Protest für Geflüchtete aus Drittstaaten: Be­set­ze­r*in­nen kapern Grünen-Büro

In Hamburg hat eine Gruppe die Grünenfraktion besetzt. Sie will auf Menschen aufmerksam machen, die ohne ukrainischen Pass vor dem Krieg flohen.

Im Flur vor dem Grünen-Büro: Menschen mit Schlafsäcken und Transparenten

Kurz bevor sie es doch ins Büro der Grünen geschafft haben: Ak­ti­vis­t*in­nen in Hamburg Foto: Jannis Große

HAMBURG taz | knapp 20 Ak­ti­vis­t*in­nen eines neu gegründeten Aktionsbündnisses „Sicheres Bleiberecht“, haben am Montagmorgen das Büro der Grünenfraktion Hamburg in der Burchardstraße besetzt. Grund hierfür ist die ihrer Meinung nach prekäre Lage geflüchteter Menschen, die ohne ukrainische Staatsangehörigkeit vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen sind. Einige von ihnen wurden sogar aus ihren Unterkünften in Hamburg geworfen, wie die taz berichtete.

Darauf wollen die Akti­vist*innen hinweisen. Sie rufen „Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“, als sie durch das Treppenhaus zum Büro der Grünenfraktion stürmen. Sie wollen die Grünen dazu bewegen, sich als Koalitionspartei intensiver für die Betroffenen einzusetzen. Doch erst einmal bleibt die Tür zum Büro zu.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen rollen Transparente und Schlafsäcke im Flur aus. „No second class refugees“ steht auf einem der Laken. Es gebe eine ungleiche Behandlung weißer und schwarzer Geflüchteter, sagt eine Aktivistin, die vor der Glastür steht und nach den Mit­ar­bei­te­r*in­nen Ausschau hält.

Als 20 Minuten später die Abgeordnete Miriam Putz durchs Treppenhaus kommt und die Tür aufschließt, drücken sich die Be­set­ze­r*in­nen an ihr vorbei. Das Vorgehen habe sie als aggressiv empfunden, sagt Putz hinterher. Verletzt wurde aber niemand.

Die Ausweisung droht

„Wir möchten mit dieser Aktion erreichen, dass die Hamburger Politiker endlich Verantwortung für alle aus der Ukraine Geflüchteten übernehmen und auch den vor dem Krieg geflohenen Menschen aus Drittstaaten“, sagt Karla Köthnig, Mitglied der Initiative „Omas gegen Rechts“. Auch sie ist bei der Besetzung dabei.

Köthnig habe Kontakt zu betroffenen Menschen aus Drittstaaten, die durch Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Behörden diskriminierend und willkürlich behandelt würden. Ihnen drohe am 31. August die Ausweisung aus Deutschland. Dann läuft ihre Aufenthaltsgenehmigung ab (siehe Kasten). Es bestehe also Zeitdruck. Es sei daher notwendig, dass sich die Po­li­ti­ke­r*in­nen mit dieser Thematik auseinandersetzten, sagt Köthnig.

Im Büro hissen die Be­set­ze­r*in­nen Banner aus dem Fenster und sitzen im Aufenthaltsraum der Grünen auf Stühlen, Tischen und dem Boden. Zwei Stunden geht das so, dann suchen die Grünen das Gespräch: Dominik Lorenzen, der Fraktionsvorsitzende, kam für den unerwarteten Besuch extra ins Büro, fühlte sich dann aber doch nicht kompetent genug und holte Michael Gwosdz, den Fachsprecher für Flucht und Religion der Grünen dazu.

Tatsächlich versuchte Gwosdz auf die Forderungen der Be­s­et­ze­r*in­nen einzugehen: „Innerhalb der Koalition arbeiten wir intensiv daran, dass Menschen, die aus der Ukraine nach Hamburg gekommen sind, aber keine ukrainischen Staats­bür­ge­r*in­nen sind, wie Ukrai­ne­r*in­nen Aufenthaltsmöglichkeiten erhalten können“, sagte Gwosdz.

Innebehörde hat Fehler eingeräumt

Die Ak­ti­vis­t*in­nen hatten verlangt, dass Geflüchtete ohne ukrainischen Pass mindestens zwei Jahre bleiben dürfen. Außerdem machten sie Gwosdz auf diskriminierendes und willkürliches Verhalten von Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Innenbehörde aufmerksam.

Gwosdz selbst sagte, er habe schon einige Tage zuvor von willkürlichen Ausweisungen durch die Behörden erfahren und die Sozialbehörde sowie die Innenbehörde damit konfrontiert. Diese hätten ihm gegenüber einige Fehler eingeräumt und sich um die weitere Unterbringung der Geflüchteten gekümmert. In Zukunft wolle sich die Partei „für möglichst einheitliche, handlungsleitende Verfahren einsetzen, die eine korrekte und faire Behandlung sicherstellen“, sagte Gwosdz.

Aktivistin Köthnig ist mit dem Verlauf des Gespräches nur bedingt zufrieden: „Ich habe zwar das Gefühl, es bewegt sich etwas, aber es ist alles ohne konkretes Ergebnis“. Die Be­set­ze­r*in­nen zogen gegen 17 Uhr trotzdem friedlich wieder ab.

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