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Vergessen, das Mikro auszuschaltenAfD-Vorstand hofft auf Gaskrise

AfD-Politiker Harald Weyel sprach aus, was wohl viele Rechte denken. Dumm nur, dass die Aussage aufgenommen wurde. Jetzt rudert Weyel zurück.

Hofft auf dramatische Verhältnisse: der AfD-Bundestagsabgeordnete und Vorstandsmitglied Harald Weyel Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Das Bundesvorstandsmitglied der AfD, Harald Weyel, hat unfreiwillig Einblick in die Gedankenwelt seiner Partei gegeben. Bei einem Livestream für Tiktok vergaß offenbar ein Techniker der Bundestagsfraktion ein Mikro abzustellen. So konnten die Zu­hö­re­r*in­nen hören, was der seit 2017 im Bundestag sitzende Weyel zu anderen AfD-Politikern sagte, als diese sich unbelauscht wähnten.

Bei der Veranstaltung am Dienstagabend im Paul-Löbe-Haus mit dem Titel „Ein Winter ohne Gas“ ging es um die Gasversorgung, die Energiekrise sowie deren soziale Folgen. Zur Einschätzung des eingeladenen AfD-Politikers Helmut Waniczek, dass die Lage dramatisch werde, sagte Weyel: „Man muss sagen: hoffentlich. Wenn's nicht dramatisch genug wird, dann geht's so weiter wie immer.“

Weyel ist Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, gilt als Vertrauter Björn Höckes und beschäftigte in der Vergangenheit auch einen Mitarbeiter des rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“.

Ein Kollege in der Bundestagsfraktion, Rainer Kraft, scheint in der Aufnahme nicht sonderlich beunruhigt. Er sagt zunächst: „Ich brauch auch so'n Weizen“, und entgegnet dann auf die Äußerung von Weyel: „Ach, ja Harald, aber… das ist jetzt sehr unschön.“ Waniczek entgegnet: „Wenns nicht dramatisch wird, ist eh okay. Dann braucht's die AfD nicht.“

„Eigentlich hassen Afdler Deutschland“

Den kurzen Videoschnipsel hat der CDU-Abgeordnete Johannes Steiniger getwittert. Er schrieb dazu: „Wir hören, dass Harald Weyel hofft, dass die Situation im Winter sehr dramatisch wird. Die AfD zeigt wieder ihr unpatriotisches Gesicht. Eigentlich hassen Afdler Deutschland“, so der CDU-Politiker. Auch der Gesundheitsminister Karl Lauterbach twitterte dazu: „Wie zynisch die AfD ist. Man hofft auf einen dramatischen Winter, damit man mit der Not der Menschen Gewalt auf der Straße provozieren kann.“ Demokraten müssten in der Not zusammen halten, die AfD gehöre nicht dazu.

Tatsächlich kommt der Videoschnipsel für die AfD zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Die Partei will am Donnerstag im Haus der Bundespressekonferenz ihre Kampagne für den „Heißen Herbst“ vorstellen und entgegen der neoliberalen Agenda vieler AfD-Politiker soziale Themen von rechts besetzen.

Weyel ist innerhalb der AfD nicht allein mit seiner Hoffnung auf dramatische Verhältnisse: Es ist nicht das erste Mal, dass ein AfD-Abgeordneter mit solchen Äußerungen auffällt. Zuletzt hatte der als Putin-Propagandist kritisierte brandenburgische Abgeordnete Steffen Kotré in der Dokumentation „Eine Deutsche Partei“ vor laufender Kamera gesagt, dass vertiefte gesellschaftliche Gräben eine Chance für die AfD seien: „Je schneller es schlimmer wird, desto schneller kann es auch wieder besser werden“, sagte Kotré dort mit einem Bier in der Hand. Er wünsche sich das nicht, betonte er zwar, aber das sei halt ein Prinzip.

Noch deutlicher war in Vergangenheit der Pressesprecher der Bundestagsfraktion, Christian Lüth, der 2020 für seine Äußerungen entlassen wurde. Lüth war vor versteckter Kamera einer Pro7-Doku deutlich geworden: Der Bundesrepublik müsse es schlechter gehen, weil die AfD davon profitiere. Auf die Frage, ob er dafür wäre, dass noch mehr Migranten nach Deutschland kommen, antwortete Lüth damals: „Ja. Weil dann geht es der AfD besser. Wir können die nachher immer noch alle erschießen. Das ist überhaupt kein Thema. Oder vergasen, oder wie du willst. Mir egal!“

Nachdem das aktuelle Weyel-Video viral ging, war die AfD-Fraktion um Schadensbegrenzung bemüht. Auf taz-Anfrage kommentierte Weyel sein Hoffen auf dramatische Zustände eher kleinlaut so: „Ich wollte meiner Befürchtung Ausdruck geben, dass nur eine Zuspitzung der sich abzeichnenden Krise dazu führen wird, dass die politisch Verantwortlichen endlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Krise zu bekämpfen.“ Weyel wünscht sich also angeblich nicht, dass sich die Krise verschärfe. Das klang in dem Video anders.

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13 Kommentare

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  • @MEDIOCRE

    Ach, Geschichtsstunde:

    en.wikipedia.org/w...ive_accommodations

    • @tomás zerolo:

      Und welche Fakten projizieren Sie nun aus dem Italien von vor hundert Jahren in das heutige Deutschland?

