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Muezzinrufen in KölnLasst sie rufen

Gastkommentar von Amed Sherwan

Religionslose müssen ständig das Glockenläuten der Kirchen ertragen. Da sollte Muezzinen auch einmal pro Woche ihr Ruf zugestanden werden.

Viele nichtreligiöse Deutsche müssen auch das Glockenläuten ertragen Foto: imago

D er Ruf des Muezzins weckt in mir unangenehme Erinnerungen. Ich verstehe den Impuls vieler Ex-Muslim*innen, gegen die Entscheidung der Stadt Köln zu wettern, trotzdem ärgert mich diese Debatte. 41 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland gehört keiner Religion an und muss das ständige Glockenläuten der Kirchen trotzdem ertragen. Die Stadt Köln erlaubt den Moscheen den Ruf einmal wöchentlich für fünf Minuten. Wer hierin eine drohende Islamisierung sieht, misst mit zweierlei Maß.

Ja, da wird gerufen, dass es keinen Gott gibt, außer „Allah“. Der Begriff wird im arabischsprachigen Raum jedoch auch von christlichen und jüdischen Menschen für ihren Gott genutzt. Eine Weltanschauung mit Wahrheitsanspruch ist potenziell gefährlich. In den Händen der Mächtigen wird sie zu einem Instrument gegen alles, was angeblich „falsch“ ist. Das beste Mittel gegen diese Gefahr ist gelebte Diversität.

Während der Islam in vielen Ländern eine dominante Mehrheitsreligion ist, so leistet er hier einen Beitrag zur Vielfalt. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der sich alle Menschen mit ihrer Weltanschauung zu Hause und sicher fühlen. Ich ertrage, dass Religionen sichtbar gelebt werden, weil ich meine Weltanschauung auch offen zur Schau stellen darf.

Ich glaube, dass es wichtig für das Zusammenleben ist, wenn alle Menschen sich willkommen fühlen und ihre Traditionen mit denselben Maßstäben beurteilt werden. Daher lasst die Muezzins rufen oder verbietet Kirchenglocken gleich mit.

Amed Sherwan

Amed Sherwan,

geb. 1998 im Irak, ist mit 15 Jahren als Ex-Muslim inhaftiert und gefoltert worden und lebt seit 2014 in Deutschland. Er ist Aktivist und Autor von „Kafir. Allah sei Dank bin ich Atheist“(Edition Nautilus).

Gegenseitiges Misstrauen

Gerade weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wegen meiner Weltanschauung als Verbrecher behandelt zu werden, möchte ich das Verhalten anderer nicht nur deswegen kritisieren, weil es muslimisch ist.

Empörungswellen gegen alles Muslimische führen nur zu gegenseitigem Misstrauen und verhindern aus meiner Sicht die notwendige Auseinandersetzung damit, wo Zusammenleben in Vielfalt tatsächlich bedroht wird. Das ist der Fall, wenn Moscheen in Deutschland von menschenfeindlichen Regimes bezahlt werden.

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40 Kommentare

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  • Toleranz und Akzeptanz sind super. Ein hohes Gut. Aber schon bei der Toleranz, noch mehr bei der Akzeptanz, hapert es doch allerdings gewaltig bei vielen Religionen.



    Wäre schön, wenn die Katholiken neben Meerschweinchen auch homosexuelle Paare segnen. Und der Muezzin darf gerne rufen, solange keine Hassbotschaften gegen LGBT ausgesendet werden.



    Ansonsten muss ich das Gebimmel der Katholiken und den Muezzin auch nicht noch mit übermäßiger leichtgläubiger bzw. naiver bis hin zu gefährlicher Toleranz gutheißen. Gegenüber der AfD bin ich auch nicht tolerant und die verbreiten teilweise dieselben Hassbotschaften. Und mit dem Thema Antisemitismus bei manchen Religionen fange ich erst gar nicht an ...



    Toleranz und Akzeptanz sind halt keine Einbahnstraße!

    • @Jonas Goldstein:

      Es geht hier nicht um "Toleranz", sondern um Rechte, die für alle gleichermaßen gelten. Religionsfreiheit bedeutet nicht bloß, dass man im stillen Kämmerchen beten darf; dazu gehört auch ein Recht auf Öffentlichkeit. Damit müssen Sie sich ebenso abfinden wie die Frommen mit all den Dingen, die Ihnen vielleicht missfallen (auch darüber sollte man mit weniger Klischees nachdenken...).

      • @O.F.:

        Dem widerspreche ich nicht, trotzdem bleibt meine Forderung nach Artikel 2 der AEMR vorrangig, steht auch noch weit vor der Religionsfreiheit. Darüber sollte mehr nachgedacht werden, da die Gewichtung in der AEMR, an der sich auch unser GG ausrichtet, entscheidend ist! Wenn es gelingt, dies mit weniger Klischees zu verinnerlichen, umso besser. Bisher ist dies aber ganz offensichtlich nicht gelungen!!!

        • @Jonas Goldstein:

          Wenn die bloße Existenz von Religion bzw. deren öffentliche Wahrnehmbarkeit in Ihren Augen bereits eine Diskriminierung darstellt, sollten Sie vielleicht Ihr Weltbild in Frage stellen. Sie haben keinen Anspruch darauf, dass der Staat Ihnen andere Meinungen vom Leib hält. Ich erinnere wie so oft gerne daran, dass wir in der BRD leben, nicht in Nordkorea.

          • @O.F.:

            Sorry, aber Religionsausübung ist nur so lange hinzunehmen, wie nicht die Persönlichkeitsrechte anderer tangiert werden oder Diskriminierung ausgeübt wird. Wenn Religion diskriminiert, ist dagegen mit rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen. Rechtsstaatlichkeit hat mit Nordkorea nichts zu tun! Das müssen Sie wohl einsehen! Um die Wahrnehmbarkeit geht es dabei nicht, sondern darum, dass das Diskriminierungsrecht von Religion letztendlich immer noch staatlich akzeptiert wird. Und das ist nicht hinnehmbar! Das Gebimmel und der Muezzin sind da in der Tat nicht das Problem, sondern der Ganze unsägliche abzulehnende Ballast dahinter, der auch noch mit Steuergeldern und Privilegien von 18?? noch üppig finanziert wird. Ich verlange nur, dass die AEMR konsequent umgesetzt wird! Und nicht hinter Gebimmel Diskussionen scheinheilig versteckt wird!

            www.zeit.de/gesell...Fwww.google.com%2F



            www.queer.de/detai...p?article_id=40000



            www.deutschlandfun...:article_id=425539



            www.nordbayern.de/...ntlassen-1.2145346



            www.spiegel.de/kar...aus-a-1230021.html

            • @Jonas Goldstein:

              Stimmt, wenn Menschen diskriminiert werden, muss der Staat eingreifen, egal ob die Täter religiöse Vereinigungen, politische Parteien oder private Unternehmen sind.



              Nur werden Sie nicht allein durch Kirchenglocken oder Muezzinrufe diskriminiert. Sich auf die AEMR zu berufen, um pauschal Gläubige in ihrem Recht auf freie Religionsausübung zu behindern ist wiederum ziemlich diskrimierend und selbst ein Verstoß gegen deren Menschenrechte. Auch Fromme haben Rechte. Das allerdings müssen Sie einsehen.

              • @O.F.:

                Da sind wir uns einig, meine Unterstützung ist nur aufgrund der doch recht vielen und oftmals immer noch anhaltenden Verfehlungen der beiden betreffenden Religionen sehr beschränkt. Und wer sich auf die Menschenrechte beruft, kann auch keine Rosinenpickerei betreiben. Das tun nun mal aber beide Religionen ganz offensichtlich immer wieder sehr dreist!

  • "Religionslose müssen ständig das Glockenläuten der Kirchen ertragen. Da sollte Muezzinen auch einmal pro Woche ihr Ruf zugestanden werden."



    Die aus dem ersten Satz gezogene Schlussfolgerung ist doch komplett daneben.



    So etwa wie: Der Patient hat Kopfschmerzen ➞ Tritt ihn an´s Schienenbein!

    • @zeroton :

      Äh...Schienbein

  • Abgesehen davon, dass in den meisten Städten das kirchliche Glockengeläut bereits deutlich eingeschränkt wurde, würde ich auch den Muezzinruf ertragen, wenn nur von offizieller Seite etwas gegen die akustische und olfaktorische Landplage und obendrein mikroökologische Katastrophe der zweitaktgetriebenen Laubbläser, Kantentrimmer, Heckenfräsen etc. getan würde.



