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Wissenschaftler über Solar-Zeppeline„Nachhaltiges Fliegen ist möglich“

Luftschiffe mit Solar-Antrieb könnten das Reisen revolutionieren. Der Informatiker Christoph Pflaum berechnet optimale Technologien und Routen.

Ausgerechnet die Hindenburg dient als Datenbasis. Hier ein Zeppelin der US-Marine Foto: Polaris/laif
Interview von Morgane Llanque

wochentaz: Herr Pflaum, Sie haben mit Ihrem Team die optimale Flugroute und den idealen Antrieb eines Solarluftschiffes berechnet, das es in dieser Form noch gar nicht gibt. Warum?

Christoph Pflaum: Weil es unsere beste Hoffnung für nachhaltige Luftreisen ist. In ganz vielen Bereichen wissen wir, dass wir klimafreundliche Technik haben könnten, wenn wir denn wollten. Beim Hausbau, beim Auto. Irgendwie haben wir überall rausgekriegt, wie das geht – außer beim Fliegen. Wir haben per numerischer Computersimulation berechnet, ob ein Passagierflug eines Zeppelins von London nach New York möglich wäre, ohne schädliche Emissionen auszustoßen. Und haben bewiesen, dass das sehr wohl möglich ist.

Wie denn?

Unser digitaler Zeppelin-Prototyp ist mit sehr dünnen und leichten Solarzellen ausgekleidet, die das Schiff während des Flugs mit Energie versorgen können. Statt mit Wasserstoff ist es mit Helium gefüllt, das nicht brennbar ist. Als zusätzlichen Antrieb hat es eine nachhaltige Lithium-Ionen-Batterie. Klar, vor dem Starten müsste man die aufladen. Aber dafür braucht man nicht viel Strom, das CO2-Äquivalent würde immer noch weniger als 2 Prozent von dem eines Flugzeugs betragen. Das ist unschlagbar und zeigt: Nachhaltige Flugreisen sind möglich. Ausgerechnet haben wir Flugroute und Antrieb des Luftschiffs übrigens auf der Basis der Daten und Maße der Hindenburg.

Bild: privat
Im Interview: Christoph Pflaum

ist Informatikprofessor an der FAU Erlangen-Nürnberg und spezialisiert auf numerische Simulation.

Ausgerechnet die Hindenburg!

Ja, sie ist das am besten erforschte Luftschiff der Geschichte. Die Ingenieure haben schon damals aufgrund des gewaltigen öffentlichen Interesses die Baupläne veröffentlicht, Generationen haben an einer Verbesserung dieser Konstruktion geforscht, weil so eine große Faszination von der Hindenburg ausging. All das macht sie zur perfekten Forschungsgrundlage.

War es nicht gerade dieses berühmteste aller Luftschiffe, das den Zeppelinen ihren schlechten Ruf eingebrockt hat?

Das ist leider wahr. Göring ließ alle Luftschiffe der deutschen Wehrmacht zerstören, nachdem die Hindenburg in Flammen aufgegangen war. Die traurige Wahrheit ist: An Technik wird vor allem geforscht, wenn es ein militärisches Interesse daran gibt. Nachdem dieses Interesse durch den Brand von 1937 erlosch, gab es kaum noch Forschung an sicheren, modernen Luftschiffen. Aber das ändert sich derzeit. Luftschiffe werden wieder mehr und mehr gebaut.

Von wem? Und vor allem: zu welchem Zweck?

