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Schutz des Regenwaldes in BrasilienDie Pflicht des Westens

Niklas Franzen
Kommentar von Niklas Franzen

Der Regenwald wird gerodet, damit die Agrarindustrie billig für den reichen Norden produziert. Auch deshalb muss Europa Brasilien helfen – mit Geld.

Amazonasgipfel in Belém, Brasilien mit Präsident Lula: Wer den Regenwald erhalten möchte, soll dafür auch bezahlen Foto: Ricardo Stuckert/dpa

D er brasilianische Präsident Lula hat sich auf dem Amazonas-Gipfel in ­Belém selbstbewusst präsentiert. Und einige klare Botschaften in Richtung der Indus­trienationen gesendet. Sein Land habe viel zu lange den „untergeordneten Platz des Rohstofflieferanten“ eingenommen, es lasse sich nun nichts mehr vorschreiben.

Bereits bei den Verhandlungen über das EU-Mercosur-Abkommen trat Lula so offensiv auf. Und er hat damit recht: Wenn die reichen Länder es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meinen, müssen sie mit ihren Part­ne­r*in­nen in Südamerika auf Augenhöhe diskutieren.

Sicherlich ist es gut, dass auch Europa auf der Rettung des Regenwaldes besteht. Doch bisweilen stände gerade Europa, das schon vor Jahrhunderten einen Großteil seiner Wälder rodete, ein bisschen mehr Zurückhaltung gut an. Die EU sollte sich die Vorschläge aus Südamerika genau anhören.

Zum Beispiel diesen: Lula pocht auf jährliche Zahlungen der Industrienationen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar, damit Länder wie Brasilien ihre Abholzung reduzieren können. Das wurde bereits auf der Weltklimakonferenz im Jahr 2009 beschlossen. Passiert ist bisher nichts. Auch Kolumbiens Präsident Gustavo Petro drängt auf radikalere Schritte. Er forderte eine Strategie nach dem Vorbild des Marshallplans: Entwicklungsländern sollen im Gegenzug zu Klimaschutzmaßnahmen ihre Auslandsschulden erlassen werden.

Zahlen für den Klimaschutz? Ja, es ist nur logisch, dass die Industrienationen in die Tasche greifen. Denn sie sind die Hauptverursacher der Erderwärmung.

Der Regenwald wird gerodet, um Platz für Landwirtschaft und Viehzucht zu machen. Ein großer Teil der Agrarerzeugnisse und Rohstoffe aus Amazonien geht gen Norden: Millionen Tonnen brasilianisches Soja landen als Kraftfutter in den Mägen europäischer Schweine. Ein großer Teil des in der EU gehandelten Rindfleischs kommt aus dem Mercosur, auch weil die Produktion dort halb so teuer ist wie in Europa. Wir wollen billige Lebensmittel, Südamerika liefert.

Brasilien und andere Staaten werden es aber nicht alleine schaffen. Sie brauchen Unterstützung, denn ihre Ökonomien hängen stark vom Agrobusiness ab.

In Lateinamerika sind allerdings die Erinnerungen an die Yasuní-Debatte wach. Die ecuadorianische Regierung hatte angeboten, auf die Ölförderung in dem Nationalpark zu verzichten, sollte die internationale Gemeinschaft Entschädigung in Höhe von 3,6 Milliarden Dollar zahlen. Nur ein Bruchteil kam zusammen. Die Initiative scheiterte, die Ölbohrung begann. Wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen, darf sich so etwas nicht wiederholen.

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Niklas Franzen
Autor
Niklas Franzen, Jahrgang 1988, ist Journalist und ehemaliger Brasilien-Korrespondent. Im Mai 2022 erschien sein Buch “Brasilien über alles - Bolsonaro und die rechte Revolte” bei Assoziation A.
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14 Kommentare

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  • Definitiv. Wenn wir den Regenwald als Welterbe betrachten, das eine Dienstleistung (Klima und Sauerstoff) erbringt, dann sollten wir auch dafür bezahlen, dass es erhalten bleibt.



    Und gegen Geld mit Brasilien eine schonende Nutzung (z.B. nachhaltige Forstwirtschaft) vereinbaren.

