Kanzlerkandidatur der Union: Luftikus Laschet

Der CDU-Chef wirbt um die wachsende Zahl der Lockdown-Gegner:innen. Die Vorstellung, er könnte im Herbst Bundeskanzler werden, beunruhigt.

Armin Laschet

Sieht so der neue Kanzler aus? Foto: Florian Gaertner/imago

Armin Laschet fühlt sich missverstanden. Mal wieder. Mit seinem misslungenen Auftritt auf dem digitalen Neujahrsempfang des baden-württembergischen CDU-Wirtschaftsrates am vergangenen Montag hat sich der potenzielle Kanzlerkandidat der Union keinen Gefallen getan.

Bei seinem Versuch, die Konservativen und Wirtschafts­liberalen in der CDU zu bezirzen, hat er auf fatale Weise den falschen Ton angeschlagen. „Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfindet“, sagte er.

Was soll man davon halten, wenn der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens einen Satz von sich gibt, der auch von einem irrlichternden „Querdenker“ stammen könnte? Laschet hat in den Tagen danach versichert, damit nicht die von ihm selbst mit verabschiedeten Beschlüsse des letzten Bund-Länder-Gipfels infrage gestellt zu haben.

Aber genau diese Wirkung haben seine Worte: Sie lassen beschlossene Coronaschutzmaßnahmen als Willkürakte erscheinen. Es ist ihm abzunehmen, es nicht so gemeint zu haben. Aber das macht es nicht besser.

Laschet rechtfertigt sich, auf jene „Aktivisten“ gezielt zu haben, die sich erst für Lockerungen des Lockdowns aussprechen, wenn der Wocheninzidenzwert unter 10 Neuinfektionen pro 100.000 Ein­woh­ne­r:in­nen gesunken ist. Es geht ihm also um die Ablehnung der No-Covid-Strategie. Allerdings müsste Laschet eigentlich wissen, dass sich hier nicht irgendwelche „Aktivisten“ irgendeinen Grenzwert ausgedacht, sondern anerkannte Wis­sen­schaft­le­r:in­nen einen gut begründeten Vorschlag vorgelegt haben.

Es ist infam, ihnen zu unterstellen, sie wollten „verhindern, dass Leben wieder stattfindet“. Das Gegenteil ist richtig. Dass sich Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder und Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker als An­hän­ge­r:in­nen des „No-Covid“-Ansatzes bezeichnet haben, sollte Laschet zu denken geben.

Laschets Geraune

Gleichwohl lässt sich darüber streiten, ob ein solcher Weg in Deutschland politisch gangbar wäre. Aber darum geht es Laschet nicht. Er versucht vielmehr durch Geraune die Stimmung der wachsenden Zahl der Unzufriedenen gerade in der Wirtschaft zu bedienen, die lieber heute als morgen den Lockdown beendet sehen wollen – koste es, was es wolle.

Man müsse halt „eine gewisse Sterblichkeit hinnehmen, um dauerhaft zur Normalität zurückkehren zu können“, formulierte das in dieser Woche unverblümt Michael Hüther, der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Hüther gehört dem von Laschet einberufenen Ex­per­t:in­nen­rat Corona in NRW an.

Seit knapp einem Monat ist Armin Laschet nun Vorsitzender der CDU. Die Zweifel an seinen politischen Fähigkeiten sind seitdem nicht geschwunden. Die Vorstellung, er könnte demnächst die Regierungsverantwortung in Berlin übernehmen, beunruhigt. Mit seinen jüngsten Äußerungen erinnert er an sein unglückliches Agieren während der ersten Coronawelle im Frühjahr vergangenen Jahres.

Laschet sollten seine schlechten Beliebtheitswerte zu denken geben. Sie dürften der Union noch zu schaffen machen

Unvergessen ist sein peinlicher Auftritt bei „Anne Will“ im April 2020, als er aufgebracht behauptete, die Vi­ro­lo­g:in­nen würden „alle paar Tage ihre Meinung ändern“, weswegen „wir in der Politik dagegenhalten“ müssten. Seitdem hat Laschet ein ernstes Imageproblem. Zu Recht.

Nach eigener Aussage will Laschet zwischen Ostern und Pfingsten mit Söder klären, wer die Union in den Wahlkampf führen wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint es mehr als unwahrscheinlich, dass der CDU-Vorsitzende dem Beispiel Angela Merkels von 2002 folgen und dem CSU-Chef die Kanzlerkandidatur anbieten wird. Schließlich ging es Laschet mit seinem Griff nach der Parteiführung darum, nach der Bundestagswahl die Nachfolge von Merkel anzutreten.

Allerdings sollten ihm seine schlechten Beliebtheitswerte ernsthaft zu denken geben. Denn sie weisen auf ein Problem hin, das der Union noch schwer zu schaffen machen dürfte.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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