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Syndikat soll geräumt werdenRot-Rot-Grün bekommt die Quittung

Heftige Reaktionen dürfte die angekündigte Räumung der Kiezkneipe hervorrufen. Die Polizei sperrt den Bereich weiträumig ab. Protest angekündigt.

Regenschirme gegen Pfefferspray dürften sich auch heute Nacht auszahlen Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Nach 35 Jahren könnte die Geschichte der linken Nachbarschaftskneipe Syndikat in Neukölln enden. Für Freitag um 9 Uhr ist die Räumung angesetzt. Die Kneipe, die als Kiez-Institution gegen Gentrifizierung und Verdrängung gilt, zieht über den Schillerkiez hinaus viele Un­ter­stüt­ze­r*in­nen in Berlin an – wie sich zuletzt bei einer Demonstration gegen die drohende Räumung vergangenen Samstag zeigte, an der etwa 2.500 Menschen teilnahmen. Der Protest dagegen scheint der symbolträchtigste des Jahres.

Wohl genau deshalb und um die vom Syndikat geplante „Lange Nacht der Weisestraße“, die am Donnerstagabend, dem Vorabend zur Räumung stattfinden soll, unter Kontrolle zu halten, verlegte die Polizei das Straßenfest in eine Nebenstraße. Die angemeldete Kundgebung, bei der An­woh­ne­r*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen versuchen wollten, die Räumung zu blockieren, sollte ursprünglich direkt vor dem Syndikat von Donnerstagabend 20 Uhr bis Freitag 10 Uhr stattfinden. Am Donnerstagmittag sperrte die Polizei dann die Straße vor der Kneipe mit Absperrgittern weiträumig ab.

„Neukölln bekommt seine erste ‚Rote Zone‘. Unter einem Rot-Rot-Grünen Senat“, kommentierte das Syndikat die Absperrung auf Twitter. Die Kiezkneipe hatte zuvor eine Eilklage gegen die Verlegung des Straßenfestes an die nächste Straßenecke eingereicht. Ob diesem wider Erwarten stattgegeben werden würde, stand bis Redaktionsschluss noch aus. Sollte die Klage keinen Erfolg haben und um dem „rot-rot-grünen Trauerspiel in viel zu vielen Akten“ etwas entgegenzusetzen, organisiert die Kneipe verschiedene Anlaufpunkte und Aktionen im Kiez.

Der Mietvertrag für das Syndikat lief Ende 2018 aus, aber das Kollektiv hatte sich geweigert, die Räumlichkeiten zu verlassen. Stattdessen deckte es auf, dass hinter ihrer nicht ansprechbaren Eigentümerfirma, die lediglich einen Briefkasten in Luxemburg unterhält, ein Londoner Immobilienimperium steht. Recherchen des Syndikats ergaben, dass Pears Global über viele verschiedene Scheinfirmen mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt gehören. Von einer möglichen Enteignung der großen Immobilienkonzerne wäre somit auch Pears Global betroffen.

Sommer der Räumungen

Um den zu erwarteten Imageschaden für den rot-rot-grünen Senat etwas abzuwenden, verkündet Werner Graf, Vorsitzender der Grünen Berlin, derweil, dass es Aufgabe der Politik sei, „solche Orte in unserer Stadt besser zu schützen oder zumindest geeignete Ersatzobjekte zu finden“. Weshalb er den Senat auffordert, „die Suche nach alternativen Standorten in räumlicher Nähe zu intensivieren“. Vor dem Hintergrund einer jahrelangen Vorgeschichte ein schon unverschämtes Statement, das wohl nichts besser machen dürfte.

Neben dem Syndikat drohen weiteren linken Projekten in Berlin, wie dem Jugendzentrum Potse, dem queerfeministischen Hausprojekt Liebig 34 und der Kreuzberger Kneipe Meuterei die Räumung. Die Szene ist alarmiert. „Wir werden den Sommer der Räumungen nicht einfach so hinnehmen“, sagt Lukas Selchow vom Syndikat der taz.

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6 Kommentare

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  • Zitat Sprecher des Syndikats: "Wir haben uns leider bei der Vertragsdauer verrechnet. 2009 haben wir einen 10-Jahres-Vertrag bekommen, aber nicht mitgerechnet, dass 2009 schon als erstes Jahr zählte. Im Juli 2018 kam dann für uns überraschend die Kündigung rein."



    Das sind dann wohl zumindest zum Teil selbst verschuldete Leiden, also nicht zetern, sondern was neues suchen und besser rechnen.

  • Der Mietvertrag ist ausgelaufen und der Eigentümer möchte sein Mietobjekt zurück, wo bitte ist hier das Problem? Ob das Objekt einem Immobilienunternehmen gehört oder Lieschen Müller ist doch hier auch unerheblich.

    • @tobi123:

      Rein juristisch ist es vermutlich egal obwohl es in einigen Bereichen der Gesetzgebung und Rechtsprechung auch Unterschiede zwischen natürlichen Personen (Lischen Müller) und juristischen Personen (Immobilienunternehmen) gibt.



      Neben der formal juristischen Ebene gibt es aber auch noch eine normative Ebene in die moralisch-ethische Aspekte eingehen, nicht alles was legal ist, ist auch legitim.



      Ein internationaler Immobilienkonzern, der sich auch noch durch diverse Verschachtelungen versteckt und dadurch versucht auch juristisch und fiskalisch nicht greifbar zu sein ist schon was anderes als wenn Lischen Müller ein einzelnes Mietshaus besitzt.



      Das Streben eines Immobilienkonzern nach Profitmaximierung ist nicht absolut sondern eingebettet in andere konkurrierende Werte und Interessen. Es stellt sich die Frage, ob die Gewinnmaximierung vermutlich schon sehr vermögender Menschen die Zerstörung sozialer und gesellschaftlicher Zusammenhänge rechtfertigt. M.E. tut es das nicht und ich halte es da mit dem Grundgesetz das sagt, dass Eigentum verpflichtet und eben nicht über allen anderen Grundrechten steht.

      • @Ressourci:

        Eine Kneipe oder ein Restaurant sind in erster Linie wirtschaftliche Unternehmen.

        • @J_CGN:

          Es sind natürlich wirtschaftliche Unternehmen, aber auch wirtschaftliche Unternehmen können durchaus eine gesellschaftlich und sozial relevante Funktion erfüllen, insbesondere wenn sie Orte des sozialen Miteinanders oder Austauschs sind und dann noch für gesellschaftliche Gruppen die sondt wenig oder keine Räume für einen solchen Austausch haben.



          Ausserdem gibt es sowohl von der Rechtsform (gG

      • @Ressourci:

        Volle Zustimmung.

        Es ist immer peinlich, wenn in einem solchen Kontext plötzlich das arme Lieschen Müller aus dem Hut gezaubert wird. Fast so peinlich wie gestern im RBB dieser "Haus Und Grund"-Fuzzi, der darauf angesprochen, dass die Vermieter doch vielleicht einen Teil der Corona-bedingten Last schultern könnte... auf die armen Hausbesitzer*innen, die ja Steuer und Krankenkasse zahlen müssen. O weh.

        Und die Zustände (dass z.B. die Familie Pears auf Kosten anderer Menschen ein auskömmliches Leben geniessen darf), die ändern sich nur, wenn immer wieder darauf aufmerksam gemacht wird.

        Ich bin den Menschen, die dafür den Kopf hinhalten und ab und zu auch mal Pfefferspray dafür einstecken unendlich dankbar dafür.