Nach dem Koalitionsausschuss: Vertrauen verzockt

Wieder nur Wortgeklingel aus der deutschen Beamtenhölle: Union und SPD haben getagt und die Wahlrechtsreform vertagt. Sie nennen es nur nicht so.

der Plenarsaal des Bundestags

Viele schöne Plätze für viele viele Abgeordnete Foto: dpa

Es mag sein, dass sich Union und SPD für ihre Verhandlungsergebnisse im Koalitionsausschuss gegenseitig auf die Schulter klopfen. Doch was da in Berlin nach sieben Stunden Verhandlung tatsächlich rausgekommen ist, darf – zumindest beim Thema Wahlrechtsreform – getrost als Nullnummer bezeichnet werden.

Arbeitskreis und Wiedervorlage – so sieht die Verschleppungstaktik von CDU, CSU und SPD bei der Wahlrechtsreform aus. Ein weiteres Anwachsen des Bundestags nach der Wahl in einem Jahr soll durch eine „Dämpfungsmaßnahme“ verhindert werden. Die richtige Reform soll dann erst 2025 greifen. Dafür soll noch in dieser Wahlperiode eine „Reformkommission“ eingesetzt werden. Es ist das übliche Wortgeklingel aus der deutschen Beamtenhölle.

Im Klartext heißt dies: vertagen und erörtern. Doch klar ist auch: Dieses Lavieren war zu erwarten. Zum einen, weil bereits mancherorts die Nominierungen für die Bundestagswahlkreise stattgefunden haben. Die gekürten KandidatInnen dürften kaum einsehen, warum sie nach ihrem Etappensieg doch noch Rückzieher machen sollten. Zum anderen, weil vor allem die CSU, die 2017 sämtliche Wahlkreise direkt gewonnen hatte, keinerlei Interesse an deren Reduzierung hat. Nehmen, was man kriegen kann, und zwischen den Wahlterminen den hohen Wert der parlamentarischen Demokratie preisen – es ist manchmal erschütternd simpel.

Erst 2025, also machttaktisch in einer sehr fernen Zukunft, soll nach den Plänen von Union und SPD die Zahl der Wahlkreise auf 280 verringert werden. Eine knickrige Reduzierung. Der Gesetzentwurf der Opposition wurde einfach wegignoriert. Grüne, FDP und Linke schlagen vor, die Zahl der Sitze etwas zu erhöhen, jedoch die Wahlkreise von 299 auf 250 zu reduzieren.

Dass ausgerechnet VolksvertreterInnen sich hunderte auskömmliche Jobs zugestehen, während die BürgerInnen sich durch die Corona-Krise boxen, wirft ein ungutes Licht auf die Legislative

Nach der Wahl im Herbst 2021 werden wir also wieder Bilder von HandwerkerInnen sehen, die im Plenarsaal des Deutschen Bundestags weitere Abgeordnetenstühle einbauen. Dass ausgerechnet VolksvertreterInnen sich hunderte auskömmliche Jobs zugestehen, während die BürgerInnen sich durch die Folgen der Coronakrise boxen werden, wirft ein ungutes Licht auf die Legislative. Die nächste Regierungskoalition wird alle Hände voll zu tun haben, diesen Vertrauensverlust wieder abzubauen.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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