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Kommentar Wahlkampf der SPDEs ist die Glaubwürdigkeit, stupid!

Kommentar von Dominic Boeer

Das Profil von Martin Schulz wurde korrigiert, gestutzt und angepasst. Nun ist keins mehr übrig. Die Schulz-Strategie der SPD ist nicht aufgegangen.

Martin Schulz ganz nah bei den Menschen. Typisch für ihn: die ausgestreckte Hand Foto: dpa

D ie SPD hat ihren Kanzlerkandidaten in Grund und Boden optimiert und ist dabei an der eigenen Naivität gescheitert. Die Genossen werden sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen müssen, die Wähler schlicht und einfach unterschätzt zu haben. In Zeiten von Facebook, Youtube, House of Cards und Fake News hat sich die vorauseilende Skepsis in der Bevölkerung gegenüber „denen da oben“ längst so verschärft, dass einem Politiker inzwischen erstmal gar nichts mehr geglaubt wird. Der Wähler möchte keine Gummibärchen, keine Kugelschreiber und weder „an die Hand genommen“ noch „abgeholt“ werden.

Entscheidend für einen Wahlerfolg sind überzeugende Botschaften und ein absolut glaubhafter Spitzenkandidat. Kurz vor der Bundestagswahl hat die SPD beides nicht. Und dabei wird niemand behaupten können, dass die Deutschen Martin Schulz von Anfang an nicht mochten. Schließlich kannte man ihn zu wenig, um ihn nicht zu mögen.

Was auch immer Schulz Silvio Berlusconi 2003 im Europäischen Parlament entgegengeschmettert hat – es hat uns sehr gefallen, dass es Berlusconi nicht gefallen hat. Und als er in den vergangenen Jahren hin und wieder von seiner europäischen Wolke in die Niederungen deutscher Polit-Talkshows hinabgestiegen ist, um einem anerkennenden Publikum aufzuzählen, mit welchen Staatschefs er noch kurz vor der Sendung telefoniert habe, war einem der Mann jedenfalls nicht komplett unsympathisch. Man hat ihm den Macher durchaus abgekauft.

Nicht ganz überraschend schlussfolgerte die SPD also, dass doch in Deutschland klappen muss, was in Europa gut funktioniert hat. Aber was ist nach der einstimmigen Wahl zum Kanzlerkandidaten am 19. März passiert? SPD-Wahlkampf ist passiert. Gut möglich, dass Martin Schulz ein halbes Jahr nach dem 100-Prozent-Parteitag immer noch den Kopf schüttelt. Nur inzwischen gewiss nicht mehr aus fassungsloser Begeisterung, sondern eher aus konsternierter Bestürzung. Sollte es Anfang des Jahres eine Wechselstimmung gegeben haben, ist die Mehrheit der Deutschen heute entschlossen, kein neues Auto mit defektem Navigationssystem zu kaufen, solange die alte Karre am Ende noch überall ankommt.

Marke „Mister Europa“

Die SPD hat die Marke „Mister Europa“ aus Angst, sie könne zu abgehoben und nicht volksnah wirken, in atemberaubendem Tempo verscherbelt. Würselen musste her: Seht her, ich bin einer von Euch! Ein Thema, ein Schlagwort: Gerechtigkeit. Aber nachdem Umfragen dargelegt haben, dass viele Deutsche ihre Lebenssituation weniger ungerecht empfinden als von der SPD erhofft, scheint auch Schulz nicht mehr sonderlich scharf auf sein eigenes Thema zu sein. So tingelt der Schulz-Zug inzwischen deutlich langsamer und beginnt, die Orientierung zu verlieren.

