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Kommentar EU-KommissionspräsidentinDie SPD sollte Groko aufkündigen

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Das Problem ist nicht von der Leyen, sondern das Prozedere der EU-Länder. Die SPD sollte eingreifen, denn es geht um die Grundregeln der Demokratie.

Immer klein neben der CDU: die SPD Foto: dpa

D er Versuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der übrigen europäischen Regierungschefs, Ursula von der Leyen ins Amt der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Amt der EU-Kommissionspräsidentin zu hieven, mag den Gepflogenheiten dessen entsprechen, wie in Brüssel Politik gemacht wird. Demokratischen Prinzipien und Versprechungen entspricht es nicht. Dabei geht es nicht um die Person von der Leyen, sondern um ein Procedere, das nur als ein Affront gegen demokratische Spielregeln in Europa wie auch in Berlin verstanden werden kann.

Es ist nicht nur so, dass dem Europäischen Parlament eine Person vor die Nase gesetzt wird, von der zuvor nicht die Rede gewesen war. Die Wähler selbst, die durch ihre hohe Beteiligung unter Beweis gestellt haben, dass sie die Demokratie in Europa ernst nehmen, werden hier verschaukelt, war ihnen doch vorgespiegelt worden, sie hätten mit der Wahl eines Spitzenkandidaten Einfluss auf den künftigen EU-Kommissionspräsidenten vulgo Regierungschef.

Haben sie aber nicht. Wichtiger ist es offenbar, rechtspopulistischen Regierungen von Polen bis Ungarn mit Ursula von der Leyen eine ihnen genehme Persönlichkeit anzubieten.

Nicht besser dran sind die deutschen Sozialdemokraten. Die gebeutelten GenossInnen mögen bisher darauf vertraut haben, in einer Koalition mit der Union einen gewissen Einfluss auf das Staatsschiff zu besitzen und diesen dazu zu nutzen, Gutes zu tun. Mit Merkels Entscheidung für von der Leyen aber hat die Kanzlerin deutlich gemacht, was der Koalitionspartner für sie ist: ein Wurmfortsatz, zu vernachlässigen, wenn es ans Eingemachte geht.

Wann, wenn nicht jetzt?

Eine Kabinettsentscheidung zu der Frage, ob von der Leyen künftig EU-Chefin sein soll, wäre angebracht gewesen. Aber es hat eine solche nicht gegeben, lediglich eine kurzfristige Anfrage an die SPD. Dass deren Ablehnung dazu führte, dass sich Merkel bei der entscheidenden EU-Ratssitzung enthalten hat, ist eine nette Fußnote, mehr aber auch nicht.

Doch anders als das Wahlvolk hat die SPD die Möglichkeit, das abgekartete Spiel um den Kommissionspräsidenten nicht nur ohnmächtig zu beobachten, sondern daraus Konsequenzen zu ziehen: durch die Aufkündigung der Großen Koalition mit der Union. So weit sind wir nämlich jetzt. Der bedauernswerte Zustand der Partei ist kein Argument gegen eine solche Entscheidung, sondern spricht im Gegenteil dafür. Wann, wenn nicht jetzt, kann die SPD das hintergangene Wahlvolk im Falle eines solchen Schritts hinter sich wissen?

Es geht hier nicht um einen irren Verfassungsschutzpräsidenten, nicht um Etat-Streitigkeiten oder eine gescheiterte Pkw-Maut. Es geht um die Grundregeln der Demokratie. Die SPD, der so gerne ein staatstragender Habitus vorgeworfen wird, ist gefordert, sich ein Verdienst daran zu erwerben.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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41 Kommentare

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  • So ist es.

  • Booey & ich dacht schon - Ach was!



    & Vor allem aber - “Wo bleibt Hille?“



    Bei dem Assist & so lang aphone & nicht vermißt. Gellewelle.

    & Däh!



    “…Dass deren Ablehnung dazu führte, dass sich Merkel bei der entscheidenden EU-Ratssitzung enthalten hat, ist eine nette Fußnote, mehr aber auch nicht.“ Ach was!

