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Zunehmende Gewalt in PartnerschaftenNach der Tat ist es zu spät

Ariane Lemme
Kommentar von Ariane Lemme

Klar braucht es mehr Frauenhäuser und Antigewalttrainings. Vor allem braucht es ein gesellschaftliches Umdenken über die Bedeutung von Männlichkeit.

Die Idee, dass ihnen Frauen „zustehen“ muss aus den Köpfen der Männer verschwinden Foto: Foto: Annette Riedl/dpa

A lle paar Monate mehr oder weniger dieselbe Meldung: Fälle häuslicher Gewalt nehmen zu. Diesmal um 9,4 Prozent. Eine Zeit lang war die Pandemie schuld. Die ist vorbei, doch die Gewalt nicht. Im Bereich der Vergewaltigung, sexueller Nötigung und bei sexuellen Übergriffen sind die Fallzahlen im vergangenen Jahr den Angaben zufolge sogar um 20 Prozent gestiegen.

Natürlich wird mit jeder Erhebung irgendwas gefordert, mehr Geld, mehr Plätze in Frauenhäusern, Beratungsstellen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Es gibt das Hilfetelefon: (erreichbar unter 116016). Es ist nicht so, dass nichts davon umgesetzt würde. Nur ändern tut sich nichts. Die Täter: fast ausschließlich Männer. Partner oder Ex-Partner. Die Opfer: fast immer Frauen.

Was wäre los im Land, wenn jeden verdammten Tag 432 Männer von ihren Part­ne­r:in­nen gedemütigt und verprügelt würden? Natürlich ist die Frage obsolet. Es passiert Frauen und nicht Männern, weil Männer nicht nur physisch, sondern strukturell mehr Macht haben. Nicht nur finanziell, weil sie immer noch zu oft Haupt- oder Alleinverdiener in der Beziehung sind. Nicht nur, weil das Recht des Vaters auf seine Kinder vorm Familiengericht oft schwerer wiegt als Gewalt­schutz für Mutter und Kind.

Sondern am Ende auch, weil die Idee vom „starken Mann“ noch immer in den Köpfen ist. Auch wenn die jüngste Befragung zum Rollenverständnis junger Männer lückenhaft war – das Problem besteht: Solange die Gesellschaft von Männern Dominanz, Stärke, Durchsetzungskraft erwartet, wird es Männer geben, die sie mit Gewalt einfordern – von Frauen.

Deshalb hilft es wenig, wenn Nancy Faeser sagt, „keine Frau dürfe sich schämen, Gewalttäter anzuzeigen“. Die Frage ist, ob Scham der Grund ist, wenn Frauen Torturen ertragen. Niemand, der nicht selbst häusliche Gewalt erlebt hat, kann die Angst und auch innere Abhängigkeit nachvollziehen.

Deshalb braucht es natürlich mehr Frauenhäuser, finanzielle Unterstützung für Alleinerziehende und Antigewalttrainings für Männer. Doch vor alldem braucht es ein gesellschaftliches Umdenken über die Bedeutung von Männlichkeit. Das muss schon in den Kitas und Schulen beginnen. Wenn Männer erst zu Tätern geworden sind, ist es zu spät.

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Ariane Lemme
Redakteurin
schreibt vor allem zu den Themen Nahost, Antisemitismus, Gesellschaft und Soziales
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23 Kommentare

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  • Und noch eine Unterfinanzierung: Jugendämter und Kinderschutzeinrichtungen...

  • ES gibt in Deutschland tausende von geflüchteten Frauen aus Syrien, etc, die von häuslicher Gewalt bedroht sind und die sofort in Sicherheit (FRauenhaus) gebracht werden müssten. Das gilt auch für Frauen aus Rumänien, die von häuslicher Gewalt bedroht sind.



    Tatsächlich ist es aber so, dass sehr viele dieser Frauen noch nicht einmal die Möglichkeit kennen, sich in ein Frauenhaus zu retten. Das kann es ja wohl nicht sein. Aber die Politik wartet lieber, bis aus der Gefahr vor häuslicher Gewalt Straftaten und Opfer werden und steckt diese Frauen lieber in Lager, wo sie gänzlich schutzlos sind.

  • Zitat:



    "Die Täter: fast ausschließlich Männer. Partner oder Ex-Partner. Die Opfer: fast immer Frauen."



    " Es passiert Frauen und nicht Männern"

    20% der Opfer von häuslicher Gewalt sind Männer und die getroffenen Aussagen in diesem Artikel verzerren die Realität. Anstatt einen Kampf gegen die häusliche Gewalt im Allgemeinen zu führen, wird nur die männliche Gewalt verwiesen. Leider sehr einseitig....

    • @Puky:

      Bei dieser Idee wird davon ausgegangen, dass es nur Hetero-Beziehungen gibt. Eine kleine Recherche zur häuslichen Gewaltopfern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften hilft hier weiter. Frauen sind nicht in 20% der Fälle Täterinnen; strukturell bleibt partnerschaftliche Gewalt ein Phänomen patriarchaler Männer.

    • @Puky:

      "20% der Opfer von häuslicher Gewalt sind Männer..."

      Dann sind 80% was?

  • Muss nicht auch schon viel früher begonnen werden, Mädchen und ihr Selbstbewußtsein zu stärken?

  • Frauen können also echt keine Täterin sein und Männer keine Opfer ? da hab ich schon anderes gehört aber he ok sind wir wohl wieder in den 70ern angelangt im Diskurs.

    • @echobravo:

      "fast ausschließlich" nicht "ausschließlich".

      Wie heißt es so schön.

      Ausnahmen bestätigen die Regel. ;-)

  • Wie wahr.

    Und doch -- ist nicht auch die unterfinanzierung der Frauenhäuser in einer Gesellschaft, die geradezu in Reichtum ersäuft, auch ein Zeichen dafür, dass dieses so notwendige Umdenken nicht stattfindet?

    Wir sollten uns was schämen.

  • Auch wenn die jüngste Befragung zum Rollenverständnis junger Männer lückenhaft war – das Problem besteht: Solange die Gesellschaft von Männern Dominanz, Stärke, Durchsetzungskraft erwartet, wird es Männer geben, die sie mit Gewalt einfordern – von Frauen.

    Die Rollenbilder sind spezifisch und die Probleme ungleich verteilt unter den Männern. Zwei Drittel aller Frauen in deutschen Frauenhäusern haben einen Migrationshintergrund. ec.europa.eu/migra...%20Kinder%20lebten. Wen von spezifischen Rollenbilder nicht geredet wird, dann sind die Bestrebungen zum nachhaltigen Schutz von Frauen zum scheitern verurteilt.

    • @Rudolf Fissner:

      Möglicherweise haben nicht-migrantische Frauen auch mehr Möglichkeiten, anderweitig unterzukommen. Meine Mutter zum Beispiel ist mit uns Kindern nach dem Mordversuch durch ihren 2. Mann für einige Monate zu einer Mutter eines Schulkameraden meines kleinen Bruders gezogen. Der beinahe erfolgreiche Täter war und ist Bio-Deutscher und gebürtiger Düsseldorfer.



      Ständig auf Migranten zu verweisen sieht mir nach üblen Scheuklappen im eigenen Lager aus.

      • @Tetra Mint:

        Und wie alt sind Sie?

        Es hat sich nämlich bei den Biodeutschen unheimlich viel getan.

        Zwei Drittel Migrationshintergründlerinnen heißt außerdem immer noch, dass Biodeutsche übrig bleiben, selbst wenn sie die in Deutschland geborenen Migrationshintergründlerinnen noch zusätzlich abziehen.

        Wenn die Zahlen so ungleich verteilt sind, koommt man mit dem Gießkannenprinzip nicht weiter

        Da muss dann zielgruppenadäquat rangegangen werden.

      • @Tetra Mint:

        Die These von ihnen würde bedeuten dass Kartoffeln und Menschen mit Migrationshintergrund weniger solidarisch schutzsuchenden Frauen mit Migrationshintergrund gegenüber sind.

        Auch das aber würde bedeuten, dass es spezifische Herangehensweisen geben muss.

        Vor allem aber bedeutet es auch, dass der Schutz von Frauen mit Migrationshintergrund stärker in den Vordergrund gestellt werden muss.

    • @Rudolf Fissner:

      Es gibt auch psychische Gewalt gegen Männer, auf dem Arbeitsplatz nämlich wie ich aus eigener leidvollen Erfahrung weiß. Auch hier bestand eine finanzielle Abhängigkeit.

    • @Rudolf Fissner:

      Was will denn unser Delinquent vonne Weser - aus gefühlt Bremen Nord - mal wieder wem genau - stikum ins Schuhwerk 👞👠👡👟👢👢🩰🩴🛼🥾⛸️ schieben.



      “Zum Scheitern verurteilt“ - wa.

      • @Lowandorder:

        1/4 der Frauen in DE sind Frauen mit Migrationshintergrund ( www.bamf.de/Shared...en.html?nn=282388# ) In Frauenhäuser machen Sie aber 2/3 der Frauen aus.

        Jetzt zählen Sie mal 1 + 1 zusammen und versuchen herauszufinden, wo Handlungsbedarf beim Schutz von Frauen besteht.

        Wenn das Thema für Sie als Männchen nur ein Ding ist, bei dem es darum geht jemanden Schuld in die Schuhe schieben, dann müssen Sie das mit ihrer Skatrunde ausmachen.

        • @Rudolf Fissner:

          Wußt ich’s doch schon immer -



          DEUTSCHE MÄNNER SIND DIE BESSEREN MENSCHEN -



          NICHT NUR IN HB-VEGESACK •

          • @Lowandorder:

            Dass Sie die dicksten Kartoffeln haben, den Unsinn können Sie gerne verbreiten, nicht nur in ihrem Lieblingsstadtteil Vegesack.

      • @Lowandorder:

        ...vorne Weser - is ja fast bei unserer Haaren...& Hunte - fast nur gute Leutz hier inner Jegend...laaaach

    • @Rudolf Fissner:

      Der erste Absatz ist ein Zitat.

      • @Rudolf Fissner:

        ...Quelle... ? 😉🤣

        • @Alex_der_Wunderer:

          Haben Sie den Artike nicht gelesen?

          Das Zitat stammt aus dem 4. Absatz. ;-)