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Pressefreiheit in DeutschlandSeehofer will Kolumnist*in anzeigen

Innenminister kündigt Anzeige wegen eines taz-Textes an. Ob die kommt ist unklar. Kanzlerin schaltet sich ein. taz-Chefredakteurin stellt sich vor die Autor.in.

Horst Seehofer nach der Innenministerkonferenz in der vergangenen Woche Foto: dpa

Berlin taz/dpa | Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will wegen einer umstrittenen Kolumne über die Polizei in der taz Strafanzeige stellen. „Ich werde morgen als Bundesinnenminister Strafanzeige gegen die Kolumnistin wegen des unsäglichen Artikels in der taz über die Polizei stellen“, sagte der CSU-Politiker der Bild-Zeitung am Sonntagabend. „Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.“

Damit schließt sich Seehofer den Polizeigewerkschaften an. Diese hatten schon in der vergangenen Woche Anzeige gegen die taz und die Autor.in wegen der Kolumne unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ angekündigt.

Ob Seehofer die Anzeige tatsächlich stellt, ist indes noch offen. Anders als von dem Minister per Bild verkündet, sei darüber noch nicht entschieden, sagte ein Sprecher seines Ministeriums am Montag in Berlin. Offenbar hat sich auch die Bundeskanzlerin hat eingeschaltet. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei darüber mit Seehofer im Gespräch.

Die Chefredakteurin der taz, Barbara Junge, hatte am Montagmorgen zu Seehofers Ankündigung erklärt: „Als Bundesinnenminister ist Seehofer qua Amt für den Schutz der Verfassung zuständig und damit für die darin garantierte Freiheit der Presse. Seehofer ist auch für die Polizei zuständig. In diesem Fall stellt der Bundesinnenminister die Belange der Polizei über die Pressefreiheit. Seine Entscheidung hätte deutlicher nicht sein können. Seine Anzeige gegen unsere Autor.in ist ein beschämender Angriff auf die Pressefreiheit.“

Am vergangenen Montag war der Text mit dem Titel “All cops are berufsunfähig“ erschienen. Es ging darum, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Darin wurde auch die Option der Mülldeponie aufgegriffen. Aus der Berufsgruppe heraus und von Politikern kam danach viel Kritik. Polizeigewerkschaften kündigten an, mit Strafanzeigen dagegen vorzugehen. Beim Deutschen Presserat – der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse – gingen bereits bis Dienstag rund 50 Beschwerden ein.

Die CSU hatte in der vergangenen Woche bereits ein Foto der Autor.in auf Twitter veröffentlicht mit dem Zusatz: „Die hässliche Fratze der hasserfüllten Linken“. Das wirkte wie ein virtueller Pranger. Mittlerweile hat die CSU den Tweet gelöscht und sich für die Form entschuldigt. „Unsere Autor.in wurde so zur Zielscheibe von Hass und Hetze gemacht. Mit seiner angekündigten Anzeige führt Seehofer diesen Kurs fort und setzt Hengameh Yaghoobifarah erneut Bedrohungen aus“, sagt Barbara Junge.

Die taz-Chefredakteurin hatte bereits auf die Kritik an der Kolumne reagiert. Junge schrieb an die Leserinnen und Leser über den Artikel: „Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist danebengegangen. Das tut mir leid.“

Zudem schrieb Junge, das Ringen in der Redaktion über den Text und darüber, was gesagt werden soll, darf und muss, lege aber auch „einen tieferen Konflikt in der taz“ offen. „Wir streiten darum, wie stark der subjektive Blick, wie stark Diskriminierungserfahrung den Journalismus prägen soll oder darf.“ Junge kündigte zudem an, dass es Debattenbeiträge mit unterschiedlichen Perspektiven in der Zeitung geben werde, von denen die ersten inzwischen erschienen sind.

Kritik von den Grünen

Auch aus der Politik gab es bereits Kritik an Seehofer. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, schrieb auf Twitter: „Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, unabhängig ob man den Meinungsbeitrag gut oder schlecht findet.“ Mit Blick auf den ungarischen Ministerpräsidenten und den Chef der polnischen Regierungspartei, denen jeweils Illiberalismus vorgeworfen wird, fügte er hinzu: „Ein Innenminister, der eine Journalistin anzeigt, klingt nach Orban oder Kaczynski.“

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz äußerte Verständnis für Kritik an der taz-Kolumne. Aber Seehofer „überschreitet eine Grenze“, schrieb Notz in dem Kurznachrichtendienst. Seine Fraktionskollegin Renate Künast nannte Seehofers Vorgehen dort „ungeheuerlich“ und fragte: „Das soll eine Botschaft sein!? Gegen Pressefreiheit!? Seehofer am Ende.“

Der Fernsehsatiriker Jan Böhmermann schrieb: „Wir sind hier nicht in der Türkei, in Russland oder im Jahr 1962! Mit dieser gefährlichen Effekthascherei beschädigt Horst Seehofer nicht nur das Vertrauen in den Staat. Welche Autorität hat ein Minister noch, der so eine Axt aus seinem Amt heraus an die Debatte setzen muss?“

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54 Kommentare

 / 
  • Liebe Kommunard*innen, vielen Dank für Eure Kommentare!

    Wir wissen, dass im Moment viel Diskussionsbedarf besteht. Doch leider ist die Menge an Kommentaren für uns gerade nicht zu bewältigen, weshalb wir die Kommentare schließen müssen.

    Danke Euch!

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Seehofer will sich nicht dem Angriff ausgesetzt sehen sich nicht vor seine Untergebenen gestellt zu haben, damit das nicht als Argument für AFD Wählende Polizisten ins Feld geführt werden kann.



    Sollte es zu einem Prozess kommen was sehr unwahrscheinlich ist wird er ihn vermutlich verlieren gewinnt er ihn dann ist es halt so.

  • Warum steht hier „Autor.in“? Kann mich jemand aufklären?

    • 9G
      93232 (Profil gelöscht)
      @Kagel :

      de.wikipedia.org/w...ameh_Yaghoobifarah



      "Hengameh Yaghoobifarah [...] identifiziert sich nach eigenen Angaben als nichtbinär, das heißt weder als weiblich noch männlich."

  • Soll Seehofer doch klagen. Die Niederlage ist abzusehen. Wenn er meint, er müsse sich wieder und diesmal noch dazu auf Staatskosten blamieren.

    Seehofer lernt es wohl nicht mehr, wo die Grenzen zwischen Meinungsäußerung und strafbarer Handlung verlaufen.

  • Ich finde es mindestens grenzwertig, wegen Beleidigungen in einem satirischen Text Anzeige zu erstatten. Wenn ein hochrangiger Politiker die Anzeige erstattet, ist sogar klar eine Grenze überschritten.

    Das heißt aber nicht, dass man die satirische Kolumne nicht kritisieren könnte und sollte. Sie ist widerwärtig, menschenverachtend und ignorant gegenüber vielen, ja eigentlich den meisten Polizisten. Bei der Polizei sind nämlich nicht nur Nazis und rassistische Mörder dabei, sondern auch und vor allem Leute, die die Gesellschaft vor Verbrechern schützen. Ich möchte mir ungern ausdenken, wie viele Nazi-Verbrecher unser Land terrorisieren würden, wenn wir keine Polizei hätten.

    So kann man Kritik formulieren. Seehofers Vorstoß dagegen haftet der hässliche Geruch von Zensur an.

    • 9G
      93042 (Profil gelöscht)
      @Ein alter Kauz:

      Satire? Naja... die hat in der Regel keinen Schaum vorm Mund und ist wenigstens noch in Ansätzen witzig. Aber Anzeige?!! - Albern.

  • Ein Angriff auf die Pressefreiheit ist das nicht. Es soll ja erst gerichtlich geprüft werden ob der Artikel von der Pressefreiheit gedeckt ist. Auch Journalisten sind an Recht und Gesetz gebunden. Dies vorausgeschickt, finde ich, dass so ein Artikel erlaubt sein muss. Die Staatsmacht muss sich härtere Kritik gefallen lassen als Privatpersonen. Im Zweifel für die Freiheit. Dass mir der Artikel nicht gefallen hat, steht auf einem anderen Blatt.

  • Der Artikel von Frau Y. ist Strunx (auch sprachlich). Aber ein Innenminister, der die BLÖD-Zeitung als Verlautbarungsorgan nutzt, ist komplett von Vernunft verlassen. Die "Enthemmung der Worte" ist doch tägliche Leitlinie im Springer-Kommandobunker. Die Unfähigkeit des Innenministers wurde letztes Jahr (Abspaltungsdrohung der CSU wg. Flüchtlingsgrenzen) und während der Corona-Krise (wochenlang abwesend) deutlich. Ich frage mich nur, ob das alles kalkuliert oder er einfach nur unfähig ist.

  • „Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten"



    Das muss bis zur letzten Patrone bekämpft werden!

     

    [Anmerkung der Moderation: Das ist ein Zitat von Seehofer selbst und wir lesen das ironisch.]

    • 0G
      01349 (Profil gelöscht)
      @Frank N. Stein:

      Jetzt kommen Sie doch nicht schon wieder mit diesen alten Sachen. Das ist doch schon ein paar Massaker und Mordanschläge her...

  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Als ich den Text gelesen habe, fand ich ihn vor allem langweilig und FAD. Ich war damals auch der Ansicht, dass er (aber aus handwerkliche n Gründen) nicht hätte veröffentlicht werden sollen - insbesondere hat er keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

    Die Diskussion hat meine Meinung mittlerweile geändert. Offenbar hat er etwas richtig gemacht und musste veröffentlicht werden.

  • Zitat: „Welche Autorität hat ein Minister noch, der so eine Axt aus seinem Amt heraus an die Debatte setzen muss?“

    Ganz einfach: So ein Minister hat genau die Autorität, die ihm all jene einräumen, die (ob nun aus ganz handfesten materiellen oder aus rein ideologischen Gründen) schon immer etwas hatten gegen „die Linken“, die aber bisher keine vergleichbar günstige Gelegenheit gefunden haben sich aufzuplustern. Und das sind leider immer noch zu viele hierzulande.

    Minister*innen haben ihre Autorität nur geliehen. Genau wie Kanzler*innen. Wenn niemand sich mehr was verspricht von ihnen, sind sie bald nichts Besonderes mehr. In sofern ist es schade, dass sich ausgerechnet Horst Seehofer nun so billig ins Rampenlicht drängeln konnte. Aber was sein muss, muss offenbar sein. Und was zusammen passt, findet einander. Die konkurrierenden Identitäten eitler Menschen als Summe ausgewählter Äußerlichkeiten - was und wieso reine Stilfragen unter den gegebenen Bedingungen mit Bundespolitik zu tun haben sollten, muss mir mal bei Gelegenheit bitte mal jemand erklären. Ich finde ja, es gibt genug Themen, die wichtiger sind.

    Die Frage etwa, ob Deutschlands Polizei strukturelle Probleme hat und wie diese ggf. zu lösen sind. Eigentlich wäre es ja an Horst Seehofer gewesen, diese Fragen zu beantworten. Hengameh Yaghoobifarah gibt ihm nun eine Chance, das nicht zu tun. Statt dessen darf sich der Verantwortliche auf „die Presse“ einschießen, weil die Strukturfrage unter einem Berg Müll verklappt wurde. Sehr schade, das.

    Aber immerhin wurde dafür gesorgt, dass nicht nur ein Name erwähnt wird bis hinauf ins Kanzleramt, sondern auch die taz. Und noch ist ja auch gar nicht gesagt, dass dieser Schlagabtausch ausgeht wie viel zu viele vor ihm: Mit einer Schlappe für alle Verfechter der Pressefreiheit, die ganz ursprünglich mal kein durchschlagender PR-Gag gewesen ist, sondern als Mittel zum Zwecke der Stabilisierung der Demokratie gedacht war. Lang, lang ist’s her...

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Ich fände es richtig, wenn dies ggfls auch gerichtlich untersucht werden würde. Wenn die TAZ sich rethorisch auf das Niveau des Boulevards begibt, sollte sie auch so behandelt werden.



