Finnland strebt Nato-Mitgliedschaft an: Ende der Allianzfreiheit

Finnlands Beitritt ist so gut wie beschlossen – die Sicherheitslage habe sich seit dem Ukrainekrieg geändert. Die Nato verspricht zügige Aufnahme.

Magdalena andersson im blauen Mantel und Sanna Marin in schwarzer Lederjacke gehen nebeneinander

Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (l) und Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin Foto: Paul Wennerholm/ap

STOCKHOLM taz | „Unverzüglich“ soll er gestellt werden, der Antrag Finnlands auf Mitgliedschaft in der Nato. Das erklärten Staatspräsident Sauli Niinistö und Ministerpräsidentin Sanna Marin in einer am Donnerstagvormittag veröffentlichten gemeinsamen Presseerklärung. Vermutlich am Sonntag wird der formale Beschluss folgen, am Montag eine Sondersitzung im Reichstag in Helsinki.

„Eine Nato-Mitgliedschaft würde die Sicherheit Finnlands stärken“, heißt es zur Begründung in der knappen Stellungnahme von Staatsoberhaupt und Regierungschefin: „Als Nato-Mitglied würde Finnland die gesamte Verteidigungs­al­lianz stärken.“ Und beide geben ihrer Erwartung Ausdruck, dass die noch erforderlichen Schritte „schnell innerhalb der nächsten Tage getan werden“.

„Im Prinzip ist damit alles klar“, sagt Charly Salonius-Pasternak, sicherheitspolitischer Experte an Finnlands Außenpolitischem Institut FIIA. Nach der Verfassung sind es der Präsident und der außen- und verteidigungspolitische Ministerausschuss, die einen derartigen Beschluss zu fassen haben.

Eine Abstimmung im Parlament ist nicht erforderlich und soll es dem Vernehmen nach auch nicht geben. Aber auch dort gibt es eine überwältigende Mehrheit für eine Nato-Mitgliedschaft. In einer Umfrage der Tageszeitung Helsingin Sanomat haben sich nur 10 der 200 Reichstagsabgeordneten gegen einen Beitritt ausgesprochen.

Ende der „allianzfreien“ Phase

Die Option einer Nato-Mitgliedschaft „für den Fall, dass eine Änderung der Sicherheitslage das erfordert“, gehört seit Mitte der 1990er Jahre zur Basis der finnischen Außen- und Sicherheitspolitik. 1992 war der 1948 zwischen Finnland und der Sowjetunion geschlossene „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ ausgelaufen.

Damit endete die Phase der „Neutralität“, die der Preis war, den das Land wegen seines Kriegs gegen die Sowjetunion an der Seite Hitlerdeutschlands zahlen musste. Statt als „neutrales“ definiert man sich seither als „al­lianz­freies“ Land. Offiziell gibt es seit 1994 eine militärische Zusammenarbeit mit der Nato im Rahmen des „Partnerschaft für den Frieden“-Programms.

Für einen möglichen Beitritt hatte sich in vergangenen knapp drei Jahrzehnten aber nur eine Minderheit unter den Parlamentsparteien und bei Umfragen meist nur rund ein Fünftel der Bevölkerung ausgesprochen. Das änderte sich schnell mit der russischen Invasion in der Ukraine.

Zügiger Beitrittsprozess

Noch Anfang März hatte Ministerpräsidentin Sanna Marin einen möglichen Beitrittsantrag jedenfalls in dieser Legislaturperiode ausgeschlossen – zwei Wochen später galt das nicht mehr. „Entscheidend waren wohl vor allem unsere Geschichte und die 1.340 Kilometer gemeinsame Grenze mit Russland“, sagt der Staatswissenschaftler Göran Djup­sund: „Mein Vater war fünf Jahre an der Front. Und die meisten Familien können eine ähnliche Geschichte über ihre Eltern oder Großeltern erzählen.“

Finnland sei eines der engsten Partnerländer der Nato, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der Stellungnahme von Marin und Niinistö: „Die Allianz heißt Finnland mit offenen Armen willkommen.“ Der Beitrittsprozess werde „zügig und reibungslos“ ablaufen.

Diese „Expansion der Nato fördert die Sicherheit in Eurasien nicht“, erklärte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut der russischen Nachrichtenagentur Tass: Russland müsse diesen Schritt als eine Bedrohung ansehen, wobei aber entscheidend sei, „inwieweit die militärische Infrastruktur näher an unsere Grenzen heranrückt“.

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