Fix sucht die Kampagne die sicheren Nummern, die einfachen Mehrheiten und macht ihren Spitzenkandidaten zur Sprechpuppe des Mainstreams: Wenn wir Trump doof finden, findet Schulz Trump öffentlich mit uns doof. Wenn wir Erdogan eine Abreibung verpassen wollen, schiebt Schulz panisch den Außenminister zur Seite und macht das für uns. Wenn alle Stricke reißen, ist Schulz auch gerne nochmal nachträglich gegen den Irak-Einsatz der Amerikaner. Beim Thema Putin ist Deutschland zu gespalten, als dass sich Martin Schulz laut und ungefragt dazu äußern müsste. Jetzt muss alles passen.

Schulz bemüht sich um die richtige Dosis Lokalkolorit und versucht sich im Schröderschen Kumpel-Sprech.

Eifrig werden auch die letzten Falten in der Rhetorik weggebügelt und bei öffentlichen Auftritten übertrifft Martin Schulz jedes bekannte Maß an Gefälligkeit. Er beginnt seine Sätze brav mit „Schauen Sie, …“, um dann mit einem lässigen „übrigens“ gleich den nächsten folgen zu lassen. Er bemüht sich um die richtige Dosis Lokalkolorit und versucht sich im Schröderschen Kumpel-Sprech. Er streckt die Brust raus, macht große Schritte und hält seinem Gegenüber, lange bevor er ihn erreicht, die ausgetreckte, weit geöffnete Hand hin.

Er lacht gerne laut, weil Merkel das nicht so gut kann. Er spielt gerne Fußball, weil Merkel das noch weniger kann. Er singt gerne kölsche Lieder, weil Merkel das sicher nicht kann. Er spricht leiser, wenn es um einen afghanischen Flüchtling oder den Beruf seines Vaters geht. Er spricht langsamer, wenn´s wichtig und programmatisch klingen soll. Längst ist es nicht mehr zu übersehen: Das Profil von Martin Schulz wurde inzwischen so korrigiert, gestutzt und angepasst, dass keins mehr da ist.

Seinen vorläufigen Tiefpunktpunkt erreichte Schulz im TV-Duell, dem letzten Moment, in dem er das Ruder hätte herumreißen können. Sein Schlussstatement wird vom Kanzlerkandidaten so auswendig gelernt vorgetragen, dass die Fernsehzuschauer zeitweise denken müssen, er habe einen Knopf im Ohr. Da hilft auch kein künstliches Nachfragen bei den Moderatoren, ob er wirklich nur 60 Sekunden habe, was einzig darauf abzielte, den Zuschauer glauben zu lassen, Schulz würde sich das folgende Statement aus dem Ärmel schütteln. Als Wähler fühlt man sich zu diesem Zeitpunkt im besten Fall nicht ernst genommen und im schlechtesten Fall vorgeführt.

Schulz taugt zum Gartenhaus-Bau, nicht zum Regieren

Dass Schulz im TV-Duell nicht überzeugen konnte, wird auch durch die Foto-Kampagne nicht aufgefangen. Gerüchten zufolge halten immer noch viele Autofahrer das aktuelle Wahlplakat von Martin Schulz für eine Baumarkt-Werbung. Dem überzeugt grinsenden Daumen traut man zweifelsfrei zu, einem das richtige Werkzeug für den Bau eines Gartenhauses rauszusuchen, aber hat er auch das Zeug, ein Land zu regieren? Empathie wird verzweifelt gesucht.

Das Alter von Martin Schulz wird im Übrigen nicht dazu taugen, eine Wahlschlappe postum zu erklären. Der schrullige Bernie Sanders hat es schließlich in den USA auch ohne den jugendhaften Obama-Macron-Charme mit klaren Botschaften geschafft, zur Kultfigur bei jungen Wählern zu werden. Die Tatsache, dass jeder einzelne strategische Schritt der SPD-Kampagne komplett durchschaubar war, hat es unmöglich gemacht, Euphorie um Martin Schulz zu entfachen. Wer beliebig wird, kann eben keine Herzen gewinnen. Und wer seinen Kanzlerkandidaten lange genug durchs Reagenzglas des SPD-Marketing-Labors zieht, verliert Wahlen.