    Für mich ist das kein Angriff auf die Pressefreiheit.



     

    [Die Moderation: Kommentar gekürzt.]

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Da ist was dran.

      Werden doch die Boulevard-Medien tagein tagaus mit Anzeigen überzogen, die von Ministern erstattet werden.

  • G
    Gast

    Es handelt sich um eine Glosse! Damit ist alles gesagt!

    Dass es dazu sogar eine innerredaktionelle Debatte bei der taz gibt, zeigt: Nicht nur Seehofer und Steinmeier haben einiges begriffen.

    Eine Glosse über Zeitungsredakteure, die in der Schule nicht aufgepasst haben, wäre längst überfällig. Und nicht erst seit gestern.

    Wohin mit denen, wenn Vernunft und Verstand wieder eine Bedeutung zu käme.

    PS Der heute noch bekannte Schriftsteller Jonathan Swift nahm, im 18. Jahrhundert, das Elend der Massen aufs Korn: "A Modest Proposal" (1729). Aus der Sicht, die heute Anwendung findet, forderte er zum Kannibalismus auf.

    • @Gast:

      Fein gesagt. Danke.

  • Warum geht Seehofer nicht endlich in Rente? Wäre doch für alle Seiten eine win win Situation.

  • Du meine Güte, die Provokationsfalle schnappt jetzt in beide Richtungen zu.



    Einer Anzeige würdig sind dann allerdings auch die subjektiv sich Äussernden von Rechts. Es steht zu befürchten, dass es da aber bei der sattsam bekannten Doppelmoral bleibt.

  • Die Klage finde ich eigentlich konsequent. Unnachvollziehbar finde ich auch, dass einige Journalistinnen/Journalisten im Moment dahingehend argumentieren, dass Autorinnen/Autoren mit „Diskriminierungserfahrung" mehr Spielräume in Hinsicht auf die von ihnen verwendete Sprache haben sollen als solche ohne.

    Man sollte sich einfach der Konsequenzen bewusst sein: Wenn ein solcher Artikel rechtlich unbeanstandet bleibt, dann kann die Gegenseite rechtsaußen in ihren Medien einen hetzerisch formulierten Artikel veröffentlichen, der auf ähnliche, unakzeptable Weise eine (von der Gegenseite gehasste) Minderheitengruppe beleidigt und dies im Nachhinein damit rechtfertigen, dass



    - der Artikel ja nur satirisch gemeint war, und ein deutscher Autor irgendwann mal gesagt hat, dass Satire alles darf, und/oder



    - die Autorin oder der Autor des Artikels schon mal unangenehme "Erfahrungen" mit der Minderheitengruppe hatte und sich diskrimiert gefühlt hat, und/oder



    - jede Meinungsäußerung ohnehin von der Pressefreiheit geschützt ist.

    Ich finde es besser, wenn die Presse ein bestimmtes Maß an Sachlichkeit bewahrt und nicht gegen Menschengruppen hetzt (egal welche), sonst ist sie nicht wirklich besser als Fox News in Amerika, und wir haben irgendwann in Deutschland den gleichen absurden Kulturkampf wie in den USA.

  • Jetzt mal im Ernst: War es "unvorstellbar", dass ein Innenminister einem Propagandablatt in die "Feder" diktiert, was es schreiben will?

    Seine Äußerung ist in den Diskussionsrahmen einzuordnen, der sich seit Wochen um Polizeikritik (und andere Institutionen der inneren Sicherheit, VS, MAD, KSK) dreht: Polizeigewalt, latenten Rassismus in der Polizei, Todesfälle in Polizeigewahrsam, tödliche Schüsse von Polizisten, Anwaltsbedrohungen aus Polizeidienststellen, Aufklärungsversagen bei rechtem Terror, KSK-Prepper, Geheimnisverrat an rechtsextrem Szene...

