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Ukrainekrieg lässt Getreidepreise steigen„Völlig überzogene Forderungen“

Weniger Pflanzen für Agrokraftstoffe wegen des Kriegs? Der Bauernverband lehnt das ab – und fordert stattdessen einen Verzicht auf Umweltschutzregeln.

Ein Junge im Kornfeld: Wegen des Ukrainekriegs steigen die Weizenpreise Foto: Cavan Images

Berlin taz | Der Deutsche Bauernverband lehnt Forderungen ab, wegen des Ukrainekriegs keine Pflanzen für Agrokraftstoffe mehr anzubauen. „Pauschale Forderungen nach Abschaffung von Bioethanol in Deutschland sind völlig überzogen“, sagte Udo Hemmerling, stellvertretender Generalsekretär der Organisation. Allenfalls „über Anpassungen im Detail“ könne nachgedacht werden.

Wir müssen noch schneller weniger tierische Lebensmittel verbrauchen

Umweltverbände wie der WWF oder die Deutsche Umwelthilfe hatten verlangt, im Kampf gegen eine drohende Hungerkrise etwa die Weizen-, Roggen- und Maisflächen für Agrokraftstoffe künftig für Lebensmittel zu nutzen. So könnten schätzungsweise mehr als 800.000 Hektar oder rund 5 Prozent der Agrarfläche freigemacht werden.

Diese Umstellung wäre anders als eine Reduzierung der Tierzahlen und damit des Getreideverbrauchs für Futter kurzfristig möglich. Die Weltmarktpreise für Getreide sind stark gestiegen, weil Lieferungen aus der Ukraine und Russland ausfallen. Das könnte laut Hilfsorganisationen Millionen von Menschen in Entwicklungsländern in den Hunger treiben.

Bisher dürfen die Mineralölkonzerne laut Bundesimmissionsschutzgesetz die von der EU geforderten Treibhausgaseinsparungen erfüllen, indem sie Benzin und Diesel Agrosprit beimischen. Mehreren Studien zufolge hat Agrosprit jedoch eine schlechtere Klimabilanz als fossile Kraftstoffe, wenn man die Folgen des hohen Flächenverbrauchs einkalkuliert.

Schlempe für Rinder

„Insgesamt ist der Einsatz von Getreide für Biokraftstoffe in Deutschland mit derzeit etwa 900.000 Tonnen bei einer Getreideernte von circa 45 Millionen Tonnen als moderat anzusehen“, argumentierte Hemmerling. Der Einsatz von Getreide und Raps für Biokraftstoffe bringe zusätzlich heimische Eiweißfuttermittel für die Tierhaltung, zum Beispiel Rapsschrot.

Umweltschützer kann Hemmerling damit jedoch nicht überzeugen. Rapsschrot und Getreideschlempe aus der Ethanolproduktion würden vor allem an Rinder verfüttert, sagt Martin Hofstetter, Agraringenieur bei Greenpeace: „Wir haben aber eigentlich keinen Mangel an eiweißreichem Futtermittel für Rinder.“

Zudem seien die Getreidemengen für Agrosprit sehr wohl erheblich. „Das sind 2 Prozent der Ernte. Wenn wir darüber nicht reden wollen, dann brauchen wir auch über die vom Bauernverband kritisierten Pläne der EU für eine Flächenstilllegung nicht mehr reden, Herr Hemmerling“, so Hofstetter.

Weitere 2 Prozent

Die EU verlangt, dass ab 2023 wegen des Naturschutzes 4 Prozent der Ackerfläche nicht für die Produktion genutzt werden. „Schon jetzt gibt es auf 2 Prozent zum Beispiel Bäume, Hecken oder Tümpel. Jetzt müssten also nur noch 2 weitere Prozent aus der Produktion genommen werden“, erklärt der Greenpeace-Aktivist.

Auch eine „Kurzanalyse“ der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sieht „nur einen marginalen Effekt auf Produktionsmengen und Weltmarktpreise von Getreide“. Selbst wenn alle Stilllegungen wegfielen, würde die EU selbst nach optimistischen Annahmen lediglich „bis zu 4,4 Prozent“ mehr produzieren. Das würde die weltweite Produktion um 0,4 Prozent erhöhen. „Unter dem gegebenen Szenario würden die durchschnittlichen Getreidepreise auf dem Weltmarkt lediglich um 0,7 Prozent fallen“, so die Stiftung.

Statt auf Umweltschutz zu verzichten, sollten die Geberländer schnell sehr viel mehr als bisher an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen überweisen, damit es trotz der höheren Preise genügend Lebensmittel an Hungernde etwa in Entwicklungsländern verteilen kann.