      Und ach ja, noch ein paar Fakten.

      Die AfD verzeichnete 2021 0 € Großspenden. www.merkur.de/poli...news-91210592.html

  • Ich traue ja uns Deutschen viel zu. Auch, dass ein gewisser Unmut bei einer eventuellen Energie- und Gaskrise entstehen kann. Ich traue aber der großem Mehrheit trotzdem nicht zu, diese Nazis, Dilletanten und Deutschlandverachter der AFD zu wählen oder zu unterstützen. In jeder der bisherigen Krisen wären wir untergegangen mit diesen hilflosen und intellektuell völlig entwaffneten Brut.

  • Worauf sollen sie sonst hoffen, als auf die Fehler der Anderen.



    Wenn man nichts eigenes hat.

  • Sofern man Politiker zur Einnahme einer Wahrheitspille zwingen könnte, würde man solche Töne aus dem kompletten politischen Spektrum hören.

    Der Unterschied zur AFD ist einzig, dass bei anderen Parteien ein Grundmass an Schauspielerischem Talent vorausgesetzt wird.

    Ich mag die Deppen der AFD nicht, aber der hier gemachte Vorwurf ist politisches Alltagsgeschäft.

    Deutlich mehr Sorgen macht mir, dass Parteien wie die SPD zulassen, dass die AFD auf Kommunen und Bundeslandebenen Einsitz in Kommissionen und Ämter nimmt, die Einfluss auf Ausländerrechtliche Bereiche haben. ( z.B. Härtefallkommissionen.)

    Oder das langsame Einsickern in die Judikative.

    Gegen die Zünsler der AFD hat die Bundesregierung alle Fäden in der Hand.



    Kommen die Menschen gut über den Winter, ist es egal, was die AFD alles noch so behauptet.



    Kommen sie schlecht über den Winter, gäbe es auch ohne AFD Proteste, die von Oppositionellen Politikern und extremen Splittergruppen ausgeschlachtet werden.

    Im großen und ganzen sehr simpel.



    So simpel, dass man sehr viele Gelegenheiten hat, es ordentlich zu versemmeln :-)

    • @Stubi:

      "Sofern man Politiker zur Einnahme einer Wahrheitspille zwingen könnte, würde man solche Töne aus dem kompletten politischen Spektrum hören." Was ein totaler Schwachsinn!



      Gerade die Regierungsparteien sind auf eine Entspannung der Lage angewiesen. Und der CDU sowas zu unterstellen ist schon unterste Schublade!

  • Auch ohne Abhörschnipsel müsst es doch klar sein, dass die in der AfD auf eine Entwicklung hoffen, die für die AfD günstig ist. Das ist ja nun wirklich nicht der Skandal, dass das durch diesen Zufallsschnipsel bestätigt wird.

    Außerdem sagen viele Menschen, die mit der AfD nichts am Hut haben, dass die sich anbahnende Sozial- und Wirtschaftskrise größtenteils von der Ampel hausgemacht ist und "Putin ist Schuld" nur für eine blöde Entschuldigung ist.

    • @Rolf B.:

      "Außerdem sagen viele Menschen..."

      1932 reloaded.

  • Na ja. Die Grünen hoffen doch letztlich auch auf höhere Energiepreise und die einzige Möglichkeit, die man zum abmildern hätte (länger AKW-Laufzeit*) wird aus reiner Ideologie und "Angst" vor den eigenen Stammwählern nicht umgesetzt. Zum Glück springt Merz in die Bresche. Sonst hätte das Thema die AfD besetzt.

    *Bevor es mir unterstellt wird: Ich bin dafür AKWs abzuschalten und möchte auch keinen Neubau, aber in der aktuellen Krise halte ich die Entscheidung für falsch.

    • @Strolch:

      Die AKWs senken den Strompreis nicht.



      Es gibt genug Strom.



      Viel wirksamer ist allgemeine Sparsamkeit!



      Und diese Notwendigkeit geht in der rein politischen Kampagne um AKWs unter!



      Die CDU will damit ausschließlich die Grünen politisch angreifen. Mehr nicht...

  • "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"



    Folge das Geld!



    AfD ist ja kein Mysterium, nur ein von vielen Werkzeugen ihrer oft sehr lichtscheuen Geldgeber - und damit auch integrierter Bestandteil der Neoliberalismus in der Oligarchen und Superreiche die Stricken ziehen.

    Das gute? - Kann abgewählt werden wenn Alt, Jung, Frau, Mann oder Divers sie nicht will.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Welches Interesse sollen denn bitte "Superreiche" daran haben das die Chaotentruppe AFD an die Macht kommt und das Geschäftsmodell Deutschland kaputt macht?

      • @Mediocre:

        Welches Geschäftsmodell würde denn die AfD konkret "kaputt machen"? Besonders antikapitalistisch ist die Truppe bisher nicht aufgetreten. Im Gegenteil.



        Und die älteren unter uns kennen noch die Zeit als die Grünen als "Chaotentruppe" galt und es ähnliche Befürchtungen gab, sollten die mal regieren. Das war allerdings auch noch vor dem Durchmarsch der eher wirtschaftsfreundlichen Realos,als die Grünen tatsächlich noch "linke Ideale" hatten.