Gesetzgebung in Russland: Moskaus Feldzug gegen trans Menschen
Duma-Abgeordnete wollen verhindern, dass Menschen sich mit einer Geschlechtsangleichung der Mobilmachung entziehen. Absurder geht es nicht.
N eulich hat die russische Staatsduma in erster Lesung einem Gesetzentwurf über das Verbot von Geschlechtsangleichung für trans Menschen zugestimmt. Das Verbot betrifft sowohl die Möglichkeit, das Geschlecht im Pass ändern zu lassen, als auch medizinische Eingriffe, die für trans Personen nötig sein können. Ein weiteres repressives Gesetz eines fast totalitären Staates – nichts Ungewöhnliches also? Tatsächlich wurde damit eine neue Stufe der Unmenschlichkeit erreicht.
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Erstens: Es gibt nur wenige trans Personen in Russland. Laut Innenministerium haben zwischen 2016 und 2022 nur 3.050 Menschen ihr Geschlecht im Pass umschreiben lassen. Das sind weniger als 500 im Jahr. Wenn die Abgeordneten mit erhobener Stimme davon sprechen, dass Menschen sich mit einem anderen Geschlecht registrieren lassen, um sich so vor der Mobilmachung zu drücken und nicht in den Krieg in der Ukraine zu müssen, klingt das selbst für Dumaverhältnisse völlig absurd.
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Wegen jährlich 500 Menschen, ernsthaft? Tausende von Männern haben im vergangenen Jahr in nur einem Monat das Land verlassen, um dem Krieg zu entkommen. Ich spreche hier nicht mal darüber, dass es bei trans Personen nicht nur den Übergang von Mann zu Frau, sondern natürlich auch umgekehrt gibt. Aber das haben die Abgeordneten wohl vergessen – oder wussten es nicht.
Zweitens: Die Gruppe dieser Menschen ist nicht nur klein, sie ist auch weitgehend unpolitisch. Das Leben von trans Menschen in Russland war schon vor diesem Verbot extrem schwierig. Das reicht von genereller Stigmatisierung über Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche bis zu allen daraus resultierenden seelischen Problemen. Sie sind bereits mit der Bewältigung ihres komplizierten Lebens beschäftigt und haben keine Zeit für Politik. Die Repressionen sind daher nicht nur absurd, sondern auch politisch sinnlos.
ist Chef-Redakteurin beim Portal „Takie dela“ (Russland) und Autorin der Bücher „So sprechen wir. Verletzende Wörte und wie man sie vermeidet“ und „Poetik des Feminismus“ Seit März 2022 lebt sie in Riga (Lettland).
Und drittens: Hier werden Menschen nicht für das bestraft, was sie tun, sondern dafür, wer sie sind. Das ist das Allerschlimmste. Selbst die brutalsten Gesetze gegen Oppositionelle sind immer Gesetze gegen Taten oder Worte, die sich gegen das Regime richten. Das Gesetz gegen trans Personen ist eine Maßnahme gegen eine bestimmte Gruppe Menschen.
Russische trans Aktivisten schlagen nun Alarm. Eine Randgruppe, die man ignoriert oder höchstens als eine Art von Freaks betrachtet, die auf irgendwelche Trends und Moden aus dem „verrottenden Gayropa“ hereingefallen sind? An eben diese kleine Gruppe legt der Staat neue, unmenschliche Maßstäbe an – die man dann auf die nächste Gruppe überträgt, die schon etwas größer ist, und so weiter. So arbeitet der Repressionsapparat: Schritt für Schritt, um Appetit auf mehr zu machen. Solange, bis niemand mehr dagegen protestiert.
Aus dem Russischen von Gaby Coldewey
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