    Jetzt werden in den Baumärkten bereits die motorbetriebenen Schneefräsen in Stellung gebracht, selbst in Gegenden, wo es bestenfalls an 2 tagen im Jahr etwas Schnee gibt.



    Dazu die Motorradfreaks und Autoprolls, die sich nach Überschreiten jeglicher vernünftiger PS-Grenzen nun voll und ganz dem Sound-Tuning widmen und dafür sogar noch den TÜV-Segen bekommen...

    Das ist an Fanatismus und geistiger Verwirrung viel schlimmer als religiöse Verblendung, die meint, nicht ohne Glocken oder Muezzin-Megafon auskommen zu können.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Alle Geräusche dienen der Manipulation der Sinne. Der Glühwein schmeckt bei Glockenklang besser. Toast mit Marmelade und Orangensaft bei Muezzin. Wenn es sokalt ist, daß bei der Rückkehr von der Schlittentour aus dem Wald, an den Kufen des Schlittens noch 2 cm Eis sind, sind Glocken besser. Auf dem Weg ins Schwimmbad im Hochsommer, Muezzin

  • Wenn nun die Pastafari der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters auch ihren Ruf zur Nudelmesse (pas­sen­der­wei­se ebenfalls Freitags) mit entsprechender Tragweite verbreiten dürften, würden ggf. Mitmenschen und Tiere dadurch unnötig belastet. Dem Monster sei Dank, nutzt diese einzig wissenschaftliche Religion das World-Wide-Web um Interessierte direkt zu erreichen und benötigt keine Böllerkanonen, Schiffsglocken oder Nebelhörner für eine Terminerinnerung.

    • @Margaritos von Bucatini:

      Bisschen sozial könnten die Nudels schon sein und Nudelgerichte an Bedürftige auf der Straße verteilen.

  • RS
    Ria Sauter

    Kirchenglocken gleich mitverbieten, da bin ich sehr dafür!



    Anbieten kann man eine app, die läutet oder vom Turm ruft.



    Ansonsten bitte Ruhe und Religion zur Privatsache machen. Keine neuen Kirchen, keine neuen Moscheen!

    • @Ria Sauter:

      Auch Rasenmäher, Freischneider, Häcksler und Laubbläser bitte verbieten!

      • @Maria Burger:

        Spielende Kinder und feiernde Menschen auch gleich mit! Warum trauen Sie sich das nicht offen zu sagen?

    • @Ria Sauter:

      "Ansonsten bitte Ruhe und Religion zur Privatsache machen. Keine neuen Kirchen, keine neuen Moscheen!"



      Vielleicht auch noch Autofahren auch verbieten, sowie türkische Hochzeiten mit Autokorsos, lärmende Kinder, Rockkonzerte, Fußballspiele und Demos, gell ?



      Man könnte aber auch eine Art atheistischer Klöster gegründen, damit auch Freundinnen eines ruhigen, langweiligen Lebens mit vielen Verboten unter sich bleiben und unglücklich sein können :)

  • "Daher lasst die Muezzins rufen oder verbietet Kirchenglocken gleich mit."

    Ich bin der Ansicht, dass dann eben beides verboten werden muss. Die Entwicklung hinsichtlich Lärmquellen im öffentlichen Raum sollte eher in Richtung "weniger " als "mehr" Lärm gehen. Oder allenfalls in Gesprächslautstärke.

    Manches lässt sich nicht vermeiden, laute religiöse Bekenntnisse aber schon.

    • @*Sabine*:

      Nicht nur Glocken oder Stimmen. Auch Gitaren Posaunen und Trommeln sowie Lautsprecher! Alles Instrumente um Bekenntnisse zu verbreiten.

      • @Rudolf Fissner:

        Dann aber auch jede Art von Lärm bei Demos. Keine parolen, keine Megaphone, nur Stille. Schließlich ist die politische Einstellung Privatsache und ich will nicht von irgendwelchen Geräuschen behelligt werden. Wobei: sehen will ich das eigentlich auch nicht. Also bitte nur noch Schweigemärsche bei Nacht im Wald.

