piwik no script img

Arzneimittelmangel bei KindernMonopole gefährden die Gesundheit

David Muschenich
Kommentar von David Muschenich

Leere Apothekenregale? Was wie ein deutsches Problem wirkt, hat eine tiefer liegende Ursache: ein globales Gesundheitssystem mit wenigen mächtigen Herstellern.

Neue Erfahrung in Deutschland: Nicht alle Medikamente sind verfügbar Foto: Action Pictures/imago

W enn die Regierung die aktuellen Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln angeht, sollte sie über die deutschen Apothekenregale hinausdenken. Denn weltweit haben viele Menschen nur begrenzten Zugang zu Medikamenten – und das liegt nicht nur an der dortigen Armut. Der Fehler liegt im globalen Gesundheitssystem.

In Deutschland sind die aktuellen Lieferengpässe von beispielsweise fiebersenkenden Mitteln für Kinder unüblich. Die Menschen hier haben sich daran gewöhnt, dass immer alles verfügbar ist – eigentlich sofort. Warum auch nicht? Erst Krisen holen uns zurück in die harte Realität: Strom kommt nicht aus der Steckdose und der Fiebersaft eben nicht aus der Apotheke.

Stattdessen sind dafür international wenige Hersteller verantwortlich. Bei Paracetamol oder Ibuprofen ist Europa zum Großteil von China oder Indien abhängig, wo die Produktion günstiger ist. In Deutschland zwingt das bisherige Vergaberecht die Krankenkassen dazu, Medikamente möglichst billig einzukaufen. Aber wenn dort bei der Produktion etwas schiefgeht, wird es hier schwierig.

Allein in diesem Jahr kam es schon mehrfach zu Versorgungsengpässen. SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat deshalb eine Gesetzesänderung angekündigt: Neben dem Preis soll bei der Vergabe die Liefersicherheit berücksichtigt werden. Ist das Problem damit langfristig gelöst? Nein. Denn abhängig ist die Welt immer noch von einigen wenigen Produzenten. Mehr Produzenten hieße, man wäre unabhängiger von China – auch bei einem eskalierenden Konflikt mit Taiwan.

Zu hohe Preise für den Globalen Süden

Eine Diversifizierung des Arzneimittelmarkts würde nicht nur Europa guttun. Ärmere Länder des Globalen Südens könnten davon profitieren. Die Menschen dort sind bisher eher schlecht mit Medikamenten versorgt. Das liegt zum einen an Herstellern, die Monopolstellung genießen, was willkürlich hohe Preise mit sich bringt. Selbst beim eigentlich günstigen Insulin kontrollieren aktuell genau drei Hersteller den Markt. Rund 50 Prozent der Menschen, die Insulin bräuchten, haben bisher keinen Zugang.

Zum anderen sind viele Medikamente nicht richtig auf die Zielgruppen in ärmeren Ländern angepasst. Doch für die großen Hersteller ist der Markt offenbar nicht lukrativ genug. Mehrere kleinere Hersteller könnten hingegen sehr wohl ein Interesse an kleineren Märkten haben.

Wenn es nur wenige Hersteller in den wirtschaftsstarken Ländern gibt, dann ist das global gesehen schädlich. Viren und Bakterien interessieren sich nicht für nationale Grenzen. Die Bundesregierung sollte sich in der EU dafür einsetzen, international an einer Lösung zu arbeiten, die auch den ärmeren Ländern nützt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

David Muschenich
Korrespondent
Ist in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Korrespondent für die taz unterwegs. War Volontär bei der taz, nachdem er Journalismus an der Universität Leipzig sowie Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erfurt studiert hat.
Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • @DIMA: OTC-Arzneimittel (nicht rezeptpflichtige AM), die z.B. für Kinder auf Kassenrezept von den Krankenkassen übernommen werden, unterliegen schon einer Art Vergaberecht. Entweder gibt es auch hier die Krankenkassenrabattverträge bzw. geben die KKs einen maximalen Festbetrag pro Produktgruppe vor. Wer teurer produziert, darf nicht über Rezept abgerechnet werden oder die Eltern zahlen die sog. Mehrkosten drauf. Auch das gibt immer Diskussionen bei eigtl. befreiten Kindern.