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35 Kommentare

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  • Schon beim lesen habe ich gedacht CDU macht Wahlpropaganda in der TAZ!

     

    Also "Dominic Boeer" schnell bei Wikipedia suchen:

     

    "Neben der Schauspielerei nimmt Boeers Engagement in der Politik eine zunehmend wichtigere Rolle ein. 2004 unterstützte er bei den US-Wahlen den sich damals erneut zur Wahl stellenden Präsidenten George W. Bush. Ein Jahr später bekannte sich Boeer bei den Bundestagswahlen öffentlich zu Angela Merkel und unterstützte auch ihren Wahlkampf." https://de.wikipedia.org/wiki/Dominic_Boeer

     

    Vor diesem Hintergrund ist Dominic Boeers Aufregung wegen Martin Schulz ja nur verständlich.

     

    Was man nicht alles in der TAZ zu lesen bekommt!

  • Ich sehe auch diese Schwächen, aber

    wir verlangen wir nicht etwas von Politikern, was wir selbst an ihrer Stelle nicht bringen würden?

    Klar, die SPD hat etwas viel Handshake und "wir sind lieb", was einen doch sehr skeptisch macht.

    Ich würde jedoch auf den Artikel des Kollegen Daniel Bax verweisen, der ganz gut argumentiert, warum unter vielen schlechten Optionen wie Jamaika dann doch eine große Koalition für diejenigen, die uns Wähler am meisten brauchen, nämlich Rentner, Schwache, Flüchtlinge, prekäre Jobber etc besser wäre. Die Grünen haben Jamaika ja nicht ausgeschlossen. Ihre Leichenstarre können sie mit ihrem Rumgehopse und Geschmuse auf der Bühne nicht übertünchen.

    Und gegen Rechts muss ich wählen (dazu gehören die Putinisten).

  • Eigentlich ist es doch viel einfacher: Die SPD wird nicht gewählt, weil sie nach wie vor - und völlig zu recht - mit der desaströsen Agenda-Politik verbunden wird. Ihr "Gerechtigkeits"-Wahlkampf wendet sich gegen lauter Dinge, die die SPD selbst verzapft hat. Das wäre nun nicht so ein Problem, wenn sie sich mal dazu durchgerungen zu bekennen: "Ok, was wir damals gemacht haben, war großer Mist, aber wir haben das eingesehen und machen es ab jetzt anders!" Genau das kam aber nie - allenfalls unglaubwürdige, halbherzige Korrekturen, die höchstens dazu geeignet waren, auch noch die wenigen Fans der Agenda-Politik, die nicht sowieso schwarz oder gelb wählen, zu vergraulen. Martin Schulz ist halt auch kein Jeremy Corbin, der so einen Wandel glaubwürdig verkörpern könnte.

     

    Die Performance im Wahlkampf könnte also noch so gut sein, dieses Problem wird die SPD so schnell nicht los. Als sie an der Macht war (also nicht nur als Juniorpartner), hat sie konsequent Politik gegen die eigene Wählerschaft gemacht, und das vergisst die so schnell nicht.

    • @Earendil:

      Der linke Flügel der SPD müsste endlich einmal gegen die alten Agenda 2010 Befürworter in der SPD rebellieren und diese Totengräber, der einst sozialen SPD, rauswerfen. Wenn dann die 'erneuerte SPD' auch endlich mit 'Die Linke' Frieden schließt, dann wird aus einem Zusammenschluss von SPD und Die Linke vielleicht eine ganz neue soziale Partei entstehen. So jedenfalls, kann es mit dieser Agenda-2010-SPD nicht weitergehen.

      • @Ricky-13:

        Nein, damit fährt die SPD gegen die Wand - andernfalls müsste die Linke, massiven Zulauf haben. Hat sie aber nicht. Der entscheidende Punkt steht oben im Artikel. Das Thema "Gerechtigkeit" zieht aktuell nicht, da sich der überwiegende Teil der Menschen "gerecht" behandelt fühlt.

