Gespräche zwischen FDP und Grünen: Gelb trifft Grün

Grüne und FDP möchten sich zu Vorsondierungen treffen. Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Und bei welchen Themen knirscht es? Ein Überblick.

Gelbe und grüne Wolle

Gelbe und grüne Wolle kann schicke Socken ergeben. Aber gehen die Farben auch politisch zusammen? Foto: Jose A. Bernat/getty images

BERLIN taz | Die Bundestagswahl ist rum und die Initiative liegt nun bei Grünen und FDP. An den beiden Parteien hängt, wer Kanzler wird: Olaf Scholz von der SPD und doch der knapp zweitplatzierte Armin Laschet von der Union. Ohne Grüne und FDP wird wohl keiner von beiden eine Koalition bilden. Aber bevor die kleineren Parteien mit den großen Parteien reden, wollen Sie erst einmal untereinander sprechen. Um was geht es bei diesen Vorsondierungen? Der Überblick:

Klimaschutz: Gibt die FDP nach?

Hier passts nicht: Während die Grünen (wie Union und SPD) Klimaneutralität in Deutschland spätestens 2045 erreichen wollen, geht die FDP vom Zieljahr 2050 aus. Auch beim Weg zu diesem Ziel setzen Grüne und Liberale unterschiedliche Schwerpunkte: So will die FDP Klimaschutz praktisch komplett über den Markt erreichen, nämlich mit einem CO2-Deckel und Zertifikatehandel für alle Sektoren.

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Doch weil ein zu schnell steigender CO2-Preis sozialpolitisch problematisch wäre, setzen die Grünen auch auf Ordnungsrecht, wie staatliche Unterstützung für Klimaschutz-Investitionen. Ein Investitionsprogramm in Milliardenhöhe könnte aber daran scheitern, dass die FDP sowohl Steuererhöhungen als auch neue Schulden ablehnt.

Hier passts: Auch bei den Grünen spielt der CO2-Preis eine Rolle, um klimafreundlichen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen, und auch bei der Rückzahlung der Einnahmen in Form einer Klimaprämie gibt es Einigkeit. Auch das Vorziehen des Kohleausstiegs wollen sowohl Grüne als auch FDP über den Emissionshandel erreichen.

Prognose: Trotz dieser Gegensätze dürfte eine Einigung beim Klimathema durchaus möglich sein. Die FDP dürfte sich eine Stärkung des Emissionshandels als Erfolg anrechnen und bei anderen Fragen dafür nachgeben – wohl wissend, dass die Grünen sich bei ihrem Kernthema weitgehend durchsetzen müssen, um mit einem Koalitionsvertrag vor ihrer Basis und ihren Wäh­le­r*in­nen bestehen zu können. Malte Kreutzfeld

Bei Finanzfragen zwei Gegenpole

Hier passts: Mehr Geld für Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz. Das wars dann schon mit den Gemeinsamkeiten bei Grünen und FDP in Finanzfragen.

Hier passts nicht: Die Grünen fordern höhere Steuern, aber vor allem bei Gut­ver­die­ne­r*in­nen und Vermögenden, zudem eine flexiblere Handhabung der Schuldenbremse. Steuerentlastung, keine Reform der Erbschaftssteuer, schon gar nicht die Einführung einer Vermögenssteuer, und die Schuldenbremse soll um jeden Preis eingehalten werden – so stellt sich die FDP ihre Finanzpolitik vor.

Die Grünen wollen den Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent auf 45 Prozent erhöhen, und zwar ab einem zu versteuerndem Einkommen von 100.000 Euro. Kapitalerträge sollen zudem künftig der Einkommensteuer unterliegen. Die Grünen planen zudem die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, vorgesehen ist ein Prozent, aber erst ab einem Vermögen im Wert von über 2 Millionen Euro und erwägt zumindest eine Verschärfung der Erbschaftssteuer, die derzeit kaum greift. Denn wegen der Freibeträge werden gerade einmal mickrige 2 Prozent abgeführt.