    Nunja - unser fdjWinkelement is halt nich - Ol Conny Adenauer. Selbstwähler



    Obwohl Obwohl - Das sich selbst Beklatschen - im Realen Sozialismus - Standard war.* Aber Hallo. Dennoch:

    & kl. Hinweis -



    Die Enthaltung bei eigenem Vorschlag.



    Angie wies a tv drauf hin. Newahr.



    Normal = EUStandard is! Wollnichwoll

    unterm—-* Sich-Selbstbeklatschen - Ja!



    Auch außerhalb des COMECON - Gelle.



    Gängig. Standard. Brach doch nicht nur ich einst zusammen. Als in Schwandorf ein gerade volle Kanne hochgelobter sowjetischer Diplomat - Aufsprang!



    &



    Wie eine schlotternde Comic-Figur - 😈



    Sich & Allerheftigst - Beklatschte.

    kurz - Allet wie gehabt.



    Hille bleibt Hille. Hat wieder allen alles.



    Aber sowas von - Gegeben - kerr.



    Da bleibt wieder keen Ooje trocken - wa. Liggers - auf den Mann is Verlaß. 🎭

  • 0G
    05653 (Profil gelöscht)

    So ein dickes Schiff wie die SPD manövriert nur langsam. Mit Motorschaden dann eben noch langsamer. Die SPD versucht sich wieder neu zu profilieren, nachdem sie sich auf der Suche nach den betuchten Mittelschichtlern im politischen Einheitsbrei in einer tiefen Identitätskrise verloren hat. Derzeit wäre ein Bruch der Koalition politischer Selbstmord. Nur die Grünen würden profitieren. Der Kurs der SPD grenzt sich derzeit mehr und mehr von der Union ab. Zum Jahreswechsel scheint der überfällige Schritt aus der Koalition eher möglich zumal die Klimaapokalypse im Winter nach fünf überdurschnittlich kalten Januarmonaten mehr Raum für andere Themen lässt.

  • taz: "Die SPD sollte eingreifen, denn es geht um die Grundregeln der Demokratie."

    Die SPD ist ein sinkendes Schiff, das es nicht mehr bis zum nächsten Hafen schafft. Deshalb klammern sich die Genossen ja auch so an die GroKo. Solange die SPD-Alphatiere noch keinen Aufsichtsratsposten an der Angel haben, werden sie die GroKo auch weiterhin am Leben erhalten. Wenn irgendwann aber der fette Fisch am Haken hängt, dann wird der Fang eingeholt und dann springen die SPD-Alphatiere ins Rettungsboot und überlassen die Titanic-SPD dem Meer.

    Für Kevin Kühnert - der letzte echte 'Sozialist' in der SPD - ist aber kein Platz mehr auf dem Rettungsboot, deshalb wird er ein letztes Mal das alte Arbeiterlied über 'soziale Gerechtigkeit' auf seiner Mundharmonika spielen, bevor auch er im Meer der Bedeutungslosigkeit für immer verschwindet.

  • Die Analyse von K. Hillenbrand teile ich nicht.

    Zum Einen ist lediglich auf EU-Ebene vereinbart, dass bei der Besetzung des/der EU-KommissionspräsidentIn das Ergebnis der EU-Wahl zu berücksichtigen sei.

    Dies ist der Fall.

    Unstreitig ist, dass die stattgefundene Hinterzimmer-Entscheidungsfindung alles andere als ein Glanzakt der Demokratie zu werten ist, welche auch dem "demokratischen" Ansehen der EU Schaden zugefügt hat.

    JEDOCH bezweifle ich SEHR die Ansicht: "Wann, wenn nicht jetzt, kann die SPD das hintergangene Wahlvolk im Falle eines solchen Schritts hinter sich wissen?"

    Die SPD hält Mutti in der GroKo die Stange, obwohl die SPD seit Jahren den neoliberalen Kurs der CDU 1 zu 1 mitgetragen hat, alle Arbeitnehmerrechte, Mieterrechte, & Co. unter tatkräftiger Mithilfe der SPD zwischenzeitlich massiv eingeschränkt wurden, und der Billiglohnsektor in Deutschland unter der Arbeitsministerführung der SPD ausgebaut wurde.