         

        Mir fehlt bei Schulz der Glaube an Kompetenz, da er - und da trifft der Artikel meine Meinung - völlig inhalts-, meinungsleer rüberkommt. Man hat den Eindruck eine leere Puppe zu haben, die keine eigenen Ideen hat und der von Marketing/Wahlexperten mit Leben gefüllt wird. Dann noch die Verzweiflungstat mit dem Vorwurf, dass sich Merkel dem Wahlkampf entziehe. Wenn er keine Themen hat, mit denen er die Menschen hinterm Ofen vorlocken kann, warum sollte ihn die Menschen dann wählen?

        • @Strolch:

          Die SPD ist schon lange gegen die Wand gefahren, nur will das keiner in der SPD zugeben. Warum sollte in Zukunft keine neue soziale Partei aus SPD und Die Linke entstehen? Auf Dauer kann man die Armut in Deutschland nämlich nicht verstecken und irgendwann macht es dann "rumms". Selbst die Springerpresse schwenkt schon langsam um und bringt Artikel über Armut in Deutschland.

           

          Mit der leeren Puppe, die keine eigenen Ideen hat und von Marketing/Wahlexperten mit Leben gefüllt wird, gebe ich Ihnen recht. Schulz ist doch auch nur wieder einer von den Berufspolitikern, der nicht weiß was er sagen und wie er reagieren soll, folglich lässt er sich von "Marketing/Wahlexperten" zur Marionette machen. Politiker vom Schlage eines Willy Brandt hat die SPD schon lange nicht mehr, sondern nur noch aalglatte Berufspolitiker, aber da sind die anderen Parteien auch nicht besser.

  • Die Sozis -(?) besser SPDler - sollten nicht so schwarz sehen. Ein Anteil von um die 20% an den Wählerstimmen ist für diese Beamten- und Funktionärspartei doch gar nicht schlecht.

     

    Die SPD vertritt die Interessen von Beamten und Funktionären doch auch relativ erfolgreich. Zumindest in Bezug auf Altersarmut müssen sich Beamte und Funktionäre dank der erfolgreichen SPD- Politik keine Gedanken machen.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @A. Müllermilch:

      Überzeugend, wie Sich hier an Beamten und Funktionären abarbeiten. ;-)

       

      Dass es die SPD sein soll, die deren Interessen am erfolgreichsten vertritt, entspricht nicht meiner Wahrnehmung.

  • Martin Schulz war nie eine echte Alternative, sondern ein Ergänzungskandidat der großen Koalition.

     

    Alle Bundeskanzlerkandidaten werden sehr genau betrachtet, beschrieben, gedeutet, das bleibt den meisten anderen Kandidaten erspart und hilft ihnen wohl eher.

     

    Aber das Profil von Schulz als interessanter Mensch in der Politik und als Kanzlerkandidat sind auch zwei paar Schuh.

     

    Sieht man sich die Positionen der SPD an und wie Schulz sie verkörpert, ja lebt, dann finde ich macht er seine Sache extrem gut.

     

    Mit Siegmar Gabriel hätte die SPD bei 15 Prozent landen können, bei Schulz sieht ja alles nach 20 bis 22 Prozent aus und das wäre ein voller Erfolg für die SPD.

     

    Und überhaupt wie sieht das SPD-Angebot aus? Wer kann es sich leisten, eine weitere bürgerliche Partei zu wählen, also eine Partei, die für Konservierung von Machtverhältnissen in der Wirtschaft und Gesellschaft steht?

     

    Das sind sowieso wenige und gerade viele ehemalige SPD-Wähler aus der unteren Mittelschicht sind von Sorgen getrieben und müssen das Geld zählen, sind nachdenklich, ob die eigenen Kinder es schaffen werden, zu einer Karriere, einem Leben ohne staatlichen Zuschuss zu kommen, fluchtn über Gebühren und Fragebögen.

     

    Solche Kreise bedient die SPD nicht (mehr) und das verkörpert auch Schulz sehr gut, so war er immer.

     

    Schulz treiben die sowieso gut-gestellten Facharbeiter beim Daimler, bei VW oder Salzgitter an, nicht die ehemaligen, entlassenen Arbeiter einer Werft oder Dauerarbeitslose in Dresden.

     

    Für echte Probleme ist Schulz nämlich nicht zuständig, er kann nur bei Kaiserwetter reden und optimieren. Für die kalte und regnerischen Tagen nimmt er sich (Dauer)Urlaub.

     

    Und viel spricht dafür, dass er nochmal als Retter für uns alle auftritt, wenn die AfD in den Bundestag zieht und Stabilität gefragt ist, die Demokratie gegen 8 Prozent verteidigt werden muss, dann wird er das auf seine Kappe nehmen und die nächste große Koalition wird begonnen werden.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Gibt es ein Politik-Register, eine Art Chronologie der "Errungenschaften" und Missgriffe der GroKo als Gedächtnis?

    Etwas in der Richtung wäre mindestens so hilfreich wie der Wahlomat...

    • @571 (Profil gelöscht):

      Haha, ja das wäre eine interessante und wichtige Information zur Wahl.

  • "Wenn wir Trump doof finden, findet Schulz Trump öffentlich mit uns doof."

     

    Was für eine "doofe" Analyse!

     

    Und wer ist "wir"? Sind Sie der Boeer Herr Boeer: https://de.wikipedia.org/wiki/Dominic_Boeer ? Dann wäre "wir" Busch, Merkel und "Gute Zeiten schlechte Zeiten"

  • Es liegt auch, aber nicht hauptsächlich an der Person.

     

    Interessant an Schulz ist lediglich der Hype, den er tatsächlich erzeugt hat, da ihm die WählerInnen kurzzeitig abnahmen, dass es eine sozialdemokratische Option in diesem Land noch gebe.

     

    Schulzens Vorgänger sind genauso erbärmlich abgeschmiert, wie er es nun gerade tut. Sie wurden ebenfalls vom "Kanaler"-Flügel der SPD zu Kanzlerkandidaten gemacht, ohne jemals zuvor eine Wahl gewonnen zu haben: Gabriel Steinmeier Steinmüller usw.

     

    Der letzte, der mit Inhalten der Sozialdemokratie Wahlen gewann

    (z. B. Helmut Kohls Stammland) war Kurt Beck. Als Vorsitzender der SPD wurde er von den "Kanalern" als "Linker" beschimpft und ins Nirwana gejagt.

     

    Eine sozialdemokratische Option in diesem Land gibt es nicht mehr, wie die WählerInnen besser verstehen als mancher Zeitungskommentar.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Rosmarin:

      "Sie wurden ebenfalls vom "Kanaler"-Flügel der SPD zu Kanzlerkandidaten gemacht"

       

      Was sind denn "Kanaler"?

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Gemeint ist wohl der sog. 'Seeheimer Kreis' in der SPD. Ein U-Boot dessen Besatzung ständig damit beschäftigt ist der SPD das Sozialdemokratische auszutreiben. Ein konservativer Machtklüngel halt.

  • 9G
    95823 (Profil gelöscht)

    Die SPD und jeder ihrer Kandidaten sollten sich einfach wieder auf das "sozial" in ihrem Namen besinnen, dann klappt es vielleicht auch wieder mit den Wählern. Den Wählern ist nämlich durchaus bewusst das es überhaupt keinen Unterschied macht ob man nun CDU oder SPD wählt, solange letztere sich nicht klar von ersterer abgrenzt.

    Solange die SPD sich weiter mit der Rolle des Juniorpartners in der Regierung statt des Seniors in der Opposition zufrieden gibt wird weiterhin die Raute die Nase vorn haben.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Auch wenn Herr Schulz meine Stimme nicht bekommt, diesen Beitrag hätten Sie sich ruhig noch ein paar Tage verkneifen können.