  • Na ja, schaue ich mir den Islam etwas näher an, fällt wie im Christentum auch, die enorme Vielschichtigkeit auf, besonders im Laufe der Jahrhunderte. Mal war der Islam spannend und kreativ (die phantastische Architektur, die arabische Schrift, Literatur, Malerei, Musik, Kunst überhaupt.

    Doch mal ehrlich, was hat der Islam der Gegenwart da zu bieten? Global tritt er aktiv eher in einer Art politischer Islam, Islamismus oder Dschihadismus auf.

    Irgendwelche positiven Einflüsse in Deutschland sind mir bisher nicht aufgefallen. Im Gegenteil. Für Frauen etwa? Oder JLGBT? (Das J steht für Jew).

    Interessant aktuell vielleicht das mystische Herz des Islam: Der Sufismus. Wunderschön.

    Namen wie Rabia oder Rumi sind auch hier im Westen bekannt. Sehr interessant auch Hazrat Inayat Khan.

    Phantastisch: A.H. Almaas. Seine "Essenz" schwer beeindruckend. Selten so eine kristallklare und inspirierende Sprache gelesen. Inhaltlich: Wunderbar.

    Leider werden die Sufis vom fundamentalistischen Islam verfolgt.

    "Vielfalt" kann für alle so bereichernd sein. Oder das Gegenteil bewirken.

    "Vielfalt" an sich ist nicht per se gut.

    Ich steh schon auf Qualität.

    Und wenn jemand von einem Turm aus die Dominanz dieses ganz besonderen Islam-Allahs ausruft, begegne ich dem mit sehr, sehr gemischten Gefühlen.

    Und schaue mir genau an, wie denn der Islam selbst zu "Diversität" steht, insbesondere zu denjenigen, die an keinen keinen Gott glauben. Oder an einen anderen. Wie viel tausend Götter brachte die Geschichte der Menschheit schon auf das Tapet?

    Pro Quality-Diversity.

    • @shantivanille:

      Vor allem: ein Gebetsruf einer DITIB-Moschee ruft gar nicht alle Muslime Kölns.

      Er ruft

      - männliche



      - türkischstämmige bzw. -sprachige



      - fromme, auf DITIB-Kurs fahrende Muslime.

      Alle anderen finden sich nämlich nicht eingeladen.

  • Religionen sind das Salz in der Suppe. Niemand hat den Afghanistankrieg so treffend verurteilt wie der Papst. Auch der boese Bischof Dyba war hier viel praeziser als Frau Kaesmann. Dies gehoert zu Koeln dazu.

    • @fritz:

      "Religion" kann unmöglich verallgemeinert werden.

      Zuerst gilt es zu unterscheiden zwischen "glaubensorientierten" und "erfahrungsorientierten" Religionen.

      Glaubensorientierte Religionen kennen wir, z. B. die drei abrahamitischen Religionen wie Christentum, Judentum, Islam, die alle an "ihren" Gott glauben, der wenn mich nicht alles täuscht, doch sogar derselbe ist.

      Dann gibt es da die "erfahrungsorientierten" Religionen wie den Buddhismus, Taoismus und eine Reihe weiterer kleinerer.

      Der originäre Sufismus redet zwar von Gott, geht man jedoch in die Tiefe, wird sich da eher das "Göttliche" finden, keine Person o. ä.

      Erfahrungsorientierte Religionen sind eher wissenschaftliche Religionen. Im Buddhismus muss ich mich schon ausführlich mit dem theoretischen Überbau der "Natur des Geistes" befasst haben. Kapieren werde ich ihn nie, dazu ist er viel zu abstrakt.

      Ich muss ihn erfahren: Meditieren, Übungen machen, sonst ist das alles nur Mindfuck. Staub in der Hand, einmal pusten, alles weg.

      Man muss auch nicht unbedingt Religion praktizieren. Die Beschäftigung z. B. mit der Humanistischen oder Transpersonalen Psychologie kann einen schon erheblich weiterbringen.

      Der Westen hat da mittlerweile sehr brauchbare Techniken entwickelt.

      Wobei selbst diese dem Buddhismus, insbesondere dem tibetischen Buddhismus noch weit hinterher hinken.

