piwik no script img

Kleinere Essensrationen für GeflüchteteZu wenig Geld für Hungerbekämpfung

Das Welternährungsprogramm reduziert seine Hilfen für Geflüchtete. So soll die Versorgung in Ostafrika gesichert werden.

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen muss Essen rationieren Foto: Sam Mednick/dpa

Berlin taz/afp/epd | Die globale Ernährungslage verschärft sich weiter dramatisch: Am Montag hat das Welternährungsprogramm (WFP) angekündigt, in Ermangelung ausreichender finanzieller Mittel die Nahrungsrationen für Geflüchtete zu kürzen. Das sei notwendig, um die Versorgung der hungernden Menschen am Horn von Afrika zu sichern, teilte die UN-Institution mit.

In Ostafrika grassiert derzeit die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Regenfälle sind während der letzten Monate fast gänzlich ausgeblieben, unzählige Tiere verendet, alleine in Kenia sind laut Welthungerhilfe rund 600.000 Kinder akut unterernährt. Der russische Einmarsch in der Ukraine – zuvor eine der größten Getreideexporteurinnen der Welt – hat die Versorgungslage weiter verschärft.

Insgesamt sind in der Region laut WFP derzeit bis zu 20 Millionen Menschen von Hunger bedroht. Um sie weiterhin versorgen zu können, werden nun die Rationen Geflüchteter in vielen süd- und westafrikanischen Ländern reduziert. Exekutivdirektor David Beasley sprach von einer „herzzerreißenden Entscheidung“. Ohne neue Gelder würden viele Menschen die Hungersnot mit ihrem Leben bezahlen.

Michael Dunford, Regionaldirektor für Ostafrika, hatte das Finanzierungsloch bereits im April vorhergesehen: Schon im Vorjahr hätten verschiedene humanitäre Organisationen die internationale Gemeinschaft vor einer desaströsen Dürre gewarnt – doch eine ausreichende Finanzierung sei bislang nicht erfolgt. Das WFP hatte parallel bekannt gegeben, über die nächsten Monate 473 Millionen US-Dollar zu benötigen, um die Hilfen in Äthiopien, Kenia und Somalia angemessen ausweiten zu können.

Neuausrichtung der Landwirtschaft nötig

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kündigte an, dieser Forderung nachzukommen: Deutschland sei im vergangenen Jahr mit 1,2 Milliarden Euro der zweitgrößte Geber der Organisation gewesen. „Ich arbeite daran, dass wir dieses hohe Niveau auch in diesem Jahr wieder erreichen und möglichst übertreffen“, so Schulze auf der Jahressitzung des WFP in Rom.

Gegenüber der Welt forderte sie zudem eine langfristige Neuaufstellung der Nahrungsversorgung: Von Getreide aus Russland und der Ukraine abhängige Länder müssten „wieder in die Lage versetzt werden, mehr selbst zu produzieren – und zwar klimaangepasst und nachhaltig.“ Man hätte sich zuletzt zu stark auf einzelne Lieferanten verlassen.

Die Landwirtschaft müsse wieder diversifiziert und auf die regionale Versorgung ausgerichtet werden. Lokale Getreidearten wie Sorghum, die besser an die lokalen Bedingungen angepasst seien, seien gut geeignet. Äthiopien habe sich zum Ziel gesetzt, „möglichst schnell so viel Getreide zu produzieren, dass es innerhalb von Afrika exportieren kann. Von den klimatischen Bedingungen her wäre das möglich.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 1.2 Milliarden Euro. Gemessen an die 50 Mrd. die /regulär/ ans Militär gehen...

    Von Sondereskapaden mal ganz abgesehen.

    • @tomás zerolo:

      ja...und wer wirklich Vermögen ist fliegt dann lieber raus in den Weltall für 55 millionen Dollar.



      www.nationalgeogra...-weltraumtourismus



      ... und Elon Musk überweist lieber 44 milliarden dollar um sein Hände auf die Meinungsbildungsgenerator Twitter zu legen - dann können auch lästige Meldungen über Ungerechtigkeit und Hunger bei bedarf auch automatisch gelöscht werden.



      www.zeit.de/digita...2Fwww.google.de%2F



      Aus den Augen aus den Sinn.

    • @tomás zerolo:

      Ja, das ist nicht zu fassen.

