Baerbock im UN-Menschenrechtsrat: Straffes Programm in Genf

Die Außenministerin wirbt im UN-Menschenrechtsrat für Allianzen gegen Russland. Die Vereinten Nationen seien mehr als der „blockierte Sicherheitsrat“.

Annalena Baerbock spricht auf der Konferenz in Genf

Oberste Diplomatin: Außenministerin Baerbock am Montag beim Treffen des Menschenrechtsrates in Genf Foto: Britta Pedersen/dpa

GENF taz | Als Feindbild steht Annalena Baerbock hoch im Kurs: Die grüne Außenministerin rede sich in einen „Kriegsrausch“, sagte CSU-Chef Markus Söder beim Politischen Aschermittwoch. „Baerbock muss weg“, riefen russlandaffine De­mons­tran­t*in­nen am Wochenende vor dem Brandenburger Tor. Und schon vor Monaten forderte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: Als oberste Diplomatin müsse sie endlich mehr Diplomatie betreiben.

Wie eine Antwort auf die Vorwürfe wirken Baerbocks Reiseaktivitäten dieser Tage: Erst am Freitag kehrte sie aus New York zurück, wo sie für eine UN-Resolution warb, die den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt. Am Montagmorgen hob sie schon wieder aus Berlin in Richtung Vereinte Nationen ab. Diesmal ist das Ziel deren zweiter Sitz in Genf.

Das Programm ist straff: Auf einer Geberkonferenz für den Jemen sagt sie neue Hilfen aus Deutschland zu. Zuvor spricht sie vor dem Menschenrechtsrat und der Genfer Abrüstungskonferenz. Ein Signal der Unterstützung für UNO und Völkerrecht soll dieser Kurztrip sein: Die Vereinten Nationen seien „weit mehr als der blockierte Sicherheitsrat“, sagt Baerbock.

Das stimmt einerseits, ist andererseits aber nicht die ganze Wahrheit: Nicht nur der Sicherheitsrat tut sich durch die Konkurrenz der Großmächte schwer, auch manch anderes UN-Organ ist seit Jahren lahmgelegt. Das gilt auch für das erste Gremium, vor dem Baerbock am Mittag spricht: Die Abrüstungskonferenz, 1978 einberufen und seitdem ständig tagend, muss all ihre Beschlüsse einstimmig fassen – und hat deshalb schon seit einem Vierteljahrhundert gar nichts mehr entschieden.

Es geht daher auch nicht um Resolutionen, als die deutsche Außenministerium am Montag vor das Gremium tritt – sondern eher um ein Statement. Wie zuvor schon in New York zeigt sie, worin Diplomatie für sie im Kontext des Ukrainekrieges vor allem besteht: Bündnisse gegen Moskau schmieden und den Druck auf den Kreml erhöhen. „Seit einem Jahr verletzt Russland die Grundsätze der UN-Charta und des Völkerrechts“, sagt Baerbock. Und: „Russland untergräbt die Architektur der Rüstungskontrolle, auf die wir alle angewiesen sind. Lassen Sie uns Wladimir Putin gemeinsam darauf drängen, zu New Start zurückzukehren.“

Vergangene Woche hat der russische Präsident die Beteiligung am New-Start-Vertrag ausgesetzt, in dem sich die USA und Russland die Begrenzung ihrer Nukleararsenale zugesagt hatten. Andere Vereinbarungen zwischen Moskau und dem Westen sind schon in den letzten Jahren kollabiert. Gleichzeitig modernisieren sowohl Russen als auch Amerikaner ihre Atomwaffenarsenale. „Die Ära der bilateralen Nuklearwaffenkontrolle geht zu Ende“, stellte vergangene Woche Ulrich Kühn fest, der am Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik forscht. Die Welt stehe vor einer neuen Ära der Unsicherheit.

Das gilt nicht nur für Atomwaffen und den Konflikt mit Russland. Insgesamt ist die Rüstungskontrolle in der Krise. Baer­bock spricht in ihrer Rede die Atomprogramme des Irans und Nordkoreas an, dann redet sie über Cyber-Attacken und autonome Waffensysteme, die ohne menschliches Zutun töten können – und für die internationale Vereinbarungen fehlen. „Rüstungskontrolle ist eine der Säulen der internationalen Ordnung. Wir müssen sie heute entschiedener verteidigen als je zuvor“, appelliert sie in Genf.

Was aber trägt die Bundesregierung bei? Immerhin beteiligt sie sich selbst im Rahmen der Nato an der atomaren Abschreckung und bestellt dafür gerade neue Kampfjets. „Gerade in Zeiten, in denen wir in unsere Wehrhaftigkeit investieren, müssen wir dringender denn je auch über Abrüstung sprechen“, sagt Baerbock später auf Nachfrage. Das seien zwei Seiten derselben Medaille. Konkreter wird sie nicht.

Zu ihren Gunsten hätte sie sagen können, dass die Bundesrepublik 2022 als Beobachterin an der Konferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag teilgenommen hat. Mit ihm will eine Gruppe von Staaten erreichen, dass Nuklearwaffen international geächtet werden. Auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie, an der die Bundesregierung gerade feilt, wird die Rüstungskontrolle wohl auftauchen.

Kri­ti­ke­r*in­nen ist allerdings auch das zu wenig. „Deutschland hat als größtes Land in Europa und eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt eine besondere Verantwortung, mit gutem Beispiel und diplomatischen Initiativen stärker als bisher voranzugehen“, sagt beispielsweise der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner.

Kritik von Rüstungsgegnern

Unzufrieden ist auch Thomas Küchenmeister, der für die Kampagne „Stop Killer Robots“ spricht: Deutschland gehöre leider nicht zu denjenigen Staaten, „die im Rahmen der Genfer Abrüstungsgespräche zu autonomen Waffensystemen explizit Verbote und Regulierungen fordern“, sagt er. 33 Staaten aus Südamerika und der Karibik hätten das gerade getan.

Für solche Detailfragen hat Baerbock an diesem Montag allerdings keine Zeit. Sie muss nach ihrem Pressestatement schnell weiter in den Menschenrechtsrat, wo sie über die Lage in Afghanistan und dem Iran spricht. „Wir stehen jeden Tag an eurer Seite“, sagt sie in Richtung der iranischen Protestbewegung, die nach Auffassung der Opposition im Bundestag zu wenig Unterstützung aus dem Auswärtigen Amt erhält.

Dann wirbt Baerbock auch im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen wieder für ihren Ansatz: Allianzen gegen Russland. Es geht ihr um das Thema von gekidnappten Kindern im Krieg. Medienberichten zufolge entführt Russland ukrainische Kinder aus besetzten Gebieten und lässt sie durch russische Familien adoptieren. „Wir werden nicht ruhen, bis jedes einzelne zurück ist“, sagt Baerbock dazu in Genf.

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