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Krise der Photovoltaik-ProduzentenSolarstrom boomt, Hersteller leiden

Billige Photovoltaikmodule aus China drohen EU-Produkte zu verdrängen. Zugleich werden in Deutschland so viele Solaranlagen wie noch nie aufgestellt.

Produktion von Solarmodulen in Deutschland. Die Firmen sind unter Druck, da China Preisdumping betreibt Foto: Paul Langrock

Freiburg taz | Europäische Solarunternehmen stehen vor dem Ruin, weil chinesische Module zu extrem niedrigen Preisen den hiesigen Markt fluten. Am Freitag lud Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer Vertreter seiner Regierung und aller Bundesländer, sowie Vertreter der Solarbranche zu einer Krisensitzung – „Solargipfel“ genannt. Ergebnisse waren bis Redaktionsschluss nicht bekannt.

Die europäische Solarbranche hatte kürzlich in einem Brief an die EU-Kommission gewarnt: „Wenn jetzt nichts passiert, ist das Risiko groß, dass europäische Solarproduzenten in den nächsten Monaten massive Probleme bekommen werden, manche sogar insolvent gehen“. Subventionen seien nötig.

Nach Auflösung der Lieferengpässe aus der Corona-Zeit und mit dem starken Ausbau der Solarfabriken insbesondere in Asien sei der harte internationale Wettbewerb im Bereich der Photovoltaik (PV) in den letzten Monaten neu entfacht worden, heißt es in der Solarbranche. Es gebe große Mengen an Lagerware im Handel und in den Häfen. Der Preisverfall der Module habe innerhalb der vergangenen sechs Monate bei 35 Prozent gelegen. Chinesische Module werden in der EU bereits für 15 Cent pro Watt angeboten, was Branchenkenner selbst in China nicht für kostendeckend halten.

China verfügt längst über die mit Abstand größten PV-Produktionskapazitäten weltweit. Gegenüber Deutschland erziele das Land „Kostenvorteile bis hoch in den mittleren zweistelligen Prozentbereich“, erklärt der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) begründet die Preise der Ware aus Fernost auch damit, dass die Module „in China unter Zwangsarbeit hergestellt werden“ – was China allerdings bestreitet.

USA und Indien schotten ihre Märkte ab

Die Flutung des europäischen Markts mit chinesischen Modulen resultiert auch daraus, dass diese Ware in den USA nicht mehr verkauft werden darf, wie das BMWK in einer Antwort auf eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Christian Leye schreibt. Das ist Folge des Inflation Reduction Act, der ein riesiges Subventionspaket und Importbeschränkungen umfasst und den USA helfen soll, Solarindustrie ins eigene Land zu locken. Auch Indien habe inzwischen seinen Markt gegenüber chinesischen PV-Modulen abgeschottet, so das BMWK.

Somit drängen die asiatischen Module nun in großem Stil nach Europa – weshalb die hiesigen Hersteller im Preiskrieg Unterstützung von der EU fordern. Schließlich haben sich die europäischen Staaten zum Ziel gesetzt, künftig 40 Prozent des Photovoltaik-Bedarfs aus heimischer Produktion zu decken.

Erreichbar wäre das auf verschiedenen Wegen – einerseits durch Importzölle. Solche lehnt der BSW allerdings ab, was damit zusammenhängt, dass der Verband nicht nur Hersteller vertritt, sondern auch Projektierer, die ihre Module möglichst billig einkaufen wollen. Statt dessen schlägt der BSW Boni bei der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor für jene Projekte, die Komponenten aus europäischer Fertigung nutzen.

Die Probleme der europäischen Solarhersteller fallen in eine Zeit, in der die Photovoltaik hierzulande boomt, wie nie zuvor. Der Zubau in Deutschland lag von Januar bis August bereits bei rund 9 Gigawatt, nach 7 Gigawatt im ganzen Jahr 2022. Auch der historische Spitzenwert von 2011, der bei 7,9 Gigawatt lag, ist damit übertroffen. In der EU wird der Zubau 2023 auf 70 bis 100 Gigawatt geschätzt – nach 46 Gigawatt im Vorjahr. In dieser Hinsicht zeigt sich auch der BSW optimistisch: Der Photovoltaik-Weltmarkt werde „perspektivisch die Umsatzvolumen der Automobilindustrie erreichen“.

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14 Kommentare

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  • Ach, die Solarindustrie mal wieder! Ist die nicht sowieso tot ("gemacht" worden)? Wichtig sind Auto-, Flugzeug-, Rüstungs- ... industrie! Und "wir" sollten wieder "ins Atom" investieren. Rettet die Bilanzen der "wahren" Industrien!