Die FDP lehnt beides ab und hat stattdessen im Wahlkampf Entlastungen in Höhe von insgesamt 60 Milliarden Euro im Jahr versprochen. Wie sie das mit der Einhaltung der Schuldenbremse in Einklang bringen will, hat sie bisher offen gelassen.

Prognose: Vielleicht wird die FDP bei der Vorsondierung mit den Grünen konkreter. Felix Lee

Digialisierung: Fast harmonisch

Hier passts: Es herrscht viel Einigkeit. Ganz egal ob es um Infrastruktur geht, um die Verwaltung, um Gesundheit oder Bildung – digitale Angebote, Vernetzung, KI sind die Schlagworte. Beide Parteien setzen sich für eine bessere digitale Ausstattung an Schulen ein. Die FDP will, dass Informatik Pflichtfach wird. Neben der Technik wollen die Grünen mehr Bewusstsein für die soziale Dimension der Digitalisierung schaffen.

Grundlage sind für beide der Ausbau von Glasfaser- und Mobilfunknetzen, ein Staat, der auch besser digital arbeitet. Alles im Sinne eines starken Datenschutzes. Beide Parteien haben die EU im Blick, wenn es um die Ware Daten geht. Sie sind gegen Leistungsschutzrecht und Uploadfilter.

Hier passts nicht: Stress ist nur minimal angesagt. Aber beim Rechtsanspruch auf schnelle Internetgrundversorgung könnte es haarig werden, bei dem die Grünen auch Verschleierungen über Bandbreiten mit Schadensersatz und Bußgelder ahnden wollen. Schwierig könnten zudem Forderungen werden, die Tech-Giganten stärker in die Schranken weisen, um deren Marktmacht zu brechen. Mit ihren Ideen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen müssen sich beide mit Da­ten­schüt­ze­r:in­nen herumschlagen.

Prognose: Dissens ist schnell gelöst. Mit FDP und Grünen könnte ein Ministerium für digitale Transformation schnell kommen. Tanja Tricarico

Das Dilemma mit der Sozialpolitik

Hier passts: In Fragen von Arbeit und Sozialem gibt es Schnittmengen zwischen Grünen und FDP. Beide wollen die anrechnungsfreien Zuverdienstgrenzen für Hartz-IV-Empfänger erhöhen, um Arbeitslosen schrittweise einen Weg zurück ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Bei Jugendlichen sollen Zuverdienste gar nicht mehr angerechnet werden (bei der FDP bis zur Minijobgrenze). Zudem könnte man sich auf eine Erhöhung des Schonvermögens bei der Prüfung von Hartz-IV-Anträgen einigen.

Hier passts nicht: Schwieriger dürfte eine Übereinkunft bei der künftigen Höhe der Bedarfssätze sein. Die Grünen fordern 50 Euro Soforterhöhung und wollen die Rechentricks beseitigen, mit denen die Bundesregierung Hartz-IV-Sätze kleinrechnet. Dabei käme ein Betrag von mehr als 600 Euro pro Monat heraus.

Die FDP hat zwar während der Corona­krise eine vorübergehende Erhöhung des Hartz-IV-Satzes gefordert – ob die Freien Demokraten eine dauerhafte Erhöhung dieser Größenordnung mittragen würden, ist aber fraglich. Weiterer Dissens droht bei der Frage nach Sanktionen gegen Leistungsempfänger. Die Grünen wollen sie abschaffen, die FDP hält daran fest.

Prognose: Zum Thema Mindestlohn äußert sich die FDP bislang nur selten. Eine Erhöhung auf 12 Euro pro Stunde dürfte für Christian Lindner nur schwer zu verdauen sein. Interessant wird, ob seine Partei in der Frage den ideologischen Spagat schafft. Jörg Wimalasena

Geeint gegen Überwachung

Hier passts: Grüne wie FDP wollen die Sicherheitsarchitektur reformieren, mehr oder weniger weitgehend. Polizei und Verfassungsschutz in Bund und Ländern sollen enger zusammenarbeiten, die Polizei mit Personal und Technik gestärkt werden. Beide wollen Gefährder enger überwachen und Präventionsprojekte gegen Extremismus stärken, mehr Kontrolle der Geheimdienste und ein Europäisches Kriminalamt.

Vor allem aber: Grüne und FDP betonen unisono die Bürgerrechte und den Datenschutz. Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchungen oder Quellen-TKÜ? Wird alles gemeinsam abgelehnt. Im Gegenteil müsse der Staat Sicherheitslücken schließen und es ein „Recht auf Verschlüsselung“ geben.

Hier passts nicht: In einigen Punkten preschen die Grünen weiter voran. So will die Partei eine Kennzeichnungspflicht für Po­li­zis­t:in­nen – welche die FDP in NRW mit Laschet ablehnte und abschaffte. Auch wollen die Grünen den Verfassungsschutz auf einen Rumpfdienst für Terrorabwehr eindampfen und den Rest einem wissenschaftlichen Institut übertragen – die FDP ist bisher nur bereit, einige Landesämter zusammenzulegen.

Die Liberalen fordern auch „konsequente“ Abschiebungen und ausreichende Abschiebehaftplätze – für die Grünen sind Abschiebungen nur „das letzte Mittel“. Konfliktträchtig würde auch das Waffenrecht. Die FDP beklagt hier jüngste Verschärfungen mit „unnützer Bürokratie“ für Sportschützen und Jäger:innen. Die Grünen wollen Privatbesitz von tödlichen Schusswaffen, außer für Jäger:innen, dagegen „schrittweise beenden“.

Prognose: Die grün-gelben Schnittmengen in Kernfragen der Sicherheit sind dennoch groß. Kompliziert würde es vor allem, wenn die Union dazukommt, die mit ihren Forderungen nach mehr Video- und Kommunikationsüberwachung oder der Vorratsdatenspeicherung inhaltlich querliegt. Konrad Litschko

Außenpolitik: Ein Jain zu Drohnen

Das eint sie: Die Grundkoordinaten ähneln sich. Beide Parteien geben an, ihre Außenpolitik an Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auszurichten. Beide, die FDP schon länger als die Grünen, setzen auf das transatlantische Bündnis und die Nato. Beide fordern einen harten Kurs gegenüber Russland. Auch höhere Rüstungsausgaben können sich sowohl FDP als auch Grüne vorstellen, wobei die Liberalen hinter dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato stehen, während sich die Grünen nicht an feste Quoten binden wollen.

Kampfdrohnen für die Bundeswehr will nur die FDP explizit anschaffen, die Grünen haben sich in ihrem Wahlprogramm aber zumindest die Option dazu offengelassen. Und bei Atomwaffen fordern beide Abrüstungsbemühungen, wobei die Grünen die konkreten Schritte vorschlagen, zum Beispiel den Beobachterstatus beim internationalen Atomwaffenverbotsvertrag. Die FDP ist hier nicht mehr ganz so engagiert wie noch zu Zeiten Guido Westerwelles.

Das trennt sie: Kompliziert wird es, wo Geld ins Spiel kommt. Auf dem Papier wollen zwar beide Parteien mehr Europa. Die FDP aber will beispielsweise einen höheren Spardruck auf die Mitgliedsstaaten ausüben als die Grünen. Sie lehnt gemeinsame Schulden in der EU ab, die Grünen sind offen dafür. Umgekehrt wollen die Liberalen Freihandelsabkommen wie Ceta vorantreiben, die Grünen haben hier weiterhin Bedenken.

Prognose: An den wenigen Streitpunkten wird eine Koalition nicht scheitern. Tobias Schulze

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