  • Profit macht man auch über die Menge. Und das preiswerteste Paracetamol wird gekauft. Um Gewinnmarge zu halten, wird es halt in Indien hergestellt, wiederum dort, bei dem preiswertesten Hersteller. Die teuren Neuentwicklungen werden bald in China produziert, weil die sich die Entwicklung neuer Medikamente noch leisten, bzw. subventionierten. Das macht Abhängigkeiten .

  • Die These kleinere Hersteller könnten den globalen Süden besser versorgen, ist steil und widerspricht sich selbst:

    Die Prämisse der These ist ja:

    "Doch für die großen Hersteller ist der Markt offenbar nicht lukrativ genug."

    Unterstellen wir diese These dann mal als wahr. Ihre logische Anwendung führt jedoch nicht zur Schlussfolgerung, dass mehrere kleine Hersteller den globalen Süden versorgen können. Derzeit gibt es dort ja eine Unterversorgung. Diese Unterversorgung könnten sich doch kleinere Hersteller schon jetzt zu Nutze machen, da die Großhersteller diesen Markt nicht bedienen.

    Die kleineren Hersteller haben also schon heute keinerlei Konkurrenzdruck auf den Märkten des globalen Südens zu fürchten. Das heißt, die großen Hersteller stören nicht und können daher die Marktabdeckung nicht behindern.

    Die mangelnde Versorgung hat also absolut nichts mit den Herstellern zu tun.

    Wahrscheinlich hat sie etwas mit den Märkten selbst zu tun. Anzunehmen ist, dass die Märkte nicht ausreichende Margen abwerfen, um die Kosten zu decken. Mit anderen Worten:

    Kein Unternehmen (auch keine vielen kleinen Unternehmen) investiert, wo es Verlust macht. Gibt es Gewinne, investiert wenigstens ein Nischenanbieter (eben weil der Großunternehmer den Markt wegen zu geringer Rendite nicht bedienen will).

    Ergebnis der logischen Deduktion aus der (ohnehin unzureichend belegten) Prämisse:

    Die These ergibt sich nicht aus der Prämisse.

    Dem Volontär kann man hier keinen Vorwurf machen. Aber: Kontrolliert das denn keiner aus der Redaktion und macht den Autor auf die Logiklücken aufmerksam?

  • Ich empfehle zur genaueren Einordnung des Problems einen Blick auf die Finanzen der großen Player, z.B. hier: www.aerztezeitung....en-Ast-428179.html



    Die Grundstoffherstellung in Indien, China etc. und das Outsourcing von allem, was irgendwie möglich ist sind nur Symptome der eigentlichen Ursache: die Pharmaindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Gelddruckmaschine entwickelt, der außer den eigenen Profiten alles komplett gleichgültig ist.



    Wäre ein prima Ansatzpunkt für eine Regulierungsbehörde, könnte auch gleich eine gründliche Umverteilung der Geldmittel im deutschen Gesundheitswesen mit sich bringen. Will nur niemand der sog. "Entscheider".

  • " In Deutschland zwingt das bisherige Vergaberecht die Krankenkassen dazu, Medikamente möglichst billig einzukaufen." --> Der Autor suggeriert "möglichst billig" heißt, der Billigste gewinnt.

    Bezogen auf das Vergaberecht ist diese Suggestion des Autors schlichtweg Unfug (man muss es leider so deutlich sagen). Den vergaberechtlichen Zuschlag erhält gemäß § 127 Abs. 1 GWB das "wirtschaftlichste" Angebot. Das Gesetz sagt auch, was es mit "wirtschaftlichste" genau meint: Das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis. "Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. (§ 127 Abs. 1 Satz 2)".

    Bereits heute können also Aspekte neben dem Preis in die Vergabeentscheidung einbezogen werden. Wenn Minister Lauterbach hierfür ein neues Gesetz plant, wird das entweder ein Rohrkrepierer oder man kann sagen "Thanks, Captain Obvious". Die Liefersicherheit kann bereits heute in jeden Vergabeentscheidung einbezogen werden (und wird sie auch).

    Sie war nur bisher nie ein eigenes Kriterium, weil die Liefersicherheit in den letzten 20 - 40 Jahren nie ein Problem war. Sie wurde einfach stillschweigend vorausgesetzt. Das ändert sich jetzt, gilt dann aber nur für zukünftige Verträge (und wird entsprechende Aufpreise und damit steigende Gesundheitsausgaben nach sich ziehen).

    Was das Vergaberecht aber mit der zentralen These des Artikels, mehr kleinere Hersteller = besser für die Welt, zu tun hat, verschweigt der Artikel.

    • @Kriebs:

      Und wer traut sich, den Krankenkassen auf die Füße zu treten?



      Eben, keiner. Die haben nette Anschlußposten nach der Politikkarriere.

      • @mitLeser:

        Aber die Feigheit der Politiker den (im weitesten Sinne) staatseigenen Krankenkassen (schon klar, eigene Rechtssubjekte als Anstalten öffentlichen Rechts) auf die Füße zu treten, kann ja wohl kaum als Argument gegen die Pharmaindustrie herhalten.

        Jedenfalls logisch bekomme ich das kognitiv nicht verarbeitet. Deshalb funktioniert der Artikel ja weder in Prämisse noch Schlussfolgerung. Er ist schlichtweg unlogisch.

  • Der Markt richtet, in diesem Fall auch hin.



    Es kommt auf die Marge an.



    Oder wie K. Marx es formulierte:300 Prozent Gewinn, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.

  • @DIMA

    Das lässt sich nur dadurch angehen, dass diejenigen, die etwas hier in den Markt stellen auch glaubhaft ihren Teil für die Versorgunssicherheit beitragen.

    So sehr die "freier-Markt" Extremisten jetzt nun aufheulen mögen.

  • "In Deutschland zwingt das bisherige Vergaberecht die Krankenkassen dazu, Medikamente möglichst billig einzukaufen." heißt es im Artikel.

    Krankenkassen kaufen keine Medikamente ein. Sie bezahlen den Apotheken die von diesen eingekauften und an die Versicherten abgegebenen Arzneimittel. Der Autor meint wahrscheinlich die Rabattverträge, die die Krankenkassen mit den Herstellern schließen können (bei denen die Kassen aber auch nichts bei den Herstellern "einkaufen", sondern die Rabatte für die von den Apotheken abgegebenen Arzneimittel in Form von Zahlungen der Hersteller erhalten). Für diese Rabattverträge gilt in der Tat das Vergaberecht.

    Aber: In diesen Rabattverträgen werden die Hersteller wenigstens zur Lieferung verpflichtet und müssen Vertragstrafen zahlen, wenn sie nicht liefern. Gibt es hingegen keinen Rabattvertrag, gibt es auch keine direkte Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Hersteller und damit auch keine Lieferverpflichtung. Kein Hersteller ist gesetzlich dazu verpflichtet, seine Medikamente in Deutschland überhaupt anzubieten, geschweige denn in ausreichender Menge. Wenn einem Hersteller die hierzulande erzielbaren Preise zu niedrig sind und er woanders mehr verdienen kann, hindert den Hersteller nichts daran, sein Arzneimittel in Deutschland einfach vom Markt zu nehmen, was in einigen Fällen auch schon geschehen ist.

  • Anstatt von "ärmeren" und "reicheren" Ländern zu schwadronieren (schließlich ist kein Land arm, was sich ändert ist die Verteilung der Reichtümer), empfehle ich hinsichtlich Arzneimittel und was sie kosten könnten auch in einem ungebremst kapitalistischen System den Blick nach Mexiko. Angefangen hat es da vor vielen Jahren mit Dr. Simi (der auch schon Präsident werden wollte), also Generika. Inzwischen gibt es reihenweise Apothekenketten die diese meist in Mexiko hergestellten Generika im großen Stil und zu ununterbietbaren Preisen verkaufen. Die Vertriebszentralen sehen halt auch eher wie ALDI in den 60ern aus, was ja wahrscheinlich für D nicht mehr in Frage kommt. Dann aber bitte auch nicht jammern, sondern die Zähne zusammenbeißen, bitte.