    /Sarkasmus

  • Wenn man in diesem Land ungebrochen auf die Produktion und den Verkauf von extrem schädlichen fetten Verbrennern setzt, statt auf sinnvolle Produkte, braucht man sich über solche Entwicklungen nicht zu wunden. Selber Schuld, wenn man sich Jahrzehnte lang von den entsprechenden Interessengruppen am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. „Arbeitsplätze“—-! Inzwischen werden händeringend in halbwegs nützlichen Branchen Fachkräfte gesucht und nach wie vor werden sehr viel gut ausgebildete Leute für die Herstellung von kontraproduktiven Schund verheizt.

  • Ist doch gut, wenn wir von der Überproduktion Chinas profitieren. Wir brauchen mehr erneuerbare Energien. Viel, viel mehr. Da die Handwerker richtig kräftig zulangen bei der Installation, wird es eh teuer genug. Und anders als das russische Gas lassen sich installierte Solarmodule nicht wegnehmen. Die Abhängigkeit hält sich daher in Grenzen. Eine deutsche Unabhängigkeit halte ich hier nicht für erforderlich.

    • @Strolch:

      Kurzfristig mag das stimmen, so ein Solarmodul hält aber auch nur begrenzte Zeit (so um die 25...35 Jahre, das "drumherum" wesentlich kürzer). Danach braucht es Neue. Wenn die Industrie bis dahin aus Europa weg ist (inkl. der Zulieferindustrie, Wissen und Patenten) hat man das Problem nur größer gemacht und nach hinten verlegt.

      Die dann in 2...3 Jahrzehnten benötigten Module und die Technik darum herum wird sicherlich eine andere, weiter entwickelte sein, aber das entstehen ja auch nicht aus dem Nichts sondern das wird von den aktuellen Herstellern entwickelt die es dann - genau - nicht mehr in der EU geben wird.

      Schau dir Elektronik-Herstellung an: Konsumgüter ist praktisch komplett weg, Elektronik-Industrie wird auch immer weniger.



      Mit der Chemie-Gesetzgebung schießt man sich gerade auch die Halbleiterherstellung ab (an sich zu 2/3 ist das Chemieindustrie mit sehr spezialisierten Stoffen). Gerade dräut das Verbot von PFAS, ohne dem kannst Du keine Chemieanlagen bauen (Rohrleitungen innen, Ventile etc.) weil nur diese Stoffgruppe resistent und rein genug ist um damit Anlagen zu errichten die auch die Prozesse aushalten.

      • @Thorsten Gorch:

        "Schau dir Elektronik-Herstellung an: Konsumgüter ist praktisch komplett weg, Elektronik-Industrie wird auch immer weniger."

        Und inwiefern ist das ein Problem? Wir heöaben doch trotzdem einen großen Exportüberschuss, Wohlstand und zu wenig Arbeitskräfte. Und billige Elektronik-Produkte . In einer globalisierten Wirtschaft muss niemand alles produzieren. Es ist in unserem und im globalen Interesse, dass Solarstrom möglichst billig produziert werden kann.

        • @Ruediger:

          Du möchtest De-Industrialisierung in der EU? Wo soll da die Wertschöpfung statt finden? Wo die Weiterentwicklung dieser Produkte?

          Aus Umweltgesichtspunkten, Arbeitnehmerschutz usw: Verlagert man damit nicht die mit Produktion von Gütern verbundene Probleme nach außerhalb EU, ggfs. mit niedrigeren Standards?

          Kleiner Schwank aus der Praxis (eigene Erfahrung): Ein großer Hersteller verlagerte die Produktion von LEDs (einzeln, Panele, alles mögliche aus diesem Bereich etc.) nach China. Steuerung der Anlagen aus der EU.

          Was machten die Chinesen? Die Anlagen und deren Spezifikationen wurden ihnen ja hingestellt, kannten sie damit ja. Aber noch nicht das Wie, das Rezept dazu.

          Lösung: Einfach zugucken und lernen.

          Jetzt beherrschen sie es komplett. Die Belegschaft / Gewerkschaft warnte. Aber der kurzzeitige Profit war wichtiger. Tja, nun ist beides weg, die Produktion und der Profit aus diesem Bereich. Aber nicht nur die direkte Panelproduktion, auch alles drum herum (ansteuernde Elektronik, dafür spezialisierte Werkzeugmaschinen etc.).

          Kann man so wollen, aber ist das wirklich gewünscht, so auf lange Sicht?