  • "Doch bisweilen stände gerade Europa, das schon vor Jahrhunderten einen Großteil seiner Wälder rodete, ein bisschen mehr Zurückhaltung gut an. Die EU sollte sich die Vorschläge aus Südamerika genau anhören."

    Ich verstehe nicht, was das miteinander zu tun haben soll. Gibt es ein Recht auf Zerstörung der Lebensgrundlagen?



    Wenn diese Länder Geld brauchen, sollten sie sagen, für welche konkreten Maßnahmen, denn nur wer Klimaschutz will, bekommt Klimaschutz.



    Jetzt Geld zu fordern mit Verweis auf den eigenen verletzten Stolz zeigt, dass das eigentliche Problem noch immer nicht realisiert wurde.

    • @Onkel Heinz:

      Es stimmt auch nicht. Ungefähr ein Drittel von Deutschland ist Wald. Tiefstand war im späten Mittelalter mit ca. 25 %.

  • Äh, nein.



    Warum soll, eine Alleinerziehende migrantische Krankenschwester einen Teil ihrer Steuern nach Brasilien überweisen? Sie hat zu dem Problem nichts beigetragen.



    Und die brasilianischen farmer lachen sich scheckig. Erst haben sie mit Gewalt gegen Mensch und Land ihre Interessen durchgesetzt und jetzt zahlen andere. Es hat die keiner gezwungen , billigstes Soja anzubieten.

  • "Die Pflicht des Westens"



    Mit einer Pflicht zu argumentieren ist eher nicht zielführend. Zum einen ist eine solch abstrakte Argumentation immer angreifbar, zum anderen verursachen auferlegte Pflichten immer Abwehrhaltungen und Vermeidungsstrategien.



    In diesem Kontext sollte viel mehr auf das jeweilige (globale) Eigeninteresse aller gezielt werden.

  • Die eigentlichen Verbrecher sind - neben den Endverbrauchern in Ländern des Nordens - die agrarischen Großerzeuger vor Ort. Solange diese Großgrund"besitzer" proaktiv weiter den Wald abholzen können, werden Gelder vermutlich wenig bringen. Wenn also - im Prinzip richtig - die reichen Länder die Länder mit Regenwaldbestand unterstützen, müssen letztere es geregelt bekommen, solchem Unternehmertum den Garaus zu machen. Und irgendwie bezweifle ich, daß das klappt. Denn in deren Hände darf das neue Geld auf keinen Fall kommen.

  • Die einfachere Lösung wäre wohl ein Einfuhrverbot von Holz aus dem Regenwald nach Europa als Blanko-Schecks auszustellen um dann nach ein paar Jahren festzustellen dass kein Cent davon in den Naturschutz gesteckt wurde.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    "Überweist uns mal 100 Mrd., dann schauen wir, was wir machen können." Ich schätze sie haben sehr gelacht.

    So lange solche Gelder nicht vertraglich an konkrete Waldbestände geknüpft sind, vergleichbar etwa einer Pacht, ist es eine rein theoretisch Frage, ob diese tatsächlich zur Eingrenzung von Rodungen führen. Denn die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen dürfte in Brasilien vor allem eine innenpolitische Frage sein. Wenn es dort eine einflussreiche Lobby für Rodungen gibt, nutzen alle Gelder nichts, die Industrienationen an das Land zahlen. Im schlimmsten Falle finanziert man dann irgendwann eine Regierung vom Schlage Bolsonaros damit und kann sich noch nicht mal aus den vertraglichen Zahlungsverpflichtungen zurückziehen, wenn sich Vertragsbrüche der Gegenseite nicht eindeutig nachweisen lassen.

    Am effektivsten könnte ein globaler Emissionshandel sein, der den bloßen Erhalt alter Waldbestände für die Besitzer zu einer lukrativen Einnahmequelle macht.

  • Die Erzählungen, dass der Reiche Norden die Verantwortung trägt, sind mir zu einseitig. Historische Dinge, wie die frühere Waldabholzung (oder CO2-Ausstoß) haben nicht die Bedeutung, die ihnen heute gegeben wird - früher war früher, in einer anderen Welt mit anderen Technologien und Weltsichten. Der CO2-Ausstoß kam auch erstmal der ganzen Welt zu Gute, 80% der heutigen Weltbevölkerung wäre ohne ihn überhaupt nicht am Leben. Es ist auch fraglich, ob einseitig festgelegte Zahlungen an Entwicklungsländer irgendwas bringen. Das ist für mich alles nicht auf Augenhöhe.