Die kalifornische, von einem Google-Mitgründer finanzierte Firma Lighter Than Air hat bereits den 122 Meter langen Zeppelin Pathfinder 1 fertiggestellt. Er soll unter anderem für Einsätze bei humanitären Katastrophen, aber auch für den Cargo-Transport dienen. Pathfinder ist noch nicht mit Solarzellen ausgerüstet, er soll langfristig mit Wasserstoff und Brennstoffzelle fliegen. Das Gerüst besteht nicht wie die originale Hindenburg aus Aluminium, sondern aus Carbonfasern: ein sehr leichtes, aber gleichzeitig unheimlich stabiles Material. Diesen Sommer soll der erste Testflug unter freiem Himmel stattfinden. Das britische Unternehmen Hybrid Air Vehicles (HAV) hat Hy­brid-Luftschiffe entwickelt, die so wie unser Forschungs-Prototyp mit Helium als Auftriebsgas fliegen sollen. In Deutschland fliegen Zeppeline der Firma Zeppelin Luftschifftechnik bereits im touristischen Sektor. Wir organisieren gerade eine internationale Tagung für moderne Luftschifftechnik, für den September 2023 in Nürnberg, die all dieses Wissen zusammenbringen soll.

Es gab in Deutschland im Jahr 2000 schon einmal jemanden, der Zeppeline zurückbringen wollte, nämlich das Berliner Unternehmen Cargolifter. Ein paar Jahre später ging es pleite. Heute planschen dort Tou­ris­t:in­nen im Freizeitpark Tropical Islands.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Cargolifter scheiterte damals vor allem an der Finanzierung. Aber das Unternehmen hat durchaus wichtige Pionierarbeit geleistet. Zum Beispiel hat es damals auch mit dem von der Universität Stuttgart entwickelten Luftschiff Lotte gearbeitet und daran geforscht – ein funktionstüchtiges Solarluftschiff, das mehrere Einsätze flog! Allerdings waren Solarzellen damals noch unheimlich schwer. Heute könnte man ein viel größeres Luftschiff mit Hilfe von Solarenergie fliegen lassen. Das, woran wir als nächstes forschen müssen, ist ein gutes Kühlungssystem für ein solches Luftschiff. Denn die historischen Zeppeline waren aus hellem Stoff – mit Solarzellen ausgestattet würde ein solches Luftschiff sich natürlich kontinuierlich erhitzen, statt die Sonne zu reflektieren.

Ist ein Solarluftschiff, wie Sie es berechnet haben, also immer noch eine reine Utopie?

Absolut nicht, es gibt sie bereits in kleiner Form!

Wirklich?

Die britische Firma Avealto hat im vergangenen Jahr durch Solarzellen betriebene Blimps in Betrieb genommen. Das sind kleine Zeppeline, die in sehr großer Höhe fliegen. Die haben sie über Inseln in Tansania fliegen lassen, um den Menschen, die dort in Abgeschiedenheit leben, Internetempfang zu ermöglichen. Die funktionieren wie schwebende Funktürme. Auch diese Luftschiffe werden bereits mit Helium befüllt.

Ist Helium denn nachhaltig? Es ist ein Abfallprodukt der Erdgasförderung …

… und damit sagen Sie es bereits, es ist ein Abfallprodukt. Die Erdgasindustrie wird nicht über Nacht sterben, bis dahin könnte das so gewonnene Helium sinnvoll verwendet werden. Das Hauptproblem ist eher: Helium ist sehr, sehr teuer. Da muss man für eine Füllung mit Kosten im 6- bis 9-stelligen Bereich rechnen. Allerdings verliert ein moderner Zeppelin, sobald er einmal befüllt ist, kaum Helium. Man müsste das Geld also nur einmal investieren. Eine Alternative wäre, Wasserstoff mit Helium zu mischen: Eine solche Melange wäre wenig oder gar nicht entzündlich. Das war übrigens auch der ursprüngliche Plan für den Bau der Hindenburg. Doch natürlich befinden wir uns bei der Produktion von grünem Wasserstoff gerade erst in den Kinderschuhen.

Auch Wasserstoff ist noch sehr teuer. Ein Fluggast der Zukunft, der mit einem Elektro-Zeppelin von London nach New York reisen will, wird also für sein Ticket gut und gerne ein paar Tausender zahlen müssen?

Für Menschen, die ein paar Reisetage mehr in Kauf nehmen wollen, wird es eine sehr schöne Art sein, zu reisen.