      Ein Wort zu Ihrer Begrifflichkeit, "Sondereskapaden": dies ist ein Aspekt von Krieg, der oft zu kurz kommt - eine Eskapade ist eine Flucht, vor einer Realität, die innerhalb bestehender Strukturen nicht zu bewältigen ist, weswegen es eine Art beiderseitiges Einvernehmen zwischen den Beteiligten gibt, sie zu zerschlagen, Krieg für einen Lösungsweg zu halten

      Konkret verschärft aber der Krieg in der Ukraine den Hunger in der Welt in einem katastrophalen Ausmaß, durch die Blockade der Weizenexporte aus der Ukraine.

      "Die Vereinten Nationen gehen derweil davon aus, dass der Ukraine-Krieg bis zu 49 Millionen Menschen ineineHungersnot oder hungerähnliche Zustände stürzen könnte, vor allen in afrikanischen Ländern" (FrankfurterRundschau)

      Ja, sie sind Geiseln des Kremls - aber das heißt nicht, dass ihr Schicksal allein in den Händen Putins liegen darf: auch was Verhandlungen angeht, muss der Westen hier ins Risiko gehen.

      Und da mir "wertebasiert" in Hinsicht auf Außenpolitik inzwischen wie eine leere Worthülse vorkommt - wie kann es sein, dass in Polen Asylsuchende, die keine Ukrainer*innen sind, seit Monaten gequält werden taz.de/Streik-in-p...gslagern/!5856606/ und dass die Grünen bis heute nicht über Nouripours „Die paar Leute, die jetzt in der Kälte stehen, die sind nicht das Problem. Das Problem ist der Erpressungsversuch.“ tinyurl.com/86k44a8m vom November hinausgekommen sind, jedenfalls nicht öffentlich -, dass vor allem das Framing wichtig zu sein scheint?

      Wenn es Putin gelingt, diese sich abzeichnende Hungerkatastrophe dem Westen in die Schuhe zu schieben, werden die europäischen Beziehungen zum globalen Süden endgültig ruiniert sein.

      Und es reicht einfach nicht, gefühlt jedem Statement der Außenministerin ein "Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg" voranzustellen: Geiseln befreit wan und überlässt sie nicht ihrem Schicksal, um bloß keine Zugeständnisse machen zu müssen!

      • @ke1ner:

        Der größere Exporteur von Weizen nach Afrika ist immer noch Russland, die Ukraine liefert mehr nach Asien und steht wohl an Stelle 8 der weltweiten Weizenexporte. Ich glaube auch kaum, daß Putin eine Hungerkatastrophe auslösen möchte, da er damit eher Staaten vergrätzen würde, wo er noch ein wenig Rückhalt genießt.Auch wenn er einen Krieg vom Zaun gebrochen hat, sollte man ihm sicher nicht die Abwesenheit strategischen Denkens unterstellen.



        Außerdem sollte man sich den Artikel hier mal durchlesen: www.tagesschau.de/...-russland-101.html

      • @ke1ner:

        Es ist doch eigentlich eine zwischenmenschliche Selbstverständlichkeit einander in Schwierigkeiten zu helfen (z.B. bei Flutkatastrofen in Deutschland).



        Also, wie Sie schreiben, müssten die Menschen in Europa und Afrika einander jetzt helfen und unterstützen in diese schwierige Situation - materiell und ideell.



        Dabei kommt wahrscheinlich erst das Essen, dann kommt die Moral.

        Wovon lebt der Mensch? B.Brecht



        Macheath:



        Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben,



        Und Sünd und Missetat vermeiden kann,



        Zuerst müsst ihr uns was zu fressen geben,



        Dann könnt ihr reden, damit fängt es an.



        Ihr, die ihr euren Wanst und unsre Bravheit liebt,



        Das eine wisset ein für allemal,



        Wie ihr es immer dreht, und wie ihr's immer schiebt,



        Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.



        Erst muss es möglich sein auch armen Leuten,



        Vom grossen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden.

        Jenny:



        Denn wovon lebt der Mensch?

        Macheath:



        Denn wovon lebt der Mensch?



        Indem er stündlich, den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frisst.



        Nur dadurch lebt der Mensch,



        Vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.

        Chor:



        Ihr Herren, bildet euch nur da nichts ein,



        Der Mensch lebt nur von Missetat allein!

        dreigroschenoperso...ovon-lebt-der.html