Anja Krüger über die Zahl der Verkehrstoten auf deutschen Straßen
: Falsche Politik ist kein Schicksal

Es ist nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht: Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ist auf einem historischen Tiefstand. Das teilt das Statistische Bundesamt mit. Aber, und das sollte nicht nur die Hinterbliebenen bestürzen, im Jahr 2019 haben im Straßenverkehr noch immer 3.059 Menschen ihr Leben verloren. Und: Die Zahl der getöteten RadfahrerInnen ist von 421 auf 426 gestiegen, denn es kommen immer mehr E-Bike-Fahrende um. Mehr als 380.000 Menschen wurden durch Unfälle im Straßenverkehr verletzt.

Man stelle sich vor, so viele Kinder, Männer und Frauen würden durch eine ansteckende Krankheit geschädigt oder gar ums Leben kommen – das Land wäre ein anderes. Schutzmaßnahmen würden den Alltag völlig verändern, vorsichtiges Verhalten würde zur obersten StaatsbürgerInnenpflicht – zu Recht. Auf die schlimmen Folgen des Autoverkehrs dagegen reagieren Gesellschaft und Politik unfassbar gelassen. Der Grund: Im Straßenverkehr zu Schaden zu kommen wird von den meisten Menschen noch immer als Schicksalsschlag angesehen, der eben nicht zu ändern sei und deshalb hingenommen werden müsse.

Das ist eine fatale Sichtweise. Unfallopfer sind die Folge einer falschen Verkehrspolitik. Deshalb werden die Rufe nach drastischen Änderungen lauter, aber nicht gehört. Gerade erst haben die Bundesländer die Chance verpasst, BürgerInnen im Straßenverkehr besser zu schützen. Sie haben bei der Novellierung der Straßenverkehrsordnung die Senkung der Höchstgeschwindigkeit in Orten und auf der Autobahn abgelehnt. Dabei sind Temposenkungen eine schnelle und billige Maßnahme, für mehr Sicherheit zu sorgen. Nachdem Ende der 1950er Jahre die Höchstgeschwindigkeiten auf 50 Stundenkilometer in Orten und Anfang der 1970er Jahre auf 100 Stundenkilometer auf Landstraßen gesenkt wurde, ist die Zahl der Verkehrstoten drastisch gesunken. Schärfere Tempolimits alleine reichen zwar nicht – nötig ist eine Verkehrs­sicherheitswende mit schützenden Wegen und vor allem weniger Pkws und Lkws –, aber sie wären ein Anfang.

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