In der Tat. So ist das immer am Anfang von neuen Technologien. Denken Sie nur daran, wie unbezahlbar ein Tesla noch vor wenigen Jahren war. Mit fortlaufender Forschung gehe ich aber eher davon aus, dass Elektromobilität immer billiger werden wird. Elektrozeppeline haben darüber hinaus Vorteile in der Konstruktion gegenüber herkömmlichen Flugzeugen. Sie haben einen sehr einfach aufgebauten Korpus, im Prinzip wie ein Ballon, der kaum gewartet werden muss.

Wie steht es um den Reisekomfort? Die Zeppeline von damals waren sehr luxuriöse Vehikel. Heute sind Flugreisen für langbeinige Menschen oft ein Alptraum.

Absolut. Die Zeppeline, die derzeit fliegen, sind alle im Namen des Luxustourismus unterwegs und haben großzügige Kabinen. Aber auch erschwingliche Luftschiffe werden viel mehr Platz für Passagiere bieten als jedes Flugzeug, das liegt schlicht an der Beschaffenheit ihrer Konstruktion und ihrem großen Korpus. Nach unseren Berechnungen würde ein Zeppelinflug nach New York drei Tage dauern, die Rückreise zwei. Für diejenigen, die für einen umweltfreundlichen Urlaub auch ein paar Tage Reisezeit länger in Kauf nehmen wollen, wird es eine sehr schöne Art sein, zu reisen.

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Statt Brandenburger Cargolifter samt Hangar ham wir jetz n überdimensioniertes Plantschbecken. Zukunft ? de.wikipedia.org/wiki/Cargolifter_AG

    PS: Zeppelin und Pralluftschiff (Foto) sind zwei sehr verschiedene Dinge ... de.wikipedia.org/wiki/Zeppelin

  • Ich verstehe die Faszination und dieses Brennen für Ideen, für die Neugierde, Unbekanntes zu erforschen oder Altes wiederzuentdecken und die Sehnsucht nach neuen oder "beste Hoffnungen". Womit ich Schwierigkeiten habe, ist die Realitätsferne von Ideen, die mit gerade aktuellen Umschreibungen (nachhaltig, umwelt- klimafreundlich etc.) Illusionen wecken, die notwendigen Veränderungen eher im Wege stehen. Es gibt einen Unterschied zwischen interessant und relevant. Zwischen Wirklichkeit und Computersimulationen.



    Ist es wichtig zu wissen, ob jemand mit langen Beinen auch genug Platz in einem "Solarluftschiff" haben wird, für das nur eine theoretische Flugroute und theoretische Antriebsmöglichkeiten in Computermodellen berechnet wurden? Wer schon mal in einem Flugzeug mit 500 Passagieren gesessen hat, kennt das Problem.



    Und wer einen "umweltfreundlichen Urlaub" machen will, braucht in einem Solarluftschiff (Hindenburg: 97 Passagiere) "absolut" nicht auf Komfort zu verzichten. Faszinierend! Da existiert etwas in Computermodellen und schon beginnt das Marketing für die "beste Hoffnung für nachhaltige Luftreisen".



    PS: Bis zum Start des ersten "Solarluftschiffs" empfehle ich, nachhaltig, besser dauerhaft, auf Flugreisen zu verzichten oder, falls das nicht möglich ist, real existierende Kompressionsstrümpfe zu tragen.

    • @Drabiniok Dieter:

      Wenn man schon auf die Hindenburg Bezug nimmt, hier ein Auszug aus dem Wikipedia-Artikel:



      "Von der Inbetriebnahme am 4. März 1936 bis zum Unglück am 6. Mai 1937 legte LZ 129 „Hindenburg“ etwa 337.000 Kilometer während 63 Fahrten zurück.

      Die längste Fahrt des Luftschiffs fand vom 21. bis zum 25. Oktober 1936 von Frankfurt am Main nach Rio de Janeiro statt. Die zurückgelegte Strecke betrug 11.278 km bei einer Fahrzeit von 111,41 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 101,8 km/h. Die schnellste Fahrt führte vom 10. bis 11. August 1936 von Lakehurst nach Frankfurt. Dabei wurde eine Strecke von 6732 km in 43,02 Stunden zurückgelegt. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 157 km/h. Verantwortlich dafür waren günstige Winde."



