Pascal Beucker über die Turbulenzen in der Linksfraktion
: Banalitäten als Provokation

Wer wissen will, in welchem Zustand sich die Linkspartei befindet, braucht sich nur anzuschauen, was ihre Bundestagsfraktion nach rund dreistündiger Diskussion am späten Dienstagnachmittag beschlossen hat. Nein, Dietmar Bartsch, Amira Mohamed Ali & Co. haben nichts Skandalöses verabschiedet, ganz im Gegenteil. Ihr „Beschluss über die Arbeitsweise der Fraktion“ enthält eigentlich nur Selbstverständlichkeiten. Doch in der Linkspartei ist eben nichts mehr selbstverständlich, und das Lager von Sarah Wagenknecht verweigerte die Zustimmung zu der Feststellung von Banalitäten. Das zeigt, wie tief die Zerrüttung ist.

Der Beschluss über die Arbeitsweise der Fraktion hält fest, dass Partei- und Wahlprogramm für die Mitglieder bindend sind. Grundsätzlich sollen Red­ne­r:in­nen im Bundestag die Mehrheitsmeinungen der Fraktion vortragen, über die Zuteilung von Redezeiten für davon abweichende Positionen entscheide die Fraktion. Außerdem sollen die Linken-Abgeordneten ihre Pflichten wahrnehmen, an Fraktions-, Bundestags- und Ausschusssitzungen teilnehmen. Es geht um die Definition von Grundstandards parlamentarischer Zusammenarbeit, über die in anderen Fraktionen gar nicht erst diskutiert werden muss. Bei der Linksfraktion schon.

Dass die „Reformer:innen“ um Fraktionschef Dietmar Bartsch nun gemeinsam mit dem Kreis um den bewegungslinken Ex-Parteichef Bernd Riexinger gestimmt haben, ist ein Hoffnungsschimmer. Bisher war das alleinige Bestreben von Bartsch darauf gerichtet, die 39 Abgeordneten, die für die Linkspartei im Bundestag sitzen, irgendwie zusammenzuhalten. Das ist zwar nachvollziehbar. Treten nur drei aus, ist der Fraktionsstatus futsch. Doch lässt sich nur zusammenhalten, was sich nicht schon zur Trennung entschieden hat. Wer sich aber nicht mehr auf Selbstverständlichkeiten der Zusammenarbeit verständigen will, ist dabei, seinen Abschied vorzubereiten. Da helfen auch keine Appelle mehr.

inland