    Man muss den Mann nicht schlechter reden als er ist, nur um sich am Sonntag Abend grinsend auf die eigene Schulter klopfen zu können mit den Worten: seht ihr, ich hab's euch doch gesagt, was das für eine schlappe Nummer ist!

  • Unser Martin stand vor der Wahl, sich programmatisch eher an Corbyn oder an Macron zu orientieren. Er hat Macron gewählt und dabei übersehen, daß Macron die gesamte Presse auf seiner Seite hatte und eben kein Parteipolitiker war. Ressourcen also, die der SPD nie zur Verfügung standen.

    Ein Corbyn hingegen hat seit Jahren nach denselben Prizipien abgestimmt, war immer ein Linker. Auch das gilt nicht für Martin Schulz, aber wir hätten's ihm verziehen. Nur erst einen auf Macron würseln (100%, Euphorie aus dem Nichts) und dann bei Nicht-Erfolg zum Corbyn mutieren zu wollen, das ist es, was den Kandidaten Profillos macht. Mehr als jede noch so überarbeitete Rhetorik.

     

    Er hat's halt vergeigt; die Chancen der Post-Schröder-SPD war ohnehin nicht gut, aber er hat halt nicht mal versucht, sie zu nutzen - und anschließend um Wiederholung zu bitten, ist schwach...

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @eremit:

      Wie soll denn ein Seeheimer glaubhaft den Corbyn machen? Das wäre doch Verarsche gewesen...

  • So viel Aufregung von Dominic Boeer kann ich bei dem Martin Schulz wirklich nicht nachvollziehen.

     

    Gerechtigkeit ist genau das richtige Thema und ich finde Martin Schulz macht es sehr gut bisher.

     

    Mit weiter CDU werden wohl noch die Uhren stehen bleiben...;-)

  • Diesen Bericht kann ich mit gutem Gewissen unterschreiben.

     

    Absolut bedauerlich ist es jedoch, daß - wenn man den Umfragen glaubt - das noch viel größere Übel beste Chancen hat, die Bürgerinnen und Bürger noch einmal 4 Jahre lang mit einer Mutti zu plagen.

  • Jetzt macht sogar schon die taz Wahlwerbung gegen Schulz? Reicht es nicht dass Welt, Süddeutsche & Co seit Wochen den gleichen Einheitsbrei drucken? Zumal die Analyse nicht falscher sein könnte.

     

    Die derzeitigen Schwierigkeiten der SPD liegen an einem einfachen Punkt. Es ist schlichtweg nicht möglich, gleichzeitig einer große Koalition beizuwohnen und einen glaubhafeten Oppositionswahlkampf zu machen. Das wusste die SPD, als sie vor vier Jahren lieber Merkel gestützt hat als eine rot-rot-grüne Koalition zu führen. Es war von Anfang an klar, dass es unmöglich wird sich als Juniorpartner zu profilieren, dass die Partei in der Konstellation zum Wohle des Landes geopfert wird.

     

    Ich finde, Schulz macht seine Sache im Wahlkampf nicht schlecht. Aber man kann halt ohne drei und mit krausem Beiblatt kein Skat gewinnen. Wenn die SPD soziale Kälte und gesellschaftliche Rückschritte kritisieren, muss sie sich die Frage gefallen lassen: ja warum habt ihr das alles mitgetragen, die letzten vier Jahre. Versucht sie, sich wirtschaftliche Erfolge auf die Fahnen zu schreiben setzt ihr das Argument zu: das war vor allem die CDU.

     

    Über allem schwebt eine Kanzlerin die es irgendwie schafft, in den Augen der Öffentlichen Fortschritte für sich in Anspruch zu nehmen bei denen ihr einziger Verdienst darin besteht, sie nicht vehementer verhindert zu haben. Homoehe: Merkels Verdienst, obwohl sie nichts getan hat als die CDU Abgeordneten nicht zu erpressen um es zu verhinden. Atomausstieg: war Merkel, weil sie nach 20 Jahren die Blockade aufgegeben hat. Energiewende: geht auch auf Merkels Konto, auch wenn die Regierung alles in ihrer Macht stehende tut um eine wirksame Klimapolitik zu verhindern, öffentlich wird sie irgendwie als Klimakanzlerin wahgenommen.

     

    Ich bin gespannt was nach der Wahl passiert, wenn der verdutzten Öffentlichkeit auffällt, dass der CDU/CSU Konflikt zwischen Grundgesetzt und Bayerntum nicht beigelegt, sondern nur bis nach der Wahl vertagt wurde...

    • @Tim Dahmen:

      Lieber Tim,

      wie habe ich mich über deinen Beitrag gefreut! Sehe ich sehr ähnlich. Ich kann bis heute nicht folgen was an der Kampanje von SPD und Schulz nicht in Ordnung wäre und staune über das Wortwahl in der TAZ. Ich finde Martin Schulz nach wie vor sehr gut.

      Ich freue mich nach wie vor sehr, dass mit Schulz das Thema Gerechtigkeit so deutlich angesprochen wurde. Seit dem kann ich mich wieder für das öffentliche Gespräch mit Begeisterung interessieren.

       

      Im schlimmsten Fall müssen wir noch vier Jahre mit der CDU-Dame aushalten und die Ungerechtigkeit noch ein bisschen anwachsen lassen. Aber auf dauer gibt es ja bei den neoliberal-rechtskonservativen ja wirklich gar keine perspektiven, da kommt dann früher oder später doch was anderes. Ich hätte es lieber früher. Zum Beispiel gleich am 24 September!

      • @Nilsson Samuelsson:

        Wenn man schon Wahlkampf für Herrn Schulz macht, dann sollte man sich etwas früher bei der taz als Kommentator anmelden und vielleicht auch nicht zu sehr mit der Tür ins Haus fallen, ansonsten fällt das auf.

  • Was für ein treffliche Analyse!

     

    Ich würde sogar noch weiter gehen und den Wähler gar nicht so loben, denn so allwissend ist der gar nicht und somit hätte Herr Schulz es sogar einfacher haben können: Der Wähler 2017 will in der Regel soziale Sicherheit (da er derzeit zufrieden ist) und keine (undefinierte) Soziale Gerechtigkeit (was Ändeurng bedeuten würde).

     

    Selbst das hat die SPD nicht erkannt und die Leute überhaupt gar nicht mehr erreicht.

     

    Einziger Hoffnungsschimmer: Viele sehen die SPD so grottenmäßig untergehen; vielleicht gibts nächsten Sonntag einen Mitleidseffekt und es wird nicht ganz so schlimm.

    • @Tom Farmer:

      "Der Wähler 2017 will in der Regel soziale Sicherheit (da er derzeit zufrieden ist) und keine (undefinierte) Soziale Gerechtigkeit (was Ändeurng bedeuten würde)."

       

      Quatsch, soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind doch nicht getrennt voneinander zu betrachen - schon gar nicht in Zeiten, in denen das wachsende Gefühl sozialer Ungerechtigkeit einhergeht mit wachsender Unsicherheit eines großen Teils der Bevölkerung, wo Prekarität, Abstiegsangst, Angst vor Altersarmut etc. herrschen.

       

      Das Problem von Schulz ist nicht, dass er auf soziale Gerechtigkeit statt auf soziale Sicherheit gesetzt hat - sonst hätte es am Anfang auch nicht so einen riesen-Applaus gegeben, als scheinbar endlich mal jemand in der SPD lautstark das Thema soziale Ungerechtigkeit in den Focus gesetzt hat. Der große "Schulz-Hype" war ja nicht nur von den Medien inszeniert: unendlich viele hatten Hoffnung, dass die SPD endlich mal wieder kapiert, was Sache ist.