          • @Thorsten Gorch:

            Sie haben sicher recht, in Deutschland gibt es bessere Umweltauflagen und besseren Arbeitnehmerschutz. Aber die Industrie hat ja jetzt schon nicht genug Arbeitskräfte, mit wem soll sie da eine völlig neue Branche aufbauen? Als exportabhängige Volkswirtschaft haben wir ein massives Interesse daran, dass auch woanders echte Wertschätzung geschieht, weil wir diese Absatzmärkte brauchen. Und die Industrie braucht möglichst billigen Ökostrom. Dazu tragen auch günstig im Ausland entwickelte und produzierte Komponenten bei. Ich bin mir nicht mal sicher, ob eine isolationistische Wirtschaftspolitik gut für Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in Schwellenländer wäre. Als Handelspartner kann man zumindest einen gewissen Einfluss nehmen. Und dass Schwellenländer sich von der verlängerten Billigwerkbank des Westens zu ernstzunehmenden Wettbewebern entwickeln, ist zunächst mal ein Stück weniger Ausbeutung. Es ist eine Entwicklung, die in unterschiedlichen Branchen seit mehreren Jahrzehnten stattfindet, übrigens ohne dass der Westen an Wohlstand eingebüßt hätte.

            • @Ruediger:

              Die Industrie hat nicht genügend Arbeitskräfte weil einfach lange Zeit billige Arbeitskraft zur Verfügung stand (Stichwort Aufstocker, staatlich subventionierte Arbeitskräfte) und daher nicht investiert wurde um die Effizienz zu steigern sondern das als kurzfristigen Gewinn eingestrichen wurde. Eine weitere negative Folge der Agenda 2020 wobei ich den beteiligten Parteien unterstelle das genau so gewollt zu haben.

              Zum Thema Einfluss: Wie wollen sie denn den als Handelspartner nehmen? Sicher, ein Audit-Zertifikat basteln die ihnen relativ schnell, zeigen ihn vielleicht noch extra eine dafür konditionierte Vorzeige-Fabrik und Xi lächelt leise dabei.

              Sweatshops ist eher die Regel als die Ausnahme (in China dann noch Arbeitslager). Oder lesen sie die Berichte über Foxconn. Da gibt es seit zig Jahren haarsträubende Berichte.

              Die Hoffnung aus hoch spezialisierten Fachkräfte aus dem Ausland? Klar die wollen da auch weg und nicht unter solchen Bedingungen schuften, aber in D? Die kommen da nicht sondern gehen gerne woanders hin nachdem sie sich über die extrem hohen Steuern/Abgaben, Wohnungslage und Chancen für ihre Angehörige hier in D informiert haben.

              Ein weiterer Teil für die aktuelle Schwäche von D ist die praktisch final gescheiterte Digitalisierung & die Bürokratie "German Level". Speziell hier habe ich mittlerweile wirklich alle Hoffnung verloren.

              Der deutsche Sozialstaat ist nur zu halten wenn die Wertschöpfung hier vor Ort statt findet. Wenn das wegfällt (& ich befürchte das wird in naher Zukunft unweigerlich geschehen) werden die Populisten aller ideologischen Richtungen leichtes Spiel haben.

              Wenn sie behaupten "der Westen" habe nicht an Wohlstand eingebüßt - gilt das auch für die Bevölkerung oder bloß für die ab Millionär aufwärts? Stichwort Spaltung der Gesellschaft sichtbar über den GINI-Index. Zusätzlich zur im letzten Jahr grassierenden Inflation (z.T. eine Gierflation der beteiligten Firmen ohne abschöpfenden Steuereffekt).

  • wie bitte, sehr verehrte taz, ist denn z.z.+ in den nächsten 10 jahren der anteil der verschiedenen alternativen bzw. öko-energiequellen?

  • Vor 10 Jahren genau die gleichen Nachrichten. Gleiche Akteure (China), gleiche Branche. Nur ein paar verschlissene Zwangsarbeiter sind ausgetauscht worden seid dem.

  • Verstehe den Sinn nicht ein solches Billigprodukte in D oder den USA fertigen lassen zu wollen. Inverter, Speicher,..okay…aber PV Module??

    • @Wombat:

      Es ist ein strategisches Produkt weil davon z.T. die zukünftige Energiesektor abhängt.

      Preiswert kann man das auch hier herstellen wenn man groß skaliert, automatisiert. Das scheint die EU zu wollen, aber ich befürchte mittlerweile nicht mehr zu können.

    • @Wombat:

      Weil‘s mit höherem Grad an Automatisierung und optimierten Herstellungsverfahren wieder Sinn machen kann. Nur eine Frage, ob die Abnehmer höhere Preise im Vergleich zu Asien ertragen.

      • @Lazlo Panaflex:

        PV-Module werden bereits hochautomatisiert gefertigt, der Lohnkostenanteil ist minimal.

        Bislang wurde hier noch nicht mal geprüft(!), ob China oder USA mit Steuergeld oder anderen verbotenen Hilfen die Europäer aus strategisch wichtigen Märkten drängen wollen.

        Falls ja könnte bei der WTO höhere Importzölle beantragt werden. Mit den Einnahmen könnten dann die Verkaufspreise für alle Module gedrückt werden.