Das verlangten auch 200 WissenschaftlerInnen in einer Erklärung vom Freitag. Sie empfahlen außerdem, dass reiche Länder noch schneller weniger tierische Lebensmittel wie Fleisch und Milch verbrauchen. „Durch eine stärker pflanzlich basierte Ernährung anstelle von Fleisch wären in der Welt letztlich mehr Nahrungsmittel verfügbar, einfach weil die Tierproduktion ineffizient ist“, sagte Co-Autor Marco Springmann von der Universität Oxford.

Weiterhin müssten die Landwirte wesentlich mehr Hülsenfrüchte anbauen und müsste die EU-Agrarpolitik insgesamt ökologischer werden, um die Abhängigkeit von russischem, mithilfe von Erdgas produzierten Mineraldünger zu verringern. Die ExpertInnen verlangen auch, dass weniger Lebensmittel verschwendet werden, „da beispielsweise die Menge an vergeudetem Weizen allein in der EU etwa der Hälfte der Weizenexporte der Ukraine entspricht“.

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18 Kommentare

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  • Bei den Jetzigen Preisen für Getreide und Raps, lohnt eine energetische Verwertung nicht mehr. Auch die Verwertung in der Tierhaltung ist, derzeit trotz hoher Preise für Fleisch Milch und Eier kaum rentabel. Das wird sich schon marktwirtschaftlich lösen.

    • @Bernhard Hellweg:

      ob dabei aber eine sinnvolle Lösung herauskommt... glaub ich eher nicht

  • Getreide wahr über Jahrzehnte, vor allem in Deutschland, zu billig.



    Wir müssen davon wegkommen unsere Landwirte mit Almosen abzuspeisen, nur dafür das Lebensmittel für den Verbraucher Subventioniert werden. Warum sollte der Deutsche nicht auch, wie andere Länder, 15 - 20 % seines Lohnes für Lebensmittel ausgeben ??



    Was hier verlangt wird ist die Quadratur des Kreises : Produzieren zu Allerhöchsten heutigen ( Bio ) Standards, natürlich in ausreichender Menge und Qualität zu den Preisen wie vor 50 Jahren.



    Der Fleischverbrauch Weltweit nimmt zu, auch in Deutschland sind Vegetarier und Vegane in der absoluten Minderheit, soll jetzt der Schwanz mit dem Hund wedeln ??

  • So ein Krieg muss sofort ausgenutzt werde. Also Preise hoch. Ach ja - dann steigt eben auch der Gewinn. Passt!

  • Natürlich ist es Schwachsinn Lebensmittel in den Tank zu stecken. Andererseits rentiert sich der Schwachsinn eben:"Bisher dürfen die Mineralölkonzerne laut Bundesimmissionsschutzgesetz die von der EU geforderten Treibhausgaseinsparungen erfüllen, indem sie Benzin und Diesel Agrosprit beimischen."



    Willkommen im (globalen) Kapitalismus! Es ist immer einfach sich bestimmte Sündenböcke raus zu picken- hier der Bauernverband bzw. die Landwirte im allgemeinen - und dann fleißig den schwarzen Peter rüber zuschieben. In dem Fall hätte man doch diese Gesetze besser gar nicht erst gemacht. Nur hängen eben da eben auch wieder andere Lobbyverbände (Mineralölwirtschaft) mit drin.Und wer verzichtet schon freiwillig und kampflos auf Profite? Wobei Image auch ein "Profit" ist. Deswegen ist Greenwashing so angesagt, Natürlich muß auch hier die Kosten-Nutzen -Balance stimmen. Wir sind ja nicht im Sozialismus!!!11

  • Warum ist die Umstellung von Biogas-Mais auf Lebensmittel schneller und einfacher als die Reduktion von Schlachtvieh?



    Die Tiere werden gehalten, um sie zu töten, da geht eine Reduktion sehr schnell, wenn man das will. eigentlich sogar schneller als die Umstellung eines Ackers auf eine andere Bepflanzung als vorgesehen.



    Dumm nur, dass es den Menschen erneut die Gelegenheit gibt, zu erkennen, wie dreckig das Spiel mit der industriellen Fleisch"produktion" ist.

  • Man stelle sich vor, die frühere Füöderungsministerin für industrielle Nahrung, Großbauern und Hersteller von tödlichem Gift für die Landwirtschaft wäre immer noch im Amt. Jede der Forderungen wäre umgehend erfüllt worden!

    Ach wäre diese verachtenswerte Frau doch nur Weinkönigin geblieben!

  • Biotreibstoff senkt die Kohlendioxidemission nicht nur nicht sondern erhöht sie sogar. Die intensive Überdüngung, Pestizidbelastung und Bodenzerstörung kommen dazu. Gerade dazu erschienen:



    DOI:10.1073/pnas.2200997119 und DOI:10.1073/pnas.2101084119.



    Das zweite nicht open access aber mindestens den Abstract kann jeder lesen.

