„Der Junge braucht einen Arzt“

Ein 18-jähriger Hamburger Linker sorgt mit wirren Tweets für Aufsehen. Seine Partei distanziert sich

Von Martin Reeh

Die Linke in Hamburg hat mitten im Bürgerschaftswahlkampf ein Problem: Es heißt Tom Radtke, ist 18 Jahre alt, steht auf Platz 20 der Landesliste und seit einem Tweet am vergangenem Montag eine Internetberühmtheit.

„Heute vor 75 Jahren wurde Auschwitz befreit. Der Holo­caust war eines der größten Verbrechen im 2. Weltkrieg“, twitterte er. „Die Nazis gehören auch zu den größten Klimasünder*innen, da ihr Vernichtungskrieg und ihre Panzer riesige Mengen an CO2 produziert haben. Wir müssen die Klimaerwärmung jetzt stoppen, damit sich ein Holocaust nicht wiederholt.“

Der Hamburger Landesverband der Linken beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit Radtke, forderte ihn zum Rückzug von seiner Kandidatur auf und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein. Radtke ließ sich aber davon nicht beirren – und konterte auf Twitter mit der Ankündigung von Enthüllungen, zunächst gegen Fridays for Future („Wenn ihr über mich lügt, sehe ich nicht, warum ich eure dreckigen Geheimnisse (z. B. den Pädophilen bei FFF Hamburg) noch für mich behalte. Wenn keine Richtigstellung kommt, dann werde ich morgen alles erzählen. Auch zu Lui­sa“), dann gegen einen nicht näher benannten SPD-Bundestagsabgeordneten („Der Hamburger Bundestagsabgeordnete sollte aufpassen, sonst ergeht es ihm wie seinem ehemaligen Fraktionskollegen Edathy. Ich kenne die Namen einiger seiner Opfer“).

Schließlich beschuldigte er den Hamburger Linken-MdB Fabio De Masi auf Twitter einer außerehelichen Affäre, obwohl De Masi nach eigenen Angaben gar nicht verheiratet ist. Für Samstagabend kündigte er einen Livestream im Internet mit weiteren Enthüllungen an. Diese fielen aus. Sein Anwalt habe ihm davon abgeraten: „Es gibt viele Leute, die darauf warten, dass ich einen Fehler mache, um mich hinter Gittern zu sehen“, so Radtke.

Fabio De Masi spekulierte auf Twitter über eine psychische Erkrankung Radtkes: „Der Junge“ brauche „dringend einen Arzt“, schrieb er.

Radtkes Landeslistenplatz 20 ist eigentlich aussichtslos. Aber in Hamburg können Bürger ihre Stimmen ausschließlich an Personen vergeben und damit Kandidaten von den hinteren Plätzen der Liste in die Bürgerschaft voten. Radtke wirbt inzwischen ganz offensiv damit: Auf dem Ausschnitt des Wahlzettels auf seiner Webseite sind alle fünf Personenstimmen bei ihm angekreuzt.