei ihnen ein Spezial-Führerschein für SUV-Fahrer (erst ab 21 Jahren), maximal Tempo 90 für Fahr­an­fän­ge­r*in­nen oder sogar ein Nachtfahrverbot für diese unfallanfällige Gruppe keine Chance.

Dies sind alles Vorschläge aus dem Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments, die an diesem Montag von den EU-Verkehrsminister*innen abgelehnt wurden. Eine weitere smarte Art, viele Unfalltote, -verletzte und -schäden zu vermeiden, wird nicht am Veto des deutschen Ressortschefs Volker Wissing scheitern: Der FDP-Politiker will nicht, dass für Se­nio­r*in­nen ab 60 der Führerschein nur noch sieben Jahre lang gültig sein soll.

Wissing setzt wie immer auf „Eigenverantwortung“

Er stemmt sich auch gegen regelmäßige Selbsteinschätzungen zur Fahrtauglichkeit oder Gesundheitschecks beim Arzt für Oldies. Der Liberale, selbst 53, setzt lieber auf „weniger Bürokratie“ und „Eigenverantwortung“.

Hier geht es nicht um pauschale Vorverurteilungen von Älteren, aber diese Haltung kostet Menschenleben. Sind Se­nio­r*in­nen an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, tragen sie häufiger die Hauptschuld. Laut Statistischem Bundesamt waren Menschen ab 65 im vergangenen Jahr bei 69 Prozent dieser Unfälle die Hauptverursachenden. Bei den über 75-Jährigen waren es sogar 77 Prozent. Immerhin fahren sie nicht mehr so viel Auto.

Einschränkungen wären auch für die andere Hochrisikogruppe im Verkehr geboten: die 18- bis 20-Jährigen. Saßen sie am Steuer, waren sie bei 71 Prozent der schweren Unfälle hauptverantwortlich.

Und, Herr Wissing, follow the ­science? Oder follow the Autolobby?

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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