      Alle s Geschmackssache.

      Religion kann einem dem Himmel näher bringen oder direkt in die Hölle führen.

      IS und Afghanistan als Beispiel.

  • Es gibt auch Traditionen, ohne die das Zusammenleben nicht funktioniert. Die auch Grund fuer die Einwanderung waren. Dafuer muss man nicht religioes sein. Ich finde solche Gesaenge im Orient auch schoen. Sie gehoeren dort mit dazu. Koeln ist aber nicht der Orient.

  • Solange es nicht dazu kommt, dass wie in meiner Mutterheimat morgens um 4 Jugendliche im Stimmbruch über halbkaputte Schepperlautsprecher die halbe Stadt aufwecken, soll's mir recht sein.

    Wobei ich fürchte, dass die DITIB das Ganze sehr wohl als "Sieg" betrachtet. Ist es wirklich egal, wer da ruft?

  • Die debatte könnte sehr viel entspannter verlaufen wenn wir aufhörten dinge in die suppe zu rühren, die darin nichts zu suchen haben. Islamkritiker rufen 'Erdogan' und 'terrorgefahr', entdecken die böse, weil 'islamische' unterdrückung der frauen. Atheisten und agnostiker warnen vor dem religiösen opium. Wägen die geringer werdenden gottesdienstbesucher gegen dauer und phonstärke von kirchenglocken.

    Dabei haben kirchenglocken und muezzinrufe nur bedingt miteinander zu tun. Wir können sie neben- oder nacheinander diskutieren, sollten sie aber getrennt halten.

    Die bedeutung des christentums hat nachgelassen, die zahl der kirchenaustritte zu- , die der gottesdienstbesucher abgenommen. Kirchengeläut wird von immer mehr menschen als schädliche umwelteinwirkung wahrgenommen. Diese debatte muss geführt werden.

    Mit den anwerbeabkommen der bundesregierung sind seit den frühen 1960er jahren zunehmend menschen islamischen glaubens zugewandert und mittlerweile in dritter generation hier heimisch. Gemeinsam mit den in den 1980er und 90er jahren zugewanderten stellen muslim*a die zweitgrößte religionsgemeinschaft in deutschland. Mit seiner einladung zum freitagsgebet riefe der muezzin ihnen ein unausgesprochenes aber deutlich vernehmbares "willkommen herr und frau nachbar*in" entgegen.

    • @hinnerk untiedt:

      Einerseits, andererseits.

      Einerseits sind viele Migranten Muslime, andererseits sind die meisten ja gar nicht besonders fromm und leben auch nicht nach der Sharia. Samad hat schon recht, wenn er in der ZEIT fordert, die Integration endlich zu "entislamisieren", also nicht ständig auf die Religion zu schauen. Denn auch dadurch werden Migranten in eine Rolle gedrängt. Es sind eben nicht mehr türkisch-, afghanisch-, arabischstämmige Menschen, sondern nur noch "die Muslime".

      Dabei ist die Moschee in Köln eben eine DITIB-Moschee und damit nicht etwa "pan-islamisch", sondern eindeutig, explizit und exklusiv türkisch. Der Gebetsruf aus ihr mag ja alle möglichen frommen Muslime erreichen, faktisch lädt er aber eben nur die türkischstämmigen Männer zum Gebet (Frauen sollen freitags ja dezidiert nicht in die Moschee kommen).

  • Kann man nicht Autos, Kirchen / Moscheen und Kärcher leiser machen?

  • "oder verbietet Kirchenglocken gleich mit"



    Ja, genau das. Den Glauben, dass es beim einmaligen Ruf für 5 Minuten bleibt, dürften wohl die wenigsten in sich tragen. Das "Vergnügen", unweit von Kirche und Moschee zugleich zu wohnen, hatte ich andernorts (Siegen) bereits. Macht für das Seelenunheil keinen Unterschied, die Kombination macht's eben nur noch lästiger.

  • Ich wäre für letzteres... Kirchenglocken gleich mit verbieten.