    Auf Augenhöhe wäre für mich tatsächlich nicht in Europa einseitig über Standards in Südamerika zu entscheiden - nicht bei Lieferketten, nicht bei Menschenrechten, nicht beim Klima. Da könnte man wirklich mehr zuhören. Auf Augenhöhe ist aber auch nicht ewige Schuldlisten gegen den Norden zu führen - das führt zu nichts, ist meistens auch zu willkürlich.

  • Sinnvoller als ständig Geld zu geben, wäre es hier einen Strafzölle auf Soja und Palmölimporteimporte aus Brasilien in die EU zu erheben.

    Damit würde zwei Dinge dem Klima helfen, der Anbau in Brasilien lohnt sich nicht mehr so stark, damit werden keinen neuen Flächen gerodet und Schweinefleisch in der EU wird teurer also auch da ein Mengenrückgang.

    Aber unsere Regierung verschwendet lieber unser Steuergelder für sinnlose Auslandsprojekte

  • Ein Wink mit dem Baumstamm.



    Richtig. Geld aus dem globalen Norden.



    Dann frage ich jedoch: sollen es Subventionen von Einkommen in Lateinamerika / Abya Yala werden oder eine Ökosteuer, die Fleisch verteuert, weil es eine Form der Veredelung ist.



    Ich denke Verteuerung stoppt nicht die Zerstörung /Übernutzung - egal wo - und Lohnsubventionen wirken unbestimmt.



    Besser wäre: keine solche Fleischproduktion, keine Nutzungen dieser Art des Regenwaldes, und auch kein Rindfleisch aus Argentinien - und in den ganzen Ländern auch andere Berufe, Einkommensquellen, also Verringerung des Agrobusiness, Verringerung des Exports.



    Der Rohstoffextraktivismus ist ja einiges brutaler, als nur Rinderhalten.



    In Ecuador gab es nach der Anklage R Correas 2020 ja noch eine weitere Runde Zusammenstöße mit Kompromiss-Abkommen vor ca. einem Jahr.



    Die Flora-Fauna-Interaktion, das Klima kann man nicht in Geld umrechnen.

  • Geld ist nicht die Lösung sondern das Problem: das fördert nur die Korruption und untergräbt somit die Demokratie. S.a. Afrika.

  • Dass gemeinsam gegen die Regenwaldabholzung vorgegangen wird, ist gut.



    Ich erinnere an die umgehenden Besuche der Regierung in Brasilien und die Freigabe von Geldern zum Schutz des Regenwaldes.



    Jährliche Zahlungen in genannter Höhe sind jedoch fern der Realität.



    Wie soll wo dieses Geld erwirtschaftet werden?



    Eine Zukunft auf Augenhöhe kann Zusammenarbeit bedeuten, nicht Erpressung und Taschengeld in Managerdimensionen .



    Historische Fehlentwicklungen können nicht mit Geld geheilt werden, die Zukunft kann aber gemeinsam gestaltet werden.



    Ich halte Verpflichtungen der Amazonasstaaten als Voraussetzung für Wirtschaftsverträge für zukunftsweisend.



    Wenn Brasilien mit China lieber den Regenwald vernichten will, bitte!



    Auch die BrasilianerInnen werden irgendwann merken, dass der Regenwald endlich ist und sie am Ende nichts mehr in der Hand haben.



    Für Regenwaldrettung könnte man/frau gerne den Kilopreis für Fleisch auf 20€ anheben.



    Macht mir gar nichts. Dann zahlt nämlich der/die VerursacherIn für die Regenwaldzerstörung und den Sojaanbau.



    Warum sollte ein Staat und eine Gesellschaft dieses klimaschädliche Handeln weiter und noch mit zusätzlichen Milliarden finanzieren?

  • Wie wollen sie ausschliessen, dass die Mittel tatsächlich zur Verminderung der Abholzung führen und nicht einfach doppelt kassiert wird ?

    Ja, es gibt Satellitenbilder - aber dann wird halt behauptet das seien illegale Rodungen und der Staat kann da nicht für.

    Denn eines ist klar: Geld stinkt nicht .