      Mit modernen Verkehrsflugzeugen kann man nicht mithalten, doch gegenüber dem Autoverkehr ist man nicht langsamer. Zudem fährt kaum ein Auto nach Mallorca. Trotz Tunnel wären Reisen nach London per Zeppelin angenehmer.

      • @mdarge:

        Ich will Ihnen doch gar nicht Ihre Hoffnungen und Illusionen nehmen. Vergessen Sie Klimawandel und Wetterextreme. Das belastet nur den Alltag und schmälert die Vorfreude auf die Reise in einem Luftschiff nach Malle oder London.

  • Schon immer sind die Blimps mit LEDs für die nächtliche Beleuchtung geflogen. Wo ist das Problem? Autos bieten nur ca. 3m^2 Fläche, was für 6 kW Betriebsstrom reicht. Luftschiffe haben eine riesige Oberfläche, da kommt einiges an Energie zusammen. Auch wenn die nicht elektrisch Fliegen, Rundflüge sind schon möglich.



    zeppelinflug.de/de...-ab-essen/muelheim

  • Ach ?



    Nein !



    Ehrlich ?

    Luftschiffe ?



    Diese Dinger, die ganz ohne Energieverbrauch am Himmel schweben?

    Nicht zu fassen, was die Wissenschaft so rausfindet !

    Das Ganze hat nur ein winziges Häkchen:



    Man kommt kaum in 90 Minuten von Hamburg nach München.

    Und man kann doch nicht verlangen, dass die Leistungsträger unserer Gesellschaft, die Helden des Kapitals, die Lichtgestalten von Managern die dieses Land am Laufen halten tagelang am Himmel rumgondeln, oder ?

    • @Bolzkopf:

      Ginge wohl weniger um's Ersatzfliegen als um's Ersatzreisen, das ist ja eher die Zeitdimension der Queen Mary 2 oder auch Kreuzfahrten und das machen auch noch viele. Die Nachfrage wird bleiben, vielleicht kann es mal eine Ergänzung sein, aber sofern sich die Passagiere die Zeit einmal mit immersiven VR-Games vertreiben wollen, müssen doch wieder Batterien mit; die Schiffe werden auch nicht mehr schmutziger und bieten ganz anderes Ambiente, Raum und Annehmlichkeiten. Solche Plattformen könnten sich andererseits mal als sehr praktisch erweisen für bestimmte Ansätze des Climate Engineerings, also wenn's dann nicht mehr anders geht. Oder, wenn man's zynisch mag, damit die "richtigen" Jets am Himmel bleiben können. Müssten eine bestimmte Flughöhe erreichen und halten können und sich fernsteuern lassen, gibt aber eigentlich längst die Technik dafür. Leider nicht viel mehr, jedenfalls nicht öffentlich.

    • @Bolzkopf:

      Wenn die CO2-Preise erstmal in einem Bereich sind, der die tatsächlichen Kosten dieses Ausstoßes realistisch widerspiegelt, dürfte der Zeppelin durchaus die erschwinglichere Alternative zu reisen sein.



      Und für Firmen stellt sich umso mehr die Frage, ob die Reise wirklich notwendig ist, oder eine Videokonferenz es auch tut.

      • @Herma Huhn:

        Ich fürchte sie verkennen die Lage.

        Je teurer das Fliegen wird, desto lieber sonnen sich die Habenden im Glanz der Tragflächen.



        Denn man zeigt gerne was man ist und was man hat.

        • @Bolzkopf:

          "Je teurer das Fliegen wird, desto lieber sonnen sich die Habenden im Glanz der Tragflächen."

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          Das Problem ist ja auch nicht der First-Class-Flieger sondern die Masse in der Economy Class. Wenn die sich das fliegen nicht mehr leisten kann ist dem Klima effektiv geholfen. Schon interessant wie wir unsere Gesellschaft im Namen des Klimas transferieren.