Einkaufen als „patriotischer“ Akt: Solidarisch shoppen reicht

Wirtschaftsminister Altmaier spricht vom Einkaufen als „patriotische Aufgabe“. Eine schräge Wortwahl, doch Solidarität mit Geschäften ist notwendig.

Passanten mit Schutzmasken gehen ueber die weihnachtlich geschmueckte Kortumstrasse, der Haupteinkaufsstrasse in der Fussgaengerzone Bochum

Die Umsätze in den Fußgängerzonen sind um 30 Prozent geschrumpft Foto: Rupert Oberhäuser/imago

Die Formulierung ist problematisch: Der „Erhalt des stationären Handels ist eine nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe“, lässt sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in der Bild zitieren. Ja sogar: Der stationäre Einzelhandel sei „Teil unserer Identität, Leitkultur“. Puh. Wem dieser nationalistische Sound nicht schmeckt, neigt wohl dazu, auch Altmaiers Aussage abzulehnen. Dabei ist diese im Kern richtig: Die Beschlüsse von MinisterpräsidentInnen und Kanzlerin sind tatsächlich eine harte Belastung für Zehntausende HändlerInnen und ihre Beschäftigten.

Das Geschäft läuft 2020 eh schon mies. Der Mini­lock­down vom November hat die Welle zwar nicht genügend gebrochen, aber die Umsätze in den Fußgängerzonen sind um 30 Prozent geschrumpft, weil potenzielle KäuferInnen Infektionsgefahr am Wühltisch wittern. Als Folge sollen nun weniger KundInnen mehr Abstand beim Shoppen halten – ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft. Die Verschärfungen für den Einzelhandel sind ein wenig hilflos, weil nicht klar erwiesen ist, dass man sich im Warenhaus vermehrt ansteckt. Aber: Im Prinzip sind sie richtig, weil weniger Kontakt die Pandemie einhegt.

Also ist Altmaiers Appell nicht ganz falsch: Power­shoppen als Akt der Unterstützung für den Händler nebenan, am besten natürlich den mit ökologisch produzierten regionalen Produkten. Das ist keine Deutschtümelei, sondern nachhaltig. Nicht ganz zufällig bestreikt Verdi gerade mal wieder den Krisenprofiteur Amazon. Einerseits zahlt die Onlinekrake Minilöhne für die Beschäftigten und Zwergensteuern in Europa, andererseits verdreifachte Konzernchef Jeff Bezos allein im vergangenen Quartal seinen Gewinn: Amazons Geschäftsmodell saugt den Sozialstaat aus, Paketflut und Emissionen noch gar nicht eingerechnet.

Amazon, Zalando oder Bringmeister prinzipiell problematisch finden – und trotzdem online shoppen: Das ist für viele Alltag, das ist die Crux der HändlerInnen. Ihre Befürchtungen, dass die Beschlüsse von Bund und Ländern den Onlineriesen noch mehr KundInnen in die Arme treiben, sind deshalb leider berechtigt. Hilfe bringen den „Local Dealers“ nur eigene Onlineshops, besserer Service, bessere Produkte, günstigere Preise.

Altmaiers Vorschlag, die Ausfälle der Offliner mit mehr verkaufsoffenen Post-Corona-Sonntagen auszugleichen, führt aber in die Irre. Mehr Umsatz ist bei kaum steigenden Löhnen nicht zu holen. Und mehr Wochenendarbeit klingt wie ein weiterer Angriff auf die Gesundheit der Beschäftigten, von denen viele eh derzeit mit Furcht vor der Seuche an der Kasse stehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.