       

      Das hilft halt bloß nix, wenn der Kandidat dann außer heißer Luft nichts zu bieten hat und in einer verwürselten Rede nach der nächsten beweist, dass es im Agendadeutschland auch unter ihm prinzipiell wieder genauso weiter gehen soll wie unter Schröder und Merkel. Genau dafür ist er dann abgewatscht worden.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @kami:

        Natürlich lassen sich soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit von einander getrennt betrachten. Dafür müsste zunächst mal gesagt werden, was soziale Gerechtigkeit denn sein soll. Der Begriff ist eine leere Hülle, der mit Inhalten gefüllt werden will.

         

        Wenn soziale Gerechtigkeit in Richtung Gleichheit tendiert, kann soziale Sicherheit im Sinne von Statuserhalt (den unser Sozialstaat anstrebt) getrennt davon betrachtet werden. Seinen Status erhalten zu wollen, ist das Gegenteil von Gleichheitsbestrebungen.

        • @74450 (Profil gelöscht):

          So sieht das wohl aus!

           

          Der (offensichtliche) Gedanke kam übrigens vom Politikwischenschaftler Korte und bringt den Gedankenfehler der SPD auf den Punkt! Den Leuten gehts mehrheitlich zu gut für soz. Gerechtigkeit... die wollen soz. Sicherheit für sich selbst!

           

          Hätte man also ganz anders inhaltlich formulieren müssen als SPD.

  • Martin Schulz hatte nie ein eigenes Profil. Die SPD hat ihn gefeiert, weil er den so ungeliebten Gabriel ersetzen konnte aber das macht noch kein Profil.

  • Das die SPD-Protagonisten ihren Kanzlerkandidaten in Grund und Boden optimiert haben möchte ich bezweifeln. Wir erinnern uns doch genau, was nach der Wahl im Saarland los war, als der Springer-Konzern aus allen Rohren das Rot-Rot-Grüne Gespenst in alle Medien abfeuerte.

    Bereits Alterbundeskanzler Schröder erkannte früh, gegen die BILD ist keine Kanzlerschaft zu gewinnen. Sobald die SPD von ihrer Kernklientel, der einfachen Bürger, weggespalten ist, ist auch eine Wahl nicht mehr zu gewinnen. Das Medienkartell hat Deutschland fest in den Händen.

    • @Nico Frank:

      Danke für den Kommentar!

      Sehe ich auch so.

      Gruß

      Nilsson

  • Schon zu Beginn waren die 'Hochrechnungen' unglaubwürdig und der große öffentlich-mediale Bahnhof um die Person Martin Schulz durchsichtig! Offensichtlich konnten die medialen Sozialdemokraten und Journalisten in den privaten und staatlich-öffentlich-rechtlichen Meinungsmedien es sich nicht verkneifen, ihren EU-Spezialdemokraten zu pushen. Für politisch interessierte Menschen, quer durch alle Politlager, war diese Absicht deutlich erkennbar. Nun folgt der mediale Abgesang und nach den Wahlen die Fortsetzung der GroKo unter Führung von Frau Merkel!

  • Ganz schlimm wird sich für die SPD auswirken, dass die Partei nach 12 postschröderschen Jahren immer noch fast komplett von einer Seeheimer-Kreis-affinen Truppe angeführt wird. Keine echten Linken weit und breit und die, die mal als Linke galten, haben ihr Hell komplett umgestülpt, kaum in eine Regierungskarosse eingestiegen (Nahles).

    Die CDU ist da viel schlauer und lässt z.B. ihren nationalkonservativ-wirtschaftsliberalen Flügel in Form von Jens Spahn wieder aufleben als mögliche Andockstation für die (wohl reformierte) AfD.

    • @agerwiese:

      ist: "haben ihr Hell..." ;)

       

      soll: "haben ihr Fell..."