    All dies, und viele mehr, veranlasste die SPD nicht zum Ausstieg aus der GroKo.

    Und jetzt soll es aus Wählersicht die SPD wie auch immer stärken, wenn sie wegen dieses - vergleichsweise "kleinen" EU-Personalvergehens - die GroKo aufkündigt???

    Sorry, aber das ist doch wirklichkeitsfremd.

    Die SPD würde von einer Aufkündigung der GroKo allenfalls dann in der Vergangenheit profitiert haben, wenn sie sich zur passenden Gelegenheit klar und deutlich von dem neoliberalen Kurs der Konservativen distanziert hätte, UND sich zudem stattdessen für den Erhalt der Rechte der "kleinen Leute" sichtbar eingesetzt hätte.

    Einen solchen Einsatz würden die Wähler geschätzt haben und zur Stärkung des politischen Rückens der SPD geführt haben.



    Aber nicht der Austritt aus der GroKo wegen dieser EU-Personalie.

    ;-)

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    sozusagen in "eigenem" Namen



    Allerdings(1928)

    Rettende Insel

    es war alles schon mal da, weit vor Konrad Lorenz.(grins)

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @05158 (Profil gelöscht):

      Abgesehen von dem entbehrlichen Productplacement Ihres Namensgebers: wunderschön.

      Zum etwa hundersten Male bedaure ich es, dem damaligen Werben eines holden weiblichen Wesens mit starker Ringelnatz-Affinität Anfang der 1990er nicht nachgegeben zu haben. In meiner damaligen Depri-Phase passte Ringelnatz einfach nicht rein.

      Und was das "Alles schon mal dagewesen" angeht: klaro. Auch unsere Gedanken wurden schon zig-fach von Anderen gedacht. Von dem Wasser, was wir trinken, schweige ich lieber. Da möchte ich nicht wissen, durch wieviele Kehlen und innere Organe das bereits gelaufen ist ...

      • 0G
        05158 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        das Productplacement hat mir die Tränen ins Auge getrieben.



        Klasse Antwort.(schöner alter Begriff...)



        das ist zwar nicht das Thema, aber



        "An Gabriele B."

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @05158 (Profil gelöscht):

          Schönen Dank für die Blumen ... und nicht weinen, bitte ...

          Ich sorge gerne von Zeit zu Zeit dafür, dass neben notwendiger Themenorientiertheit auch die Poesie nicht zu kurz kommt.

          Als Abt. off-topic.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    um etwas Stimmung reinzubringen:



    Bertolt Brecht"Lob der Partei"

    Im Lichte der Klassiker, scheint das aktuelle Gegackere komisch....

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @05158 (Profil gelöscht):

      Ich erinnere mich nicht mehr so genau an den Text.

      Kommt da etwas von "Gegackere" vor? Oder war das nicht in Brehms Tierleben ... oder bei Konrad Lorenz?

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Bütte:

        Lob der Partei

        Der Einzelne hat zwei Augen



        Die Partei hat tausend Augen.



        Die Partei sieht sieben Staaten



        Der Einzelne sieht eine Stadt.



        Der Einzelne hat seine Stunde,



        Aber die Partei hat viele Stunden.



        Der Einzelne kann vernichtet werden,



        Aber die Partei kann nicht vernichtet werden.



        Denn sie ist der Vortrupp der Massen



        Und führt ihren Kampf



        Mit den Methoden der Klassiker, welche geschöpft sind



        Aus der Kenntnis der Wirklichkeit.

        Dass die Partei nicht vernichtet werden kann, das hat ja nicht so ganz hingehauen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          Mit Speck fängt manN Mäuse.

          Natürlich kannte ich den Text. Spätestens um 16:05 nach dem Betätigen meiner Suchmaschine. Aber Danke für die Mühen, die ich Ihnen machen durfte.

