DGB-Kundgebung am 1. Mai in Berlin: Wer warf das Giffei?

Berlins Regierende Bürgermeisterin wird ausgebuht und beworfen. Daraufhin verlässt Giffey nach kurzer Rede die Bühne.

Franziska Giffey spricht auf einer Bühne an einem Rednerpult während der DGB-Kundgebung

Kurzer Auftritt: Nach wenigen Minuten brach Franziska Giffey ihre Rede beim DGB ab Foto: Jörg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Kurz bevor Franziska Giffey ihre Rede am Brandenburger Tor nach wenigen Minuten abbricht, fliegt ein Ei in ihre Richtung. Das ist dokumentiert, geht aber im allgemeinen Getöse weitgehend unter. Die Regierende Bürgermeisterin – vom DGB eingeladen, auf dessen Demonstration nach der Landesvorsitzenden Katja Karger und Bundeschef Reiner Hoffmann zu sprechen – schafft es nicht, der Wand aus lauten Buhrufen und Pfiffen mehr als ein paar Sätze entgegenzurufen.

Nachdem Karger und Hoffmann vergeblich um Respekt vor dem Gast gebeten hatten, sagt Giffey selbst, sie sei gewählt worden, „weil es richtig ist, dass alle in einem demokratischen Land ihre Stimme erheben können. Es ist aber wichtig, zuzuhören.“ Und verlässt danach die Bühne.

Es sind dabei keineswegs alle Teilnehmenden, die die SPD-Politikerin niederbrüllen. Vielmehr handelt es sich um eine starke Minderheit aus dem Spektrum der linken Jugendorganisationen und der Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen. „Volksentscheid umsetzen!“, skandieren sie lautstark, und als Giffey beteuert, sie setze sich mit dem Senat für bezahlbares Wohnen ein, wird „Wohnungsmafia, Wohnungsmafia“ gerufen.

Einer der Zwischenrufer hält ein Linken-Fähnchen, von hinten nähert sich ihm ein Paar im Rentenalter, das SPD-Fähnchen trägt. „Na, das ist ja 'ne super Solidarität!“, raunzt der alte Demonstrant dem jungen zu. Den ficht das nicht an: „Frau Giffey kann sprechen, wo sie will, im Abgeordnetenhaus oder im Fernsehen. Aber nicht hier und heute. Das ist die Bühne der Arbeiterklasse.“

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Giffey verurteilte den Eierwurf später auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Jeder vom uns weiß: Proteste am 1. Mai gehören nun mal dazu, Gewalt jedoch nicht.“ Sie lasse sich davon jedoch „in meiner politischen Arbeit nicht beirren“.

Der Ukrainekrieg ist ein weiteres beherrschendes Thema auf der ideologisch extrem heterogenen Demonstration

Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) nahm Giffey in Schutz. „Eierwürfe gegen die Regierende Bürgermeisterin sind einfach respektlos und daneben“, schrieb Jarasch auf Twitter. „Und bringen sicher nicht mehr Gerechtigkeit.“

Kritik aus dem linken Gewerkschaftsspektrum an Giffeys Präsenz hatte es schon vor einigen Tagen gegeben: Die Junge GEW Berlin forderte den DGB auf, die Regierende wieder auszuladen. An den Schulen arbeiteten viele über ihrem Limit. Aber die jüngst ins Leben gerufene Tarifbewegung für mehr Personal und kleinere Klassen sowie deren Ankündigung, diesen Forderungen auch mit Streiks Nachdruck zu verleihen, habe Giffey sofort kritisiert.

Auch ein Vertreter des „klassenkämpferischen Blocks“ bei der DGB-Demo kritisierte, dass Giffey als Chefin des öffentlichen Dienstes für millionenschwere Kürzungen im Personalbereich und damit „in Wirklichkeit bei Auseinandersetzungen mit den Arbeitenden auf der anderen Seite“ stehe.

Der Ukrainekrieg ist ein weiteres beherrschendes Thema auf der ideologisch extrem heterogenen Demonstration – erstmalig seit Beginn der Pandemie wieder mit einem Live-Zug vom Alexanderplatz zur Straße des 17. Juni, samt Kundgebung und Straßenfest. Zwischen den Abordnungen der DGB-Teilgewerkschaften laufen immer wieder Gruppen aus dem extrem linken und internationalistischen Spektrum, deren Forderungen „Weder Putin noch Nato“ oder „Zeit für eine neue Friedensbewegung gegen jede imperialistische Aggression“ lauten.

DGB kritisiert Aufrüstung

Auch die Forderung Reiner Hoffmanns, Deutschland müsse „einen substanziellen Beitrag zur Verteidigungsfähigkeit im Rahmen der EU und Nato leisten“, wird mit vielen Buhrufen quittiert. Er schiebt allerdings auch noch nach, die Rüstungsspirale müsse ein Ende haben, und der DGB sage „klar und deutlich nein zu massiver Aufrüstung“. Das Geld werde dringend für Zukunftsinvestitionen in soziale und ökologische Gerechtigkeit benötigt.

Am Rand stehen zwei ältere Frauen. Warum sie gekommen sind? „Als Gewerkschafterin muss ich mich in dieser Zeit vor allem gegen den Krieg wenden, und das bedeutet auch gegen die weiteren Waffenlieferungen“, sagt eine der beiden. Sie sei froh gewesen, dass der Bundeskanzler dabei so lange auf der Bremse gestanden habe. „Aber das ist ja jetzt auch vorbei.“

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