  • Na klar fordert der Bauernverband das, weil dem Umwelt verpesten einfach wichtiger ist als mal endlich seine Produktionsmethoden im Großmaßstab zu verändern!

  • Deutscher Bauernverband: von gestern aus Prinzip.

    Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass das mit den Biokraftstoffen nicht so der Hit ist.

    Was im Artikel nicht erwähnt wird: Düngerproduktion ist energieintensiv.

  • P.S. Warum sollen wir für ALDI schuften und die Schwartz-Gang (Lidl) ist eh schon reich genug mit ihrer Fronwirtschaft auf ehemaligen LPG-Anbauflächen !

  • "Statt auf Umweltschutz zu verzichten, sollten die Geberländer schnell sehr viel mehr als bisher an das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen überweisen, damit es trotz der höheren Preise ..."

    die Weltmarktpreise werden unmittelbar an den Börsen gemacht, und das Börsen nicht das Allgemeinwohl im Sinne haben, sollte eigentlich bekannt sein. Ein Gros der gestiegenen Weltmarktpreise sind der Spekulation zuzuschreiben, Angebotsverknappung ist nur ein Anlass für steigende Preise, aber nicht die Ursache für die Höhe der Preise.



    Seit unter Clinton die Restriktionen für die Spekulation mit Lebensmittelrohstoffen gefallen sind, ist der Börsenhandel quasi von den realen Gegebenheiten entkoppelt.



    Mehr Geld füttert die Finanzindustrie, das eigentliche Problem ist die Spekulation.



    Auf Arte gab es vor kurzem eine sehr gute Doku zu dem Thema.



    www.arte.tv/de/vid...-A/boom-und-crash/

    • @nutzer:

      "Mehr Geld füttert die Finanzindustrie, das eigentliche Problem ist die Spekulation."



      Wobei das wohl nur die eine Seite der Medaille ist. Bleibt es bei dieser einseitigen Betrachtung, so würde ich einwenden, dass dies auf eine verkürzte Kapitalismuskritik hinausläuft, die die Verwobenheit der Wirtschaftssphären Produktion und Finanzen ausblendet.



      Krisis hatte dazu mal plausibles veröffentlicht. Hier ein etwas älterer Text von 2010:



      www.krisis.org/201...-produktionsweise/

      • @Uranus:

        Da haben Sie Recht, die Spekulation ist ein grundlegendes Problem, in der jetzigen Krise hilft das nicht.



        Es sollte jedoch nicht ausgeklammert werden, dass die Preissprünge einfach so gottgegeben sind...

  • Wann, wenn nicht jetzt, wo sich herausstellt, wie schwachsinnig das war, Viehhaltung mit zugekauftem Getreide zu betreiben und Agrarwirtschaft mit teuren Düngemitteln, einfach einmal Schluß zu machen mit dieser subventionsgetriebenen industriellen Landwirtschaft. Inzwischen kann der Ökobauer, der seine Felder ohne Kunstdürnger durch Wechselwirtschaft betreibt und das Viehfutter selbst anbaut, seine Produkte günstiger produzieren, wenn wir von den Subventionen absehen. Der gefesselte 'arme' Industriebauer muß einfach nachhaltiger wirtschaften lernen, braucht eine Lobby beim Durchsetzen höherer Preise und Gewerkschaften zum Durchsetzen höherer Löhne, vielleicht können Sozialhilfeempfänger gegen entsprechende Anreize sogar die sonst eingeflogenen ukrainischen Wanderarbeiter ersetzen, eigentlich sollten wir Arbeit genug haben und nutzen, um als Gesellschaft unabhängiger von Raubrittern werden zu können. Geduld beim Anlernen und Durchhaltewillen gehören dazu.

    • @Dietmar Rauter:

      Ihnen ist schon klar, dass die Biolandwirtschaft doppelt soviel Subventionen erhält wie die konventionelle Landwirtschaft.

      • @gynnie24:

        Wenn man die gesamtgesellschaftlich zu tragenden Folgen der konventionellen Landwirtschaft (überlastete Böden, Überdüngung, Nitrat im Grundwasser, Abhängigkeit von Kunstdünger-Despoten etc. pp.) mal außen vor lässt…

  • "Diese Umstellung wäre anders als eine Reduzierung der Tierzahlen und damit des Getreideverbrauchs für Futter kurzfristig möglich."



    Dennoch würde zunehmend der Bedarf an Futtermitteln zurückgehen, wenn die Nachzucht sowie Import von Tieren verboten würde. Mensch bedenke, dass in Deutschland allein täglich über 2 Millionen Landtiere getötet werden.[1] Entsprechend hoch ist die Nachzucht bzw. der Import.



    [1] de.statista.com/in...schlachtete-tiere/