Umweltaktivist über Erdbeeranbau in Spanien: „Eine Katastrophe für ganz Europa“
Die Erdbeerplantagen rund um den Nationalpark Doñana schaden der Umwelt, sagt Juan Romero. Er empfiehlt Bio-Ware.
taz: Herr Romero, essen wir mehr Import-Erdbeeren, als die Umwelt verträgt?
Juan Romero: Ganz sicher. Rund 80 Prozent der Erdbeeren, die in der Provinz Huelva rund um den Nationalpark von Doñana angebaut werden, gehen in den Export. Fast alle Erdbeeren, die von Februar bis April in Europa verkauft werden, kommen von hier. Das sind mehr als eine Million Tonnen Erdbeeren. Der Umsatz beläuft sich auf 1,35 Milliarden Euro. Rund um den Nationalpark werden auf 10.000 Hektar Erdbeeren angebaut. Etwas weiter weg sind es weitere 1.000 Hektar. Hinzu kommen um 1.640 Hektar illegaler Anbauflächen, die jetzt legalisiert werden sollen.
Welche Auswirkungen hat das auf den Nationalpark?
Das beeinträchtigt das Grundwasser und schadet den geschützten Bereichen des Doñana-Feuchtgebietes und natürlich der Tier- und Pflanzenwelt. Die Plantagen unter Folienzelten werden mit Grundwasser aus Brunnen bewässert. Keiner weiß zu sagen – auch die Behörden nicht – wie viele Brunnen es letztendlich sind, aber sicher über 1.000 illegale Brunnen. Viele von ihnen sind irgendwo in den Hügeln versteckt.
Huelva war nicht immer Anbaugebiet für Beeren, oder?
Nein, in Huelva gab es keine Erdbeeren. Hier herrschte die Trockenlandwirtschaft vor – Weinanbau, Oliven und Getreide … Das änderte sich vor rund 30 Jahren, als ein amerikanischer Investor begann, Erdbeeren anzubauen und damit sehr erfolgreich war. Die Folge war ein völlig unkontrollierter Boom an Erdbeerplantagen. Überall wurden private und auch öffentliche Waldgrundstücke mit Fichten und Steineichen gerodet. Diese Wälder waren eigentlich geschützt.
Illegale Rodungen und Brunnen, Besetzung öffentlicher Flächen … niemand schritt ein?
Die Erdbeeren sind ein so lukratives Geschäft, dass die Behörden von ganz oben bis hinunter auf Gemeindeebene einfach wegschauten. Es gibt kaum noch Gemeindeland, das nicht zum Erdbeerfeld wurde. Hier sind alle mit schuld, die einen, weil sie es taten, die anderen, weil sie es duldeten.
Sie haben den ganzen Prozess im Beirat des Nationalparks miterlebt?
Ja, das betrifft in etwa genau die Zeit, die ich dem Rat angehöre. Der Nationalpark besteht seit 1969 und wird von einem eigenen Gesetz geschützt. Darin ist ausdrücklich vom Grundwasser und Oberflächenwasser die Rede. Doch dieses Gesetz wurde nie respektiert. 2003 wurde dann die Landwirtschaft ringsherum geregelt. 10.000 Hektar wurden legalisiert. Jetzt will die konservative Regierung mit einem neuen Gesetz auch die 1.640 Hektar, die danach entstanden, in den Bewässerungsplan aufnehmen.
Wie stark ist der Grundwasserspiegel abgesunken?
Seit 1986 zeigen offizielle Studien, dass der Grundwasserspiegel sinkt. Das Grundwasser ist überall um mehrere Meter zurückgegangen; am schlimmsten in einer Art Trichter, einem Gebiet, das rund 10 Kilometer lang und um die 2 Kilometer breit ist. Dort sind es zwischen 10 und 15 Meter. Die „Augen von Doñana“ – eine Reihe von Lagunen im Herzen des Parks, an denen das Grundwasser an die Oberfläche trat – sind mittlerweile trocken. Fast das gesamte Feuchtgebiet hat seit vier Jahren so gut wie kein Wasser mehr. 3.000 Lagunen sind vollständig ausgetrocknet, darunter auch solche, die immer Wasser hatten. Doñana wird zur Wüste. In den 1990er Jahren ließ die andalusische Regionalregierung mit EU-Geldern einen Plan für eine nachhaltige Entwicklung ausarbeiten. Wirklich umgesetzt wurde dieser nie. Die Landwirtschaft hat das Grundwasser zudem mit Pflanzenschutzmitteln verseucht, darunter solche, die eigentlich verboten sind.
Was bedeutet das für die Fauna?
Die allermeisten Zugvögel, die in Nordeuropa den Sommer verbringen und dort brüten, nutzen Doñana auf ihrem Weg gen Süden, nach Afrika. Als Doñana Wasser hatte, versammelten sich hier bis zu eine halbe Million Wasservögel. Dieses Jahr waren es gerade einmal 70.000 bis 80.000. Von den 60.000 Gänsen, die üblicherweise hier Rast machen, kamen gerade einmal 2.000. 70 Prozent dessen, was es an Artenvielfalt in Europa gibt, kommt auch in Doñana vor oder besser gesagt, kam vor. Doñana hat allen Schutz, national wie international, den ein Gebiet haben kann, bis hin zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und gleichzeitig ist es das Gebiet, wo am meisten gegen Auflagen verstoßen wird. Was in Doñana geschieht, ist eine Katastrophe für ganz Europa.
Wie kann das Feuchtgebiet gerettet werden?
Das wird schwierig. Die Plantagen, die zu nahe am Park sind, müssen umgelegt werden, und das gesamte Gebiet muss auf Bioanbau umgestellt werden. Wir müssen für die Familien, die vom Anbau leben, eine Lösung finden. Wenn das nicht gelingt, enden sie bei der extremen Rechten. Das Gesetz, das jetzt die 1.650 Hektar legalisieren soll, ist dem Streit der regierenden Konservativen und der rechtsradikalen VOX um die Stimmen auf dem Land zu verdanken. Bis vor wenigen Jahren regierte in den Gemeinden rund um Doñana die Sozialdemokratie. Jetzt ist die extreme Rechte im Aufschwung, die den Klimawandel leugnet und alles, was mit Umwelt zu tun hat.
64, sitzt für die Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción seit nunmehr 30 Jahren im Beirat des Doñana-Nationalparkes. Er hat hautnah miterlebt, wie das Feuchtgebiet in Südspanien Opfer des Erdbeeranbaus wurde.
Kommen wir zurück zu den europäischen Verbrauchern. Was können wir tun?
Wer Erdbeeren konsumieren will, der soll darauf schauen, dass sie aus Bioanbau kommen. Die Supermärkte müssen dafür sorgen, dass ausgewiesen wird, wo die Erdbeeren herkommen und wie sie angebaut werden, dass die Flächen legal sind.
Aber auch Bioerdbeeren und legale Plantagen brauchen Wasser und sind damit Teil des Problems.
Wenn wir einen generellen Boykott ausrufen, schaden wir auch denen, die verantwortungsvoll mit den Ressourcen umgehen. Die brauchen wir als Verbündete. In Doñana gibt es Grundwasser, das genutzt werden kann. Rund ein Drittel dessen, was derzeit entnommen wird, wäre außer in besonders trockenen Jahren verträglich. Aber es müssen sehr viele Brunnen für immer geschlossen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies