Katholikentag in Stuttgart: Vater Scholz bemüht sich ums Volk

Der Kanzler besucht den Katholikentag. Er spricht über Waffen, Afrika und die Klimakrise. Von der Zeitenwende sind nicht alle überzeugt.

Olaf Scholz spricht mit einem jungen Mädchen

Olaf Scholz beim Katholikentag in Stuttgart am 27.Mai 2022 Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN taz | Dieser Auftritt findet auf schwierigem Terrain statt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist auf Stippvisite beim Katholikentag in Stuttgart, dort wo die Friedensbewegten sich treffen, diejenigen zusammenkommen, die sich für die Armen auf der Welt einsetzen, die die Spaltung zwischen Bedürftigen und Reichen in Deutschland scharf kritisieren.

Normalerweise sind Auftritte bei solchen Kirchenevents ein Heimspiel für politische Vertreter:innen, doch in diesem Jahr sind die Krisen auf der Welt gewaltiger denn je: Krieg in der Ukraine, es droht eine globale Hungersnot, die Energie- und Verbraucherpreise steigen in Deutschland rasant an. Ganz zu schweigen von der Klimakrise, die nun wirklich kein Staatenlenker der Welt mehr ignorieren kann.

Vor allem was die Erderhitzung angeht, ist der Unmut gegenüber der Regierung groß. Scholz spricht auf dem Podium über den Ausstieg aus der Kohleverstromung, über Arbeitsplätze, die im Tagebau verloren gehen, über seine Botschaft an die Arbeiter:innen, dass es für je­de:n eine Perspektive geben werde. Während Scholz sich als Kümmerer der Nation gibt, versucht ein Aktivist die Bühne zu stürmen. Natürlich sind die Sicherheitsleute schnell zur Stelle. Der Bundeskanzler kommentiert die Aktion ungewöhnlich scharf. Es sei ein „schauspielerisch geübter Auftritt“ – der Versuch Veranstaltungen für eigene Zwecke zu manipulieren. Das Publikum applaudiert.

Weniger glatt läuft es für Scholz im Themenfeld Ukraine. Die durch den russischen Angriff ausgelöste Zeitenwende habe die Weltordnung, gesellschaftspolitische Annahmen, durcheinandergebracht. Kann uns „Vater Scholz“ – wie die Schriftstellerin Nora Bossong den Kanzler auf der Bühne scherzhaft nennt – an die Hand nehmen?

Was ist mit den Armen?

Scholz lobt den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Zum Beispiel, wenn es um die Aufnahme von nun rund 800.000 registrierten ukrainischen Geflüchteten geht, die derzeit in Deutschland sind. Das hätten die Bür­ge­r:in­nen ganz gut gemacht, sagt der Kanzler. Er weiß, die Bevölkerung braucht einen langen Atem, denn der Krieg in der Ukraine würde länger dauern als gedacht und die Entbehrungen würden auf allen Seiten größer sein als vermutet.

Zum Beispiel, wenn es um steigende Energiepreise geht. Wer ein geringes Einkommen hat, den wird die Inflation, die Umstellung auf alternative Energien, die Unabhängigkeit von Russland bei der Gasversorgung schwer treffen. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, bringt die „Armen in der Gesellschaft“ in die Diskussion ein. Wie gelingt es, dass möglichst niemand abgehängt wird? Entlastungen für steigende Wohnmieten und Energiepreise – geht das nur mit der Gießkanne oder geht es besser mit einer differenzierten Antwort? Scholz hat sie nicht. Zumindest nicht konkret.

Er verteidigt die deutschen Waffenlieferungen. Der Krieg in der Ukraine richte sich gegen „unsere Werte“, sagt Scholz. Frieden entstehe nicht durch gewaltsame Unterwerfung. Gerechtigkeit sei die Voraussetzung. „Sind so viele Waffen nötig?“, fragen die Be­su­che­r:in­nen des Katholikentags. „Ja!“, sagt Scholz. Und er wird noch deutlicher: „Wir werden, wenn wir dieses Sondervermögen beschlossen bekommen, erstmal in großem Umfang Munition bestellen.“

Es gehe darum, Einsätze, die von der EU oder den Vereinten Nationen geführt werden, begleiten zu können und darum, dass man auf Angriffe auf das heimische Territorium vorbereitet sei, sowie um sichere Kommunikation. Derzeit ringen Union und Ampel um eine Einigung zum Sondervermögen. Die Union verlangt, dass die 100 Milliarden nur der Bundeswehr zukommen, die Ampel will einen kleineren Anteil auch für Cybersicherheit und zivile Prävention einsetzen.

Entwicklungsetat soll nicht zu kurz kommen

Weil Scholz auf dem Katholikentag ist, darf natürlich auch eine Beruhigungspille für die Entwicklungszusammenarbeit nicht fehlen. Zuerst ein Schlenker auf den afrikanischen Kontinent. Scholz hat vor wenigen Tagen Senegal, Niger und Südafrika besucht. Er preist seine globale Perspektive, wie zentral es sei, mit den Demokratien der Welt ein neues Einvernehmen zu finden. Auch der deutsche Entwicklungsetat werde in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen. Offenbar soll auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass mehr Geld in Kriegsgerät fließen wird als in Aufbauarbeit.

Zufälligerweise hat Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ausgerechnet am Freitag die Ukraine besucht und dort Soforthilfen und weitere Unterstützung für den Wiederaufbau des Landes zugesichert. Laut Ministerium wurde das Sofortprogramm etwa für die Schaffung von Wohnraum für Binnenvertriebene in den vergangenen Wochen auf rund 185 Millionen Euro aufgestockt. Da durch den russischen Angriffskrieg eine globale Hungerkrise droht, hatten die G7-Entwicklungsminister:innen sich bereits auf ein Bündnis für globale Ernährungssicherheit verständigt. Auch dafür soll es Geld geben.

Der Katholikentag wäre nicht der Katholikentag, wenn der Bundeskanzler nicht auch einfach nur mal Mensch sein dürfte, nachdem er zu Krieg, Klima und Hunger Rede und Antwort stehen musste. Und so wissen die Be­su­che­r:in­nen jetzt, dass „Vater Scholz“ einmal einen schwarzen Kater hatte und lieber Rock als Hip-Hop hört.

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