    Die Reaktionen auf die wenig kluge Taz-Kolumne waren deshalb vorhersehbar! Sie so, und zu diesem Zeitpunkt zu schreiben, war deshalb für sich genommen eine politische Minderleistung! Billiger konnten die Wendts und Law&Order Brüder dieser Welt nicht an Munition zur Ablenkung kommen. Dass ist das wirklich ärgerliche an dieser Kolumne!

    Dass sich VertreterInnen der Legislative (u.a. Künast, Esken...) von der Exekutive rechtfertigen sollen/müssen, wenn sie ihre Kontrollfunktion mit Fragen und Äußerungen zu ihren Beobachtungen wahrnehmen, empört diesen Innenminister und seine Länderkollegen nicht. Sie sollten mal ins Grundgesetz schauen!

    Menschen sind kein Müll, Polizisten sind auch keine "Bullen"! Linke, Langhaarige und Andersdenkende sind aber auch keine "Ratten", "Schmeißfliegen", "Zecken", "Ungeziefer", "Hässliche Fratzen".

  • Seehofer ist schon öfter wegen seiner etwas merkwürdigen Auffassung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit aufgefallen.



    Aber eine gesunde Demokratie wird das aushalten.



    So, wie die Demokratie Strauß und Flick ausgehalten hat.

  • Also bis zur Anzeigeandrohung von Seehofer kannte ich die Kolumne nicht. Also habe ich sie erst mal gelesen und nicht so richtig nachvollziehen können, fand das hier alle Polizisten über einen Kamm geschoren werden. Ich war mir unsicher, fand das man es sich zu einfach macht wenn man sagt Satire darf alles. Zumindest wenn man Dinge die plötzlich Unruhe verursachen hinterher als Satire bezeichnet und damit rechtfertigt. (Das ist genauso bescheuert wie "Das wird man wohl mal sagen dürfen, deswegen bin ich kein Nazi", was ich häufig höre, oder das Gerichtsurteil nachdem es Recht ist das Frauen die in der politischen Öffentlichkeit stehen ohne Konsequenzen auf das übelste Beleidigt werden dürfen.) Trotzdem habe ich Zweifel an meinem Urteil und habe die Kolumne ein zweites mal gelesen und habe den in ihr verlinkten Artikel über die Preppergruppe Nordkreuz gelesen. Jetzt verstehe ich die Kolumne und finde sie völlig in Ordnung. Ach übrigens: Hoch lebe die Pressefreiheit!

  • Seehofer, der man der sich seit Jahren weigert es zuzulassen, dass Menschen aus den grausamen Lagern in Griechenland gerettet werden; Seehofer, der 2015/2016 im übelsten gegen Flüchtlinge gehetzt hat und die Aufnahme Schutzsuchender mit dem Unrechtsstaat des NS-Regimes verglichen hat; dieser Seehofer hat auf einmal ein feines Gespür dafür, wer für bestimmte Gewalttaten verantwortlich ist?



    Mir würden nach der Logik ungefähr mehrere Tausend brennende Flüchtlingsunterkünfte für die man Seehofer anzeigen könnte.

  • Angriff auf die Pressefreiheit? Können wir die Keule mal wieder einpacken? Jeder darf den Rechtsweg beschreiten. Und? Ein Angriff auf die Pressefreiheit könnte man wittern, wenn wir in Deutschland eine AKP- oder Putin-Justiz hätten. Haben wir aber nicht. Und wer entscheidet darüber, ob aus einer Anzeige eine Anklage wird? Richtig, auch nicht der Innenminister. Hier poltert ein Misanthtop, der zugleich Dienstherr der Bundespolizei ist, gegen eine/n andere/n Misanthrop/in, der/die mit seiner/ihrer Kolumne ganz kräftig daneben gegriffen hat. Kein Aufreger, und schon gar nicht der beschworene Angriff auf der Pressfreiheit. Wir Journalisten stehen weder über dem Recht noch außerhalb des Rechts. Und was den Artikel 5 Grundgesetz angeht, konnten wir uns immer auf eine sehr für uns wohlwollende Auslegung der Rechtslage verlassen. Nochmal: Wo ist das Problem?

    • @Markus Wendt:

      Doch, das entscheidet der Innenminister - die Staatsanwaltschaften sind ihm gegenüber nämlich weisungsgebunden.



      Das ist sehr praktisch, weil das Innenministerium mal kurz anrufen kann um Ermittlungen zu stoppen. Ganz wie im billigen Krimi.



      Das ist im Übrigen der Grund dafür, das die deutschen Staatsanwaltschaften keine internationale Haftbefehle mehr ausstellen können (Das machen mittlerweile die Strafgerichte weil wir sonst gar keine I-Haftbefehle mehr durchbekämen)

      • @Bolzkopf:

        Naja... Die Landesjustizministerien sind die Aufsichtsbehörden der Staatsanwaltschaften. Die Erfolgsaussichten eines Bundrsinnenministers in Verfahren einzugreifen sind eher übersichtlich!

  • Wie jetzt, eine Frau mit Migrationshintergrund macht die Klappe auf? Na da müssen wir doch direkt mal den Staatsanwalt bemühen. Wo kämen wir denn hin! - Wenn rechter Terror von Deutschen sich gegen die Gruppe richtet, aus der die Autorin stammt, dann schaut die kritisierte Polizei weg und verdächtigt lieber die Angehörigen der Opfer. Aus dieser Faktenlage entspinnt sich der Zorn der Autorin. Die Reaktion der "Ordnungsmacht" auf ein paar Zeilen Text sind hier einfach nur lächerlich. Lieber Herr Seehofer, in letzer zeit mal rechte Medien gelesen? Junge Freiheit, KenFM, Compact, Sezession usw? Ich weiß, das ist jetzt Whataboutism. Das hier mal wieder von der "Ordnungsmacht" mit zweierlei Maß gemessen und nach links, auf Frauen und nicht "biodeutsche" gezielt wird, spricht da aus meiner sicht ein sehr gefährliche Sprache..

    • @SuedWind:

      KenFM bzw. Ken Jebsen, mit bürgerlichem Namen Kayvan Soufi Siavash hat exakt denselben Migrationshintergrund wie HY. Ausgerechnet den nun anzuführen, um per Whataboutism vermeintliche zweierlei Maße bei "Migrationshintergrund" vs. "rechts" anzuprangern, ist etwas unglücklich will ich mal meinen.

      • RS
        Ria Sauter
        @Gustavo Cortes:

        :-))



        Passt!

    • @SuedWind:

      Lieber Südwind,

      bitte, Sie haben vielleicht den Wesentlichen Punkt getroffen. Es geht eben darum, mit gleichen Maßstäben zu messen. Wenn, sagen wir, Compact einen Artikel über Sinti und Roma geschrieben hätte (nur als Beispiel, ich distanziere mich inhaltlich) "Was machen die, wenn sie nicht mehr herumreisen dürfen" mit demselben Hintergrund. Oder "was machen Feministinnen nach Abschaffung der Gender Studies" und dem sonstigen Inhalt. Und dann hieße eine KOLUMNE auf einmal "Satire"? Bei AKK war das auch nicht "Nur Karneval, da darf man alles".



      Gleiches Recht für alle.



      Und "Whataboutims" ist ein Wort für bigotte Heuchler, das ist meine Meinung.

      LG

      • @Kartöfellchen:

        Whataboutism ist okay nur wird es als Arguement sehr oft einfach falsch benutzt. Nicht jeder Verweis/Vergleich ist gleich ein Whataboutism.

        Whataboutism ist:



        Polizei hält Autofahrer an, der zu schnell gefahren ist. Autofahrer: "Ja, aber viele andere fahren noch viel schneller".

        Kein Whataboutism ist:



        Polizei hält einen weißen und einen schwarzen Autofahrer an, die beide gleich (zu) schnell gefahren sind und verpasst dem Schwarzen einen Strafzettel, aber den Weißen lässt sie laufen. Verweist der Schwarze nun ganz konkret auf den Weißen, warum dieser keine Strafe bekommt, er aber schon, ist das kein Whataboutism, sondern eine legitime Infragestellung der Maßstäbe und Gleichbehandlung.

  • Na Servus & Na klar doch!

    “ Seehofer bezeichnet sich selbst als „Erfahrungsjuristen“.“ - 🥳 -

    Eben & Na Mahlzeit

    unterm——



    Er is es ja gewohnt (spätestens) in Karlsruhe abgewatscht zu werden. Gell.



    Wie Herr Christian Rath unlängst zu recht meinte 'Politischer Abmahnkasper



    o. s ä. - nur andersrum! - 😱 -

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch Mailtütenfrisch pronostiquer

      “taz zum Gruße!







      Die Justiz hat beste Chancen, beim "Volke" in Ungnade zu fallen.“

      kurz - & bei some Journaille’ista di taz

  • 69!

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Seehofer ergeht sich in operativer Hektik, mehr nicht!

    Eigentlich erwartbar, vielleicht auch im Sinne der taz-Autorin bei dieser von ihr gleich eingangs der "Satire" unterstellten weiteren Existenz des Kapitalismus,

    das wäre die Option der Polizei, sich nicht mehr als ungeliebter Puffer zwischen den vielen Armen und den wenigen Reichen zu verstehen.

    Die Fläche weitgehend aufgeben, den Mad-Maxen überlassen; und sich primär um die formellen wie informellen Gated Communities zu kümmern.

    Konnte ich bereits vor rund dreissig Jahren -und seitdem noch mehrfach- in den USA erleben. Ist eben nur etwas teurer, das Leben hinter hohen, hochgesicherten Mauern.

  • Ich könnte daraus auch schließen, das Horst und seine Jungs offenbar die taz lesen.



    Gut so !

    • G
      Gast
      @Jürgen aus Nürnberg:

      Es keine Frage der Moral oder gar der Pressefreiheit, es ist eine Frage der Schulbildung, von der kein Beteiligter Gebrauch machen möchte.

      PS Wie wäre es, mit einem Beitrag über die verschiedenen Literaturgattungen, ihre Merkmale und ihre Funktion? Irgendwo wird sich ein Prof. Dr. Dr. Dr. gewiss dafür finden.

    • G
      Gast
      @Jürgen aus Nürnberg:

      Es gibt genug Denunzianten! Das weiß auch die taz!

  • Die A.C.A.B.-Diskussion - und die Rechtsprechung dazu - hat gezeigt, dass die Beleidigung des polizeilichen Kollektivs straffrei bleibt. Schauen wir mal was am Ende des Tages von den diesbezüglichen Anzeigen übrig bleibt.

  • 0G
    01349 (Profil gelöscht)

    "In diesem Fall stellt der Bundesinnenminister die Belange der Polizei über die Pressefreiheit."

    Sofern es denn zu den Belangen der Polizei gehört, rechtsextreme Umtriebe und "mysteriöse Todesfälle" unter den Teppich zu kehren...

  • Jetzt muss ich doch auch ein paar Gedanken zur Kolumne über die Polizei einbringen. Mich befremden die betulichen Entgegnungen zum Ursprungstext schon. Ich bin nicht der Ansicht, dass eine Kolumne ausgewogen sein und alle Richtungen berücksichtigen muss. Sie darf emotional, unsachlich und ja, auch zynisch sein. Die Aufregung darüber wird mit diesem oberlehrerhaften Zurechtrücken nur schlimmer. Zum Thema noch eine Geschichte: Ein Polizeischüler, der ausgestiegen ist, sagte zu einem Dozenten "die Arschlochdichte bei der Polizei ist signifikant höher als in der Gesamtbevölkerung"

  • Ein Bundesminister stellt Strafanzeige gegen ne ziemlich unbekannte Journalistin. Eine wahrhaft peinliche Aktion. Ich glaub, da rettet der sich auch nur raus, wenn er das schleunigst zurückzieht. Bin gespannt auf die Todeskuss-Formulierung der Kanzlerin. "Hat mein Vertrauen" oder so ähnlich ging das doch.

    • @Karl Klarname:

      Sagen wir es mal so. Aus Worten werden Taten. Das haben wir bei den Brandanschlägen gesehen. Bei den BLM-Demos (die ich sehr gut finde) wurden auch ACAP und "F...the police"-Schilder getragen. Und dann flogen Steine. In Stuttgart hieß es auch "F... the Police" und es wurde Gewalt ausgeübt.



      Ich finde, JEDE pauschale Abwertung eine Gruppe ist falsch.



      Sie kann zur Gewalt beitragen.



      Das war und ist richtig bei der widerlichen Hetze der AfD gegen



      Flüchtlinge und den Anschlägen auf Flüchtlingsheime.



      Das ist wohl auch so bei der Hetze gegen Polizisten.



      Polizisten sind auch Menschen, haben eine Menschenwürde.



      Und ich fasse es nicht, dass ich das in der taz kommentieren muss.



      Und Horst Seehofer ist als Minister Vertreter des Dienstherren der Bundespolizei.



      Dazu:



      § 78



      Fürsorgepflicht des Dienstherrn



      1Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

      Genauso, wie eine Chefredakteurin die Autorin schützt, wenn die Kritik zu krass wird.

      • @Kartöfellchen:

        Aus worten werden Taten? Ich hab noch nie gesehen, dass ein "F... the police" zu Orgien mit Ordnungskräften geführt hat.



        Es ist allerdings ein starkes (und u.U. ein bedenkliches) Signal unseres Heimatministers (ich hane den Sinn dieses "Ministeriums" immer noch nicht begriffen) wenn er Presse auf eine Stufe mit Faschisten stellen will.

    • 0G
      01349 (Profil gelöscht)
      @Karl Klarname:

      Horsti im Erdo-Wahn.

  • Kommentar gelöscht. Die Moderation

    • @Per Nachname:

      Klar die Krawalljungs von Stuttgart lesen alle eifrig die taz :-D

    • @Per Nachname:

      selbstverständlich hat der jugendmob in Stuttgart die taz gelesen und ist nur deshalb erst auf die idee gekommen, einen radikalen plan zu entwickeln für den fall dass ihnen diese müllpolizei sie noch einmal ihre drigen wegnehmen will.



      von alleine könnten sie da ja niemals drauf kommen...

    • @Per Nachname:

      Wirklich unerträglich ist tatsächlich nur der Innenminister (um dessen Strafanzeige es ja hier im Artikel gerade geht).

      Frau Yaghoobifarahs Artikel wird ausgiebigst anderweitig besprochen.

      "das Geschehen in Stuttgart [...]"

      Das war aber jetzt eine scharfe Kurve, die Sie genommen haben. OK, wenn wir da angelangt sind, hier meine These: für Stuttgart sehe ich in erster Linie die zunehmende Ramboisierung der Polizei in der Verantwortung.

      Aber diese wird Ihnen nicht gefallen, denke ich.

      • @tomás zerolo:

        Die Verbindung der Kolumne zum Geschehen in Stuttgart war ja nicht meine „Kurve“, sondern die des Bundesinnenministers (und mittlerweile auch die des Bundespräsidenten): „Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen, genauso wie wir es jetzt in Stuttgart gesehen haben. Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.“ (Zitat aus dem Artikel) Genau um diese Verbindung ging es Seehofer laut des Artikels doch offensichtlich.

        Und meine Kritik bezog sich darauf, dass niemand die Frage diskutiert, ob es, wie Seehofer argumentiert, einen politischen Zusammenhang zwischen solchen Herabwürdigungen, wie in der Kolumne geschehen, und dem entgrenzten Eindreschen auf Polizeibeamte in Stuttgart gibt, sondern sich an der Frage der Strafanzeige abarbeitet.

  • "Darin wurde auch die Option der Mülldeponie aufgegriffen."

  • Strafanzeige darf der Innenminister erst mal stellen. Es kommt dann aber auf die Staatsanwaltschaft an, ob Anklage erhoben wird und ein Gericht darf dann darüber entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird. Bis dahin wird viel Wasser die Spree runtergelaufen sein. Aber nochmal, nur weil irgendwo Satire draufsteht heißt es noch lange nicht das auch Satire drin ist.

  • Seehofer versucht zu punkten. was für ein billiges und durchschaubares Spiel.