          Jetzt mal nachforschen, was Ringelnatz meinen könnte ... und an Sie ein gefälliges Schankedön.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    "Haben sie aber nicht. Wichtiger ist es offenbar, rechtspopulistischen Regierungen von Polen bis Ungarn mit Ursula von der Leyen eine ihnen genehme Persönlichkeit anzubieten."

    Wie bitte? Alle 27 Länder (ohne Deutschland) haben zugestimmt.

    Und, jetzt wo einen akzeptabele Lösung gefunden ist, soll eine Looser-Partei wie die SPD aufmüpfig werden?

    Die hohen Wahlbeteiligung war um die Rechtspopulisten entgegenzuwirken oder aber genau durch die hohen Beteiligung besagte Rechtspopulisten.

    Politik ist der Kunst das Machbaren.

    • @87233 (Profil gelöscht):

      Polen und Ungarn hätten auch nicht ausgereicht, um Timmermans bzw. Weber zu verhindern...

      • 8G
        87233 (Profil gelöscht)
        @agerwiese:

        Eh? Was tut das zur Sache? Ersteinmal sind es nicht nur Ungarn und Polen die eher die "rechtspopulisten" darstellen, und zweitens: wenn die dagegen waren hätten die auch dagegen stimmen dürfen.

  • Hast Du einen No-Hoper, schick ihn nach Europa.



    Dabei hat niemand mitgekriegt, wie geschickt Angela und Uschi den heiß gehandelten Spitzenkandidaten der Netzwerke ausgebootet haben: Andy Scheuer wäre doch ein Selbstläufer gewesen.

  • „Die SPD sollte Groko aufkündigen“

    Jetzt noch? Welche SPD denn? In ein paar Tagen ist doch eh schon wieder Weihnachten.



    Was wir jetzt erstmal unbedingt brauchen, sind doch schärfere Gesetze zum Schutz der Bademeister*Innen «(º¿º)»

  • Bei der lektüre der kommentare stellt sich mir die frage: wie viele personen hat denn eigentlich seibert in der taz ins rennen geschickt?

  • Die EU ist nunmal immer noch kein Bundesstaat und das Europaparlament ist nicht mit Parlamenten der Nationalstaaten zu vergleichen.

    Das vor allem in Deutschland das Prinzip der Spitzenkandidaten populär ist, ist ja richtig. Aber es ist eben auch in der aktuellen Form unsausgegorener Quatsch.

    Solange ich nicht überall die jeweilige europäische Partei, Zusammenschluss, Parteienfamilie oder What ever wählen kann und eben auch nicht überall den jeweiligen Spitzenkandidaten sondern nur in deren Heimatland, ist es eben Quatsch daraus einen Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten abzuleiten.

    Und liebe Taz, auch ihr habt den Leuten diesen Zusammenhang hier suggeriert, wer die meisten Stimmen bekommt wird EU Ratspräsident und das ist eben kein Automatismus.

    Die Macht liegt beim Rat und der ist demokratisch in den jeweiligen Ländern gewählt, nicht beim Parlament.

    Eine Umkehr dieser Verhältnisse würde die EU grundlegend verändern und die Souveränität der Nationalstaaten elementar berühren, ob man das ändern will kann man ja gerne diskutieren, aber zurzeit ist es eben so und nicht anders.

  • Demokratie lebt auf der Grundlage der geltenden Regeln. Im Lissabonner Vertrag ist die Institution eines Spitzenkandidaten nicht vorgesehen. Übrigens ebenso wenig wie im Grundgesetz.



    Und keiner der Spitzenkandidaten hat eine Mehrheit hinter sich, weder im Rat noch im Parlament. Was also tun? Jemand wählen, die kein Spitzenkandidat war? Oder alternativ Neuwahlen?