    Was übrigens schlecht daran sein soll, dass die Krankenkassen beim billigsten Anbieter und nicht bei Spahn oder Flynn einkaufen müssen, habe ich auch nicht verstanden, aber vielleicht fällt ersterer unter besonderen Schutz wegen...



    Und, Dima, wenn einer mehr zahlen will, no Problemo, auf zum Apotheker, dessen SUV garantiert noch nicht abbezahlt ist.

  • Der Sachverhalt ist ziemlich eindeutig, und nicht nur bei Arzneimitteln und deren Rohstoffen. Merkels Maxime: (neben Machterhalt bin ins Rentenalter, komme was will) "Billige Arbeitskräfte und billige Energie (Rohstoffe etc.) = maximale Gewinne der Industrie". Da die Medien kaum konstruktiv kritisiert haben (jetzt sieht es auch ein Blinder mit Krückstock), konnte sich diese verheerende Entwicklung durchsetzen. Merkel weiß es schon lange, gibt es aber nur scheibchenweise zu. Spätestens die Historiker werden ihre verheerende Politik richtig einordnen müssen.

  • Ibuprofen, Paracetamol und Co. unterliegen nur halt nicht dem Vergaberecht. In diesem Bereich sind allein die Verbraucher an der Misere schuld, da sie stets günstig kaufen und national hergestellte Produkte liegen lassen, sobald diese auch nur 10 Cent mehr kosten.

    • @DiMa:

      "National hergestellte Produkte" gibt es kaum. Es gibt zwar viele deutsche pharmazeutische Unternehmen, die auf dem Papier den Status eines Herstellers haben und den Namen ihres Unternehmens auf die Packungen drucken lassen. Aber die Fabriken, in denen deren Arzneimittel tatsächlich hergestellt werden, liegen in aller Regel nicht in Deutschland.

    • @DiMa:

      "In diesem Bereich sind allein die Verbraucher an der Misere schuld..."

      Bequeme Aussage. Aber etwas flach. Wenn in der Apotheke nur Medikamente aus dem Ausland liegen, dann kann der Verbraucher nicht anders.

      Dazu kommt, dass die selben Medikamente auf der anderen Seite der Grenze teilweise deutlich (manchmal 50%) billiger sind. Und das liegt nicht daran, dass die Konzerne ihre Produkte in Polen, Frankreich usw. verschenken.

    • @DiMa:

      Es scheint aber auch schwierig zu sein. Zum einen betrifft es ja unabhängig von der Frage der Versorgung in Ländern des globalen Südens auch andere Industrienationen.



      Zum anderen wäre eine Produktion in d wahrscheinlich nicht nur 10ct teurer, sondern 100%. Dann wäre aber der Aufschrei wieder groß, wieso hier alles so teuer ist, warum man nur das eigene möchte und nicht einfach beim Inder kauft.

    • @DiMa:

      die meisten Produkte werden wohl in Asien hergestellt, hier wird dann nur noch ein Label draufgeklebt...

    • @DiMa:

      Leider wahr was du schreibst.

  • Vor allem die CDU hat diese Misere über Jahrzehnte herbeigeführt. Dank den -Herren Gröhe, Spahn und "Pharmaexperte" Hennrich. Letzterer hat sich ja von der Politik abgeseilt direkt in einen lukrativen Job. Ab 2023 fungiert er als neuer Geschäftsführer beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH). Als gewählter Politiker hat er somit seinen Wahlkreis im Stich gelassen. So läufts....bürgerfreundlich eben....

    • @Ulrich Haussmann:

      Der Bundesverband der Arznei-Hersteller hat ein Interesse daran, dass die Welt von Indien und China abhängig ist?

      Es fällt mir schwer, das zu glauben ...

      • @rero:

        In den letzten 20 jahren war es genau so. dem profit zuliebe, das dürfen sie ruhig glauben.

    • @Ulrich Haussmann:

      Die CDU ist da eine Bein auf der diese Misere steht.



      Das andere Bein ist, dass die International Management Schools ihren Absolventen beibringen, dass es außer dem Preis keine Entscheidungskriterien geben darf.