Aktivistin über „Aktion Seebrücke“: „Es muss viel mehr Rettung geben“

Samstag demonstrieren in sieben Städten Menschen für Seenotrettung. Mitorganisatorin Liza Pflaum fordert ein klares Zeichen gegen Abschottung.

Das Schiff "Lifeline" fährt durchs Meer

„Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören“: Dafür müsste aber zumindest die „Lifeline“ auslaufen können (Archivbild) Foto: ap

taz: Frau Pflaum, Sie sind Mitinitiatorin der Aktion Seebrücke, die am Samstag in mindestens sieben deutschen Städten für Solidarität mit den Menschen demonstrieren will, die übers Mittelmeer flüchten. Was genau fordern Sie?

Liza Pflaum: Wir fordern ein Ende der Abschottungspolitik von Deutschland und Europa. Das Sterben auf dem Mittelmeer muss aufhören. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden, weil es das Sterben verhindert – im Gegenteil, es muss viel mehr Rettung geben.

Was werfen Sie den Innenministern Horst Seehofer und Matteo Salvini vor?

Deren rechte Agenda und entmenschlichte Politik. Sie schaffen faktisch das Asylrecht ab und hebeln den Rechtsstaat aus. Wir wollen zeigen, dass es in Deutschland und Europa sehr, sehr viele Menschen gibt, die das überhaupt nicht unterstützen und für diese Art von Politik nicht mitverantwortlich sein wollen. Wir wollen etwas ganz anderes: eine offene, solidarische Gesellschaft.

Sind Sie mit Städten wie Berlin, Barcelona oder Neapel in Kontakt, die sich solidarisch erklärt haben?

Ja, zum Beispiel mit Barcelona. Wir wollen, dass sich ein Netzwerk in ganz Europa bildet, dass Städte und Regionen sagen, wir sind sichere Häfen, hierher können die Menschen kommen, die mit den Schiffen anlanden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich das gut entwickelt.

Wie ist Ihre Aktion entstanden?

Wir sind erst letzten Mittwoch sehr spontan entstanden. Nachdem die Lifeline tagelang nicht anlegen durfte, die Menschen auf ihr in Lebensgefahr waren und noch immer fast täglich weiter Menschen auf See sterben, haben mehrere Einzelpersonen gesagt, jetzt muss wirklich was passieren.

Liza Pflaum, 28, ist Mitinitiatorin der Seebrücke

Seitdem sind Sie rasant gewachsen und werden schon von 24 Organisationen unterstützt.

Das war ein schneller, intensiver Prozess. Die Kernidee ist, dass Leute sich anschließen, um selbst etwas zu machen. Das funktioniert sehr gut: Uns schreiben ständig Leute von überallher an, die auch etwas organisieren wollen. Die Struktur soll niedrigschwellig und dezentral bleiben. Es geht darum, zu zeigen, dass es solidarische Orte gibt, in denen Menschen sagen: Diese Politik unterstützen wir nicht.

Was planen Sie für Samstag – einfach viele Demos?

Ja, erstmal schon. Wir haben wegen der Rettungswesten die Farbe Orange als eines unser Zeichen gewählt und rufen dazu auf, dass die Menschen mit orangenen Tüchern oder T-Shirts als Zeichen der Solidarität mit der Seenotrettung kommen.

Die Aktion „Seebrücke – schafft sichere Häfen“ ruft für Samstag zu Demonstrationen auf. Bisher sind Demos in sieben deutschen Städten geplant, darunter Berlin, Frankfurt am Main und Heidelberg. Unterstützt wird die Aktion von derzeit 24 Organisationen wie Watch the Med Alarmphone, dem Flüchtlingsrat Berlin oder dem Asylrechtsblog

Lehnen Sie sich auch an die Berliner Luftbrücke an?

Nein, wir wollten eigentlich keinen historischen Bezug. Das Wort Seebrücke gibt es ja tatsächlich, es bezeichnet Brücken, die in Gewässer hineinreichen und an denen Schiffe festmachen können. Es soll ein Symbol sein, wir wollen viele Seebrücken, die überall nach Europa hineinreichen und sichere Häfen für Geflüchtete sind.

Es gibt prominente Unterstützer wie Dirk von Lowtzow von Tocotronic, der einen Mobi-Song für euch singt. Jan Böhmermann hat mehr als 150.000 Euro für die Gerichtskosten des Prozesses gegen den Lifeline-Kapitän gesammelt, der seit Montag in Malta vor Gericht steht. Seid ihr auch mit ihm in Kontakt?

Diese Spendekampagne haben sogar Einzelpersonen aus der Seebrücke zusammen mit Böhmermann ins Leben gerufen. Wenn es zu Prozessen kommt, wollen wir auch da solidarisch sein.

Auch das KünstlerInnen-Kollektiv Peng ist bei euch Mitglied und hat die Satire-Seite „Seebrücke des Bundes“ ins Leben gerufen. Darauf wurde kürzlich vermeldet, Deutschland nehme bis 2019 freiwillig alle Menschen auf, die bis dahin aus dem Mittelmeer gerettet wurden. Ist es sinnvoll, Satire und die realen Aktionen unter demselben Namen laufen zu lassen?

Auch Peng hat die Seebrücke mitgegründet. Anfangs dachten wir einfach, dass die Satire Teil der Aktion ist, um Aufmerksamkeit zu erregen und auf weiteres wie die Demos zu verweisen. Wir haben jetzt aber schon manchmal gehört, dass es ein bisschen verwirrend ist, vielleicht müssen wir das nochmal überdenken.

Wie soll es nach Samstag weiter gehen?

Der Diskurs wurde in den letzten Wochen und Monaten von einer rechten Hegemonie bestimmt. Wir wollen mit dieser Bewegung wieder in die Lage kommen, eigene Inhalte und Ziele zu setzen und das auch sichtbar zu machen. Die Aktion am Samstag wird die erste, aber auf keinen Fall die letzte sein.

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