    • @aLuckyGuy:

      Ihnen ist klar, dass Sie in einem Staat leben, der seinen Bürgern Religionsfreiheit zugesteht (und zu dieser Freiheit gehört auch die Öffentlichkeit - andernfalls würde sich die BRD nicht von drittklassigen Diktaturen unterscheiden, die ihre Bürger in der Regel auch nicht bis in den privaten Bereich hinein verfolgen)? Ich finde es immer wieder erschreckend, dass manche Atheisten genauso herrisch und autoritär argumentieren, wie religiöse Fanatiker.

      • RS
        Ria Sauter
        @O.F.:

        Religion soll und muss vom Staat getrennt sein.



        Jede/r kann seine Religion frei leben nur ohne den Nachbarn damit zu belästigen. Das wäre so schön.



        Es gibt auch freie Rundfunkanstalten. Ich höre gerne Musik. Soll ich meine Mitmenschen damit nerven, in dem ich sie laut beschalle?

        • @Ria Sauter:

          Ihr eigenes Beispiel widerlegt Sie: natürlich dürfen Sie in einem gewissen zeitlichen Rahmen Musik auch ohne Kopfhörer hören. Niemand erwartet von Ihnen lautlos und unsichtbar zu sein. Dasselbe gilt auch auch für Religiöse.



          Due Trennung von Religion und Staat bedeutet nicht, dass Religion aus der Öffentlichkeit verbannt wird. Sie müssen sich damit abfinden, dass Menschen auch Überzeugungen, die Sie nicht teilen, öffentlich zum Ausdruck bringen.

      • @O.F.:

        Sehr richtig. Es ist erschreckend, wie viele Menschen nicht begreifen, was Religionsfreiheit bedeutet und dass sie eben nicht Freiheit von Religion meint. Niemand hat ein Grundrecht darauf, vom bloßen Anblick, Klang oder Geruch religiöser Handlungen "verschont" zu werden. Ansonsten könnte man ja auch dezidiert humanistische Lieder, Demos etc. verbieten. Und ja, Weltanschauungen wie der Atheismus sind mit Religionen verfassungsrechtlich quasi identisch.

      • @O.F.:

        Was hat die persönliche Religionsfreiheit damit zu tun, dass die christlichen Kirchen öfters am Tag ihre Glocken anwerfen? Verwechseln Sie da nicht zwei Dinge?

        • @Mopsfidel:

          Kirchenglocken sind hörbarer Ausdruck von Glauben bzw. Religion (zwei durchaus unterscheidbare Dinge - das eine ist individuell, das andere gemeinschaftlich). Damit sind sie vom Grundgesetz besonders geschützt. Da sie niemanden einen bestimmten Glauben aufzwingen und ein etwaiges individuelles Interesse an Stille zumeist als zweitrangig hinter dem Verfassungsgut Religionsfreiheit eingestuft wird, sind sie schwer zu verbieten, da sie als Teil der Religionsfreiheit besonders geschützt sind.

        • @Mopsfidel:

          Zur Religionsfreiheit (oder, um es Allgemeiner zu sagen, zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, denn das ist der Punkt, um den es mir eigentlich geht), gehört eben auch das Recht auf Öffentlichkeit - und das heisst auch das Recht darauf, hör- und sichtbar zu sein.



          Mein Punkt ist hier nicht die Verteidigung der Religion; ich finde es lediglich befremdlich, dass ein sicheer gerne aufklärerisch wähnendes Atheisten-Milieu verlangt, dass alles ihnen unliebsame im stillen Kämmerchen verschwindet - ein urspießiger Reflex... Ich kann mich nur wiederholen: die Frommen müssen mit Swingerclubs und schwuler Subkultur leben, die Atheisten mit Kirchenglocken, Kopftüchern und Muezzinrufen. So ist das nun einmal in einer pluralistischen Gesellschaft.

          • @O.F.:

            Nö, Glockengeläut und Muezzinrufe sind Lärmbelästigung und Swingerclubs....Na gut, kommt auf den Swingerclub an.

            • @Suchender:

              Nur zur Erinnerung: es gibt kein öffentliches Schweigegelübde; andere Bürger, egal ob religiös oder nicht, dürfen innerhalb eines gewissen Rahmens natürlich auch akkustisch vernehmbar sein. Glockengeläut und Muezzinrufe sind also, solange sie nicht die ganze Nacht hindruch vernehmbar sind, keine "Lärmbelästigung", sondern ganz normale Alltagsgeräusche.