Gleichberechtigung für nackte Oberkörper: Brust raus im Schwimmbad

In Göttingen können bald alle Menschen oberkörperfrei ins Schwimmbad. Ein Fortschritt bei der Gleichberechtigung – allerdings bisher nur am Wochenende.

Eine Frau mit Bademütze steht bis zu den Brüsten im Wasser und winkt mit beiden Armen. Ihr Oberkörper ist nackt

Oben ohne baden, und das als Frau? Geht doch – demnächst dann auch in Göttingens Schwimmbädern Foto: Julian Stratenschulte/dpa

BREMEN taz | Ab dem 1. Mai können in Göttingen auch Frauen mit nacktem Oberkörper ins Schwimmbad – so wie es Männern schon immer erlaubt war. Das neue Recht soll allerdings vorerst nur an den Wochenenden gelten – und erst einmal auf Probe bis Ende August. Auf den Kompromiss hat sich der Sportausschuss der Stadt am Dienstag geeinigt.

Den Sinneswandel angestoßen haben in Göttingen Mina Berger (Name von der Redaktion geändert) und das Bündnis „Gleiche Brust für alle“. Nachdem Berger im August 2021 im Göttinger Eisbad ihr Oberteil ausgezogen hatte, war die nichtbinäre Person des Bades verwiesen worden und hatte Hausverbot bekommen. Eine Ungleichbehandlung, argumentierte Berger – schließlich dürfen als Männer gelesene Personen allerorten ihre nackte Brust zeigen.

Der Fall löste eine breite Diskussion aus. Am Dienstag hat der Sportausschuss nun einstimmig für die veränderten Regeln gestimmt. Die Debatte um das gleiche Recht aller Geschlechter, den Oberkörper nackt zu zeigen, wird auch anderswo geführt, doch mit dem Beschluss gehört Göttingen nun bundesweit zu den Vorreitern.

Uneingeschränkt über die Entscheidung freuen können sich die Be­für­wor­te­r*in­nen trotzdem nicht. „Gleichstellung bei der Badekleidung findet jetzt am Wochenende statt“, sagt Göttingens Gleichstellungsbeauftragte Christine Müller. „Immerhin. Aber etwas absurd ist es schon.“

Gleichberechtigung ist kein Kompromiss

Das Schulschwimmen wäre sonst beeinträchtigt, heißt es als Begründung. Der Geschäftsführer der Göttinger Sport- und Freizeit GmbH argumentiert zusätzlich mit „Nutzern aus anderen Kulturkreisen“ – und einige Ratspolitiker mit der „öffentlichen Meinung“: Bis auf SPD und Linke haben sich alle Fraktionen nur für die eingeschränkte Freiheit für weibliche Brüste eingesetzt. „Wir wollten einen Beschluss, der in der Bevölkerung Akzeptanz findet“, sagt Sportausschussmitglied Mehmet Tugcu (Grüne). „Gleichberechtigung muss auch Mehrheiten finden.“

Im Bündnis sieht man das anders; „Gleichberechtigung ist nicht zu verhandeln“, meint Sari Sprinke vom Bündnis. „Vielleicht liegt die Lösung in einer Klage, damit wir sieben Tage die Woche Gleichberechtigung erreichen.“ Erst mal geht es noch nicht in den Gerichtssaal: Während der Probephase wollen die Ak­ti­vis­t*in­nen des Bündnisses so oft es geht Präsenz zeigen und gemeinsam in die Bäder gehen – oberkörperfrei natürlich.

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