  • Das GroKoDeal (GroKoDeala; altgriechisch κροκόδειλος) ist eine Ordnung der amniotischen Landwirbeltiere. Neben den Vögeln ist das GroKoDeal eines der beiden heute noch lebenden Taxa der Archosaurier, zu denen unter anderem auch die ausgestorbenen Pterosaurier und die Dinosaurier gehören . Der Körperbau des heutigen GroKoDeal sowie seine Physiologie sind sehr stark durch die Lebensweise im Politischen Sumpf geprägt. Alle GroKoDeale sind vor allem Fleischfresser. Dabei jagen die meisten Arten sehr unspezifisch jede Art von Beute, die sie mit ihrer Größe überwältigen können ...

    Fazit : Eine hochagressive , ( hoffentlich ) aussterbende Art die im Politischen Sumpf lebt & lauert ...

  • Ja sicher. Nachdem die SPD in den GroKos den kompletten Inhalt ihres ersten Buchstaben ausverkauft hatte, soll sie jetzt wg. der "Demokratie" in der EU diese aufkündigen?

  • Demokratie wird auch dadurch nicht besser, dass man für sich und seine Sache alle Werte reklamiert und damit den Gegner als undemokratisch aus dem Rennen nehmen will.

    Es gibt bei der Sache viele Aspekte. Ein Aspekt ist, dass Demokratie bisher national war und die EU eine darübergesetzte Struktur, in der die demokratisch gewählten nationalen Chefs das letzte Wort haben. Das jetzt ohne wirkliche Offenheit auszuhebeln und die am besten legitimierten nationalen Chefs zunehmend ins Abseits stellen zu wollen, hat auch etwas Undemokratisches.

    Das spricht auch nicht gegen mehr europäische Demokratie - nur sollte man nicht so tun, als würde man selber alleine und widerspruchsfrei alle demokratischen Werte hochhalten und alle anderen wären verkappte Autokraten.

  • Vielleicht nochmals zum Hintergrund: Der EU Vertrag sieht den Vorschlag des Rates der Staats- und Regierungschefs unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Parlamentswahl vor (Art. 17 Abs. 7). Von einem "Spitzenkandidatenmodell" steht dort nichts. Die EU ist ein Staatenbund. Keine parlamentarische Demokratie. Wer ein "Spitzenkandidatenmodell" möchte, sollte die grundlegende Verfassung der EU ändern - nicht aber Bedingungen aufstellen, die das Modell der EU so nicht vorsehen. "Undemokratisch" handelte hier nicht der Rat.

  • Das Weber von der CSU und der CDU als gemeinsamer Kandidat aufgestellt wurde, war bereits Kalkül der Kanzlerin, denn es war von Anfang an klar, dass Weber nicht die geringste Qualifikation hatte, diesen Posten zugesprochen zu bekommen!

    Vor einiger Zeit hatte Merkel in einem Interview über die Kandidatur zum Kommissionspräsidenten gesprochen und erwähnte dabei ganz beiläufig Ursula von der Leyen, aber so nebenbei, dass es niemanden auffiel!



    Selbst beim letzten NATO Treffen wurde darüber geredet V. d. Leyen als NATO Chefin vorzuschlagen!



    Dies wurde aber zurückgenommen, als der Beraterskandal öffentlich wurde!



    Immer wieder wurde anschließend von Merkel darüber spekuliert, wie man Flinten Uschi in der EU einen Posten verschaffen könnte!

    ich glaube mit ziemlicher Sicherheit wurde zwischen Macron und Merkel schon lange vor der Wahl, aber nach der Bekanntgabe der Kandidaten, darüber verhandelt, wie e möglich ist, Flinten Uschi in diese Position zu bekommen!



    Das Macron aus eigenem Antrieb eine Person für einen so hohen Posten vorschlägt, von dem die Unfähigkeit ein Amt zu führen bekannt ist, glaube ich sicher nicht!

    Hier spielen nicht nur die Gründe, die benannt wurden, dass Orban und Macron sich gegen Weber und die Oststaaten gegen Timmermans aussprachen eine Rolle, sondern diverse Absprachen, damit ein deutsches CDU Mitglied diesen Posten bekommt!

    Was sich die SPD jetzt alles zumuten lässt, ohne die Konsequenzen zu ziehen, ist einer Partei, die sich trotz ihrer 12 - 15% noch als Volkspartei benennend, nicht würdig!



    Wer nicht rigoros bei einem gegen jede Regel der Demokratie verstoßenden Bruch seine Konsequenzen zieht, verliert damit, den letzten Rest der Achtung von Noch Wählern und eventuellen zukünftigen Wählern!!!

    • @urbuerger:

      Da du die Meinung des Autors zu teilen scheinst erklär doch mal: Die SPD verläßt die Koalition und es gibt vorgezogene Wahlen. Wahlen in die die SPD aber nicht mal einen Spitzenkandidaten schicken kann, weil der oder die neuen Chefs erst Anfang Dezember auf dem Parteitag gewählt werden. Da können sie sich auch gleich die Kugel geben.

  • Naja, erst mal sollte man froh sein, dass VdL national weg ist. Sie ist eine gute Kandidatin für die EU.

    Zweitens kann man sich nicht auf Regeln berufen, die es nicht gibt. Es handelt sich bei dem Spitzenkandidaten-Verfahren um eine Forschheit des Europaparlaments, die nicht in den Verträgen steht und schon bei Jean Claude Juncker wurde dem Europaparlament gesagt, dass es so nicht geht. Das Europaparlament ist keine demokratische Institution, weil die Stimme eines Deutschen bei der Wahl viel weniger Wert ist als die Stimme aller anderen. Es ist gut, wenn das Parlament der Gegenspieler der Kommission bleibt.

  • In der Geschichte haben Parlamente sich ihre Rechte meist erstreiten müssen. Daher fordere ich die EU-Parlamentarier*innen auf, parteiübergreifend von der Leyen durchfallen zu lassen und als gewählte Instanz das Vorschlagsrecht für den/die Kommissionsprasident*in (Änderung der Verträge) zu fordern. Zur Unterstützung sollten sie europaweit Unterschriften sammeln. Ich wäre sofort zu diesem Signal an die Regierungschef*innen bereit. Falls die Resonanz auf den Kampf des Parlaments zu gering ausfiele, wären die Wähler*innen selbst schuld. Nötig wäre auch echter Kampfgeist seitens des EU-Parlaments. Freiwillig haben die Mächtigen ihre Macht fast nie an Parlamente abgetreten. Die Forderung muss nachdrücklich erhoben werden. Geschieht das nicht, nimmt die Akzeptanz der EU weiter ab. Die Lage ist ernst.

    • @Joba:

      Leichter wäre dann die Direktwahl des Kommissionspräsidenten.

  • Also an den Demokratiegedanken habe ich nicht gedacht als ich von vdL gehört habe. Die SPD im ersten Moment auch nicht. Sie fühlt sich nur übergangen. Das kann ich verstehen und wenn sie einen Grund sucht, um die Koalition zu verlassen und nicht die schlechten Wahlergebnisse nennen will, kann sie es jetzt halbwegs gesichtswahrend tun. Ob es klug ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

    Für mich hat bei der Wahl der Spitzenkandidat keine Rolle gespielt. Mir ging es um die Partei. Das sich der Kommisionspräsident ändern kann, wenn es keine entsprechenden Mehrheiten gibt, war doch klar. Nach der Bundestagswahl sah es auch kurz so aus, als würde weder Schulz noch Merkel Bundeskanzler/in, sondern man bräuchte einen Kompromisskandidaten.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Demokratie ist bei den politisch Mächtigen in Europa offenbar DER angstauslösende Faktor schlechthin. Ersteinmal eine politisch relevate und opulent vergütete Position geschafft, läuft der Verteidigungs- und Verschleierungsmodus auf Hochtouren. Parteienübergreifend!

  • Zitat: ...war ihnen doch vorgespiegelt worden, sie hätten mit der Wahl eines Spitzenkandidaten Einfluss auf den künftigen EU-Kommissionspräsidenten vulgo Regierungschef. Haben sie aber nicht. ...



    #######################

    Daran haben die Medien aber einen nicht geringen Einfluß. Anstatt die Wähler mal darüber aufzuklären, was sie da überhaupt für eine machtlose Institution wählen, wurde ihnen monatelang was von Schicksalswahlen erzählt. Dabeuimacht es gar keinen Unterschied ob im EU-Parlament 751 Kellers&Giegolds, Sonnenborns oder Topflappenhalter sitzen.

    • @Duckunwech:

      Von einer „machtlosen Institution“ sollte man tunlichst nicht sprechen, denn der Einfluss dieser Institution auf das alltägliche Leben aller europäischen Bürger dürfte weitaus größer sein, als viele sich derzeit überhaupt vorstellen können. Wer da in dem Laden sitzt, ist deshalb sicherlich nicht gleichgültig.



      Der ganze EU-Apparat ist leider bis heute in der Bevölkerung - und da schließe ich mich ausdrücklich mit ein - weitestgehend ein Brief mit sieben Siegeln geblieben. Ich stimme Ihnen deshalb zu, dass u.a. hier auch die Medien noch viel zu wenig Aufklärungsarbeit geleistet haben.



      Auch, wenn die sogenannten „Spitzenkandidaten“ auf den heimischen Wahlzetteln vielfach gar nicht auftauchten, wurden sie doch im Wahlkampf bei jeder Gelegenheit als solche öffentlich kommuniziert. Das allein riecht doch arg nach großangelegtem Beschiss.

  • Also: zwei Spitzenkandidaten treten an; einer gewinnt und einer verliert. Die SPD fordert, dass der Verlierer unbedingt das Amt bekommen soll.



    Und das soll demokratisch sein?

    Die SPD führt sich, auch in ihrer Entwertun der osteuropäischen Staaten, so auf, als ob die EU Privatbesitz Deutschlands wäre. Zur Erinnerung: Die Visegrad-Staaten plus Italien haben ungefähr so viele Einwohner wie Deutschland und Frankreich zusammen.

    Mehr Europa bedeutet eben mehr Europa und nicht mehr Deutschland.

  • Ich bezweifle sehr, dass es der SPD um Demokratie geht. Die sind erbost, weil ihre Meinung nicht mehr wie früher zählt.

  • Wird das Spitzenkandidatenmissachtungsgejammere nicht ein wenig zu hoch gehangen?



    Kleines GedankenExperiment: Wie wäre die EU-Wahl für die EVP ausgegangen, wenn von der Leyen Spitzenkandidatin gewesen wäre? Oder AKK, Peter Tauber oder Boris Johnson oder werauchimmer?



    Na? Mit Sicherheit genauso.

    Wenn das so ist: Welchen triftigen Grund hätte die SPD, die Koalition zu kündigen? Da gab, es weiß Gott, bessere. Es gab ja nicht mal gute Gründe, in der Koalition mitzumachen.

    • @Nansen:

      Ich glaube eher dass es hier darum geht, dass eine andere Partei neben der Union den Platz der SPD einnehmen soll. Die SPD hat aktuell nicht mal einen richtigen Vorsitzenden, soll aber die Koalition verlassen. Das hat schon was.

    • @Nansen:

      Das ist wohl wahr!

    • @Nansen:

      Und eins noch:



      Es ist naiv zu glauben, dass Frau Merkel jemals an einen Herrn Timmermans als sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten geglaubt hat. Sie hat gesehen, dass der unbekannte Weber nicht durchsetzbar ist, hat dann Timmermans verbrennen lassen und die Zeit genutzt jemanden aus der CDU zu finden. Die Dame hat zu jedem Zeitpunkt gewusst, was sie tut und wie sie es tut.



      Und auf dieses Spitzenkandidatenbohei gibt sie mit Sicherheit wenig. Sonst wäre Herr Weber aus der CSU nie Spitzenkandidat geworden.

  • Der Kommissionpräsident ist kein Regierungschef



    Und das Europäische Parlament ist kein vollwertiges Parlament, was so auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat, als es über die Fünfprozenthürde bei Europawahlen urteilte.