Kommentar Iran und Atomwaffen: Im Club der Unantastbaren
Warum eigentlich darf Iran keine Nuklearwaffen haben? Wurzel des Problems ist der Atomwaffensperrvertrag, der mit zweierlei Maß misst.
V ersetzen wir uns mal für einen Augenblick in die Iraner hinein: Sie haben in dieser Woche einen älteren Herrn mit fluffiger Föhnfrisur vor die Kameras treten sehen, der ihnen entrüstet vorwirft, eine Atombombe anzustreben und sich überhaupt zu sehr in die Belange anderer Länder einzumischen. Dieser Herr ist Präsident der Vereinigten Staaten und verfügt aktuell über ein Arsenal von rund 4.000 atomaren Sprengköpfen. Und, nun ja, sein Land mischt sich hier und da auch in die Belange anderer Staaten ein. Sie alle aufzuzählen würde an dieser Stelle allerdings zu lange dauern.
Die Iraner, und zwar Anhänger*innen und Gegner*innen des Regimes gleichermaßen, fragen sich also zu Recht: Warum ist es den USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China erlaubt, Atomwaffen zu haben, während Iran nicht einmal Uran hoch anreichern darf? Wieso soll die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ausgerechnet in Iran auf jedem Militärstützpunkt herumschnüffeln dürfen? Wo ist da die Gerechtigkeit?
Es ist diese Perspektive, die Verhandlungen mit Teheran schon immer so schwierig gemacht hat. Wer das nun von Donald Trump gekündigte Atomabkommen retten oder Änderungen verhandeln will, muss sich vor Augen führen, wie man in Iran auf den Atomkonflikt blickt. Denn tatsächlich basiert der Atomwaffensperrvertrag (NPT) auf einer Ungleichbehandlung der Unterzeichnerstaaten. Der NPT soll verhindern, dass Atomwaffen sich weiter verbreiten – ein wichtiges Anliegen. Nichts bedroht den Weltfrieden so sehr wie ein nukleares Auf- und Wettrüsten von immer mehr Staaten. Allerdings: Die fünf Atommächte dürfen ihre Waffen behalten. Auch die Staaten, die den NPT gar nicht erst unterzeichnet haben, sind fein raus.
Indien, Pakistan und Israel sind inoffizielle Atommächte, aber niemand droht ihnen, keiner inspiziert sie, sie sind auch keinem Sanktionsregime unterworfen. Wer es einmal zur Atombombe gebracht hat, ist fortan nahezu unantastbar.
Seit der Revolution gelten USA und Israel als Erzfeinde
Wer will dem Regime in Iran verdenken, dass es, allen offiziellen Verlautbarungen zum Trotz, genau das auch möchte? Oder zumindest so weit kommen will, sich innerhalb von Monaten nuklear bewaffnen zu können? Iran hat sich seit dem Iran-Irak-Krieg nicht mehr so bedroht gefühlt wie heute. Die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten haben sich zu einem Krieg zwischen Sunniten und Schiiten gewandelt, ausgetragen auf den Schlachtfeldern Syrien und Jemen. Hinzu kommen die USA und Israel, die von den Machthabern in Teheran seit der Islamischen Revolution als Erzfeinde betrachtet werden. Wir mögen es anders einschätzen, aber Iran selbst sieht sich von Feinden umzingelt.
Das Regime in Teheran dürfte den Schah einmal mehr verfluchen, der den Atomwaffensperrvertrag schon 1970 unterzeichnet hat. Jetzt ist die Verlockung groß, auszusteigen. Nordkorea hat es vorgemacht: Das Regime kündigte 2003, passiert ist ihm nichts. Zu schwer wog die Sorge, dass das schwer einzuschätzende Land tatsächlich schon so etwas wie eine Nuklearwaffe entwickelt hat. Nun stehen alle Zeichen auf Frieden, sogar ein Gipfel ist geplant. Doch noch hat Trump kein Atomabkommen mit Kim ausgehandelt. Zweifelhaft, dass er mit seiner Verhandlungsmasche „The Art of the Deal“ gegen „The Art of the Bomb“ ankommt.
Irans Aufkündigung des NPT könnte allerdings andere, dramatische Folgen haben. Schon deshalb, weil die Islamische Republik immer wieder gedroht hat, Israel von der Landkarte auszuradieren, wird Teheran mit harten Konsequenzen rechnen müssen. Kanzlerin Merkel sprach nicht ohne Grund davon, dass wir es derzeit mit einer Frage von Krieg und Frieden zu tun haben. Die übrig gebliebenen Vertragspartner des Atomabkommens, allen voran Europa, müssten schon sehr gut verhandeln, um noch Schlimmeres zu verhindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen