Demoverbot in Hamburg zum 1. Mai: Hey, Repressionsbehörde!

Monatelang die Quer­den­ke­r*in­nen demonstrieren lassen, dann aber linke Proteste am 1. Mai rigoros verbieten? Momentchen mal, so geht es nicht!

Eine Faust, ein Vermummter auf einem Plakat und das Schild "Kommunismus diggi"

Wollen hinaus zum 1. Mai, aber dürfen nicht: Linke De­mons­tran­t*in­nen Foto: Bodo Marks/dpa

HAMBURG taz | Hach ja, mit dieser Demokratie ist es manchmal ganz schön anstrengend. Vieles muss sie aushalten: Rechte im Parlament, krudeste Meinungsäußerungen auf Papier und auf Bildschirmen und manchmal sogar im echten Leben, auf der Straße. Wobei Letzteres in der Pandemie stark eingeschränkt ist, denn das Leben und vor allem die Begegnungen finden ja derzeit mehr so im Internet statt.

Allerdings haben im vergangenen Pandemiejahr viele Menschen krude und rechte Meinungen lautstark auf der Straße geäußert. Sie haben die Gefährlichkeit der Pandemie geleugnet und Pres­se­ver­tre­te­r*in­nen angegriffen, sich also höchst undemokratisch verhalten, und die Polizei hat sie davon nicht abgehalten.

Teils weil es eben unter die Meinungsfreiheit fällt, gequirlte Scheiße zu labern, und eine Demokratie das aushalten muss. Teils aber auch, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen, manchmal vielleicht sogar aus Sympathie, aber größtenteils aus Überforderung und politischem Versagen heraus. Die Polizei hat die Quer­den­ke­r*in­nen protestieren lassen und sich stattdessen darauf konzentriert, den linken Gegenprotest zu drangsalieren.

Auch am 1. Mai haben irgendwelche Querdenken-Spinner*innen wieder irgendwelche Proteste angekündigt, aber dieses Mal interessiert es die Linken nicht so sehr, weil sie am 1. Mai eigene Proteste organisieren: Tag der Arbeit, Kapitalismus immer noch scheiße, Pandemiekosten auf unserem Rücken, während die Reichen geschont werden, „Sach ma, geht’s noch?“ „Nö, geht nicht“, sagt die Versammlungsbehörde. Linker Mai-Protest ist verboten, Schluss, aus. Ist ja schließlich Pandemie.

Das ist nicht mehr Demokratie, sondern Repression

Entschuldigung, aber so geht es auch nicht, liebe Versammlungsbehörde. Man kann nicht über ein Jahr lang die größten Spinneraufläufe zulassen, bei denen von vornherein klar ist, dass sie sich nicht an Hygieneregeln halten, weil sie diese ja nun mal ablehnen, und dann zum 1. Mai, wenn Linke mit Abstand und Masken demonstrieren wollen, alles verbieten.

Das hat dann jedenfalls nichts mehr mit Demokratie zu tun, sondern mit Repression. Dann muss man es aber auch so sagen und sollte sich nicht plötzlich auf den Infektionsschutz berufen, sondern gleich auf den autoritären Staat. Und man kann sich dann auch gleich in Repressionsbehörde umbenennen.

Aber so weit ist es ja noch nicht, denn es gibt immer noch die Gerichte. An die werden sich die An­ar­chis­t*in­nen und die Ak­ti­vis­t*in­nen des Umverteilungsbündnisses „Wer hat der gibt“ jetzt wohl wenden.

Das kostet Geld und Nerven und wäre nicht nötig, weil die Linken im Gegensatz zu rechten Schwur­b­le­r*in­nen den Pandemieschutz ernst nehmen und ihre Hygiene­konzepte sogar die Ausgabe von Schnelltests vorsehen. Aber was passiert, wenn die Gerichte nein sagen? Sollen die Linken sich dann als Schwur­b­le­r*in­nen verkleiden, um ihre Grundrechte wahrnehmen zu dürfen? Ich glaube, das sollte man sich angucken. Hinaus